A G I L F R I D U S

Bischof von Tongern/Maastricht/Lüttich von 769 bis 787
Abt von Elnone (= St. Amand)

Die Annales Lobienses[1] verzeichnen zum Jahr 769 den Tod von Fulcaricus Leodicensis[2] episcopus[3], cui successit Agilfridus[4].
Laut einer späteren aber glaubhaften Quelle[5] habe Karl der Große zur Zeits Bischofs Agilfridus[6] der Kirche von Lüttich Güter geschenkt.
Seiner Huth (St. Lambert in Lüttich) soll der besiegte Langobardenkönig Desiderius mit seiner Gemahlin Ansa 774 übergeben worden sein[7].
Auch scheint er bei der Bekehrung Sachsens beteiligt gewesen zu sein und nach nicht unglaubwürdiger Überlieferung hat er an dem genannten Orte eine Kirche gegründet: Laut einer Fälschung auf den Namen Ludwigs des Deutschen[8] habe Bischof Egilfrithus von Lüttich die erste Kirche in Osnabrück[9] in provintia Vvestfala zur Zeit des Papstes Hadrian[10]  und der Herrschaft Karls des Großen geweiht.
Agilfridus stirbt am 13. Dezember[11] 787[12].
Agelfridus war auch Abt von Elnone (= St. Amandus)[13], scheinbar bevor er die cathedra bestieg[14].
Spätere Quellen[15] identifizieren Abt Eilfridus (Egilfridus) von St. Bavo zu Gent[16] mit dem Lütticher Bischof[17].


[1] Überlieferung: Handschrift um 1000 datiert: Staatsbibliothek Bamberg Msc. Patr.62, einzusehen online unter http://bsbsbb.bsb.lrz-muenchen.de/~db/0000/sbb00000158/images/index.html (freundliche Informationen von Dr. Stefan Koch, Staatsbibliothek Bamberg).  Druck: Monumenta Germaniae historica –fortan MGH-, Scriptorum 13, ed. Georg Waitz, Hannover, 1881, S. 226-235. Der hier – S. 228 – genannte Abschnitt ist ein Zusatz eines Lütticher Bearbeiters der Annalen im 10. Jahrhundert. Vgl. Kurze F., Die Annales Lobienses, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 37, 1912, 587-614, hier S. 597. Die diesem Bearbeiter der Annales zugewiesene Bischofsreihe kann als glaubwürdig gelten (Werner Matthias, Der Lütticher Raum in frühkarolingischer Zeit, in: Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 62, 1980, S. 276 Anm. 13).
[2] Die Verlegung des Bischofssitzes von Maastricht nach Lüttich geschah vielleicht zur Zeit des Bischofs Hugbertus (703/706-727), aber das Bistum wurde erst viel später nach der "civitas" Lüttich genannt.   
[3] Fulcricus, Bischof von Tongern/Maastricht/Lüttich von vermutlich 737/738 bis 769. Die im 12. Jahrhundert verfassten Gesta abbatum Trudonensium bringen Fulcharius' Tod im Jahr 768 und schreiben: Agilfridus, ex palatio Karoli regis assumptus, Leodiensis epyscopus constituitur, qui prefuit annis 16 (ed. Rudolf Koepke, MGH Scriptorum 10, Hannover 1852, Nachdruck 1963, 213-448, hier S. 372).
[4] Varianten: Egilfrithus, Egilfridus, Agelfridus, Agelfredus, ?Engilfrid, ?Eilfridus. Zu diesem Namen, s. Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. I: Personennamen, Bonn 1900, Nachdruck München 1966, Sp. 31-32.
[5] Aegidii Aureaevallensis>Gesta episcoporum Leodiensium, l. II, c. 32, ed. Heller I., MGH Scriptorum 25, Hannover 1880, Nachdruck 1964, 1-129, hier S. 47 (13. Jahrhundert).
[6] Werner, wie Anm. 1, S. 311 Anm. 167; Böhmer Johann Friedrich, Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 715-918, neubearb. von Engelbert Mühlbacher, vollendet von Johann Lechner (Innsbruck ²1908), mit Ergänzungen von Carlrichard Brühl, Hans H. Kaminsky, Hildesheim 1966 -nachfolgend BM² -, Verlorene Urkunden Nr. 281 S. 856. Eine Urkunde des Kaisers Otto II. von 980 erwähnt, dass Karl der Große wie sein Vater Pippin den Besitz der Lütticher Kirche bestätigt habe (MGH Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 2/1, Hannover 1888, Nr. 210 S. 238-239. Vgl. BM² Verl. Urk. Nr. 277 S. 856).
[7] Annales Lobienses, MGH SS 13, S. 229: … Papiam coepit et Desiderium captum cum uxore et filiis exulandum direxit in Frantiam ad locum qui dicitur Pausatio sancti Lantberti martyris (= St. Lambert in Lüttich) (s. auch MGH SS 2, S. 195; Kurze, wie Anm. 1, S. 603 ist der Meinung, dass diese Angabe aus einem Text des Anfangs des 9. Jahrhunderts entnommen sein kann). Vgl. aussi MGH SS 4, S. 13; MGH SS 7,  S. 198; MGH SS 16, S. 636; MGH SS 25, S. 47. Andere Quellen schreiben, dass Desiderius ins Kloster Corbie oder St. Denis verbannt wurde. Die Frage des Verbannungsortes muss ungelöst bleiben. Cf. BM², Nr. 167a S. 76-77; Werner, wie Anm. 1, S. 311-312 Anm. 167.
[8] Pseudo-Original des 11. Jahrhunderts: MGH, Die Urkunden ... 1, wie Anm. 5, Hannover 1934, Nr. 51 S. 67-69 datiert auf den 10. November 848.
[9] Niedersachsen, Kreisstadt.
[10] 772-795.
[11] Marchandisse Alain, L'obituaire de la cathédrale Saint-Lambert de Liège (XIe-XVe siècles), Bruxelles 1991, S. 169. Dieses Obituarium, vermutlich vom 12./13. Jarhundert, ist uns nur durch Abschriften des 17. und 20. Jahrhunderts erhalten (s. ebd., S. XXXIX-LXXI). Vgl. Engels Odilo et Weinfurter Stefan, Series episcoporum Ecclesiae catholicae occidentalis ab initio usque ad annum MCXCVIII. Series V: Germania. T. I: Archiepiscopatus Coloniensis, Stuttgart 1982, S. 57.
[12] Annales Lobienses, MGH SS 13, S. 229: Eo anno defunctus est Agilfridus Leodicensium episcopus; cui successit Gerboldus; Ann. Elnonenses, Hand des 12. Jahrhunderts, hg. von Grierson Philip, Les Annales de Saint-Pierre de Gand et de Saint-Amand. Annales Blandinienses, Annales Elmarenses, Annales Formoselenses, Annales Elnonenses (Commission royale d'histoire. Recueil de textes pour servir à l'étude de l'histoire de Belgique), Bruxelles 1937, S. 143 (oder MGH SS 5, S. 11). Die Gesta abbatum Trudonensium (ed. Koepcke R., MGH SS 10, Hannover 1852, 361-381, hier S. 372) und das Obituarium von S. Lambert bringen das Jahr 784 (vgl. (Abel Sigurd, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter Karl dem Großen 1, bearb. von Bernhard Simson, Leipzig 1888, S. 288). Laut einer Chronik des 14. Jahrhundert soll der Bischof in der Krypta von S. Lambert bestattet worden sein (s. Gierlich Ernst, Die Grabstätten der rheinischen Bischöfe vor 1200, in: Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 65, Mainz 1990, S. 327).
[13] Saint-Amand-les-Eaux, Frankreich, Département Nord, Arrondissement Valenciennes: Ann. Elnon.  (Platelle Henri, Le temporel de l'abbaye de Saint-Amand des origines à 1340 [Université de Paris, Faculté des Lettres], Paris, 1962, S. 10-11; wie Anm. 11); Grierson, ebd., S. 143; MGH SS 5, S. 11: 787. Obiit Agelfridus episcopus, abbas Sancti Amandi; Series abb. S. Amandi, 12. Jahrhundert, MGH SS 13, S. 386: Agelfredus episcopus. Vgl. Berlière U., Artikel "Agilfride", DHGE 1, Paris 1912, Sp. 958-959. Ein Engilfrid ep. ist im 9. Jahrhundert im Liber vitæ s. Petri Salisburgensis unter den Mitliedern der Gemeinschaft von St. Amand eingetragen worden (MGH Necrologia Germaniae 2, Berlin 1904, S. 9 c. 14). Gyslebertus ep. (vgl. folgende Anm.) und Agelfridus ep.sind in einer Liste verstorbener Bischöfe im selben Liber vitæ nacheinander eingetragen (ebd., S. 26 c. 63).
[14] Man wird wohl annehmen müssen, dass entgegen der Angaben der Abtsliste und des Breve chronicon abbatum Elnonensium vom 12. Jahrhundert Gislebertus, der als Bischof von Noyon-Tournai ab 769 belegt ist und 782 stirbt, Nachfolger des Agelfredus als Abt von St. Amand und nicht das Gegenteil war (Platelle H., Une chronique inconnue de l'abbaye de Saint-Amand, in: Revue du Nord 37, Lille 1955, 217-226, hier S. 224; vgl. ders., wie Anm. 12, S. 53-54 und Anm. 2-5). Vielleicht muss diese Umkehrung darauf zu führen sein, dass Agilfridus' Tod  nach dem vom Gislebertus in den dans les Annales Elnonenses steht, beziehungsweise in den Jahren 787 und 782.
[15] Quellen des 14. Jahrhunderts: Grierson Ph., The early abbots of St. Bavo's of Ghent, in: Revue bénédictine 49, Maredous 1937 [réimp. 1966], 29-61, hier S. 31, 42-43; Gallia Christiana 5, 1731, Sp. 175.
[16] Die angegebenen Daten, der 15. August für sein Obit und der 16. November 754 für die Überführung der Reliquien der hl. Pharaildis nach St. Bavo durch Egilfridus episcopus et abbas IXus Gandensis, sind sicherlich willkürlich festgelegt worden (vgl. Grierson, wie Anm. 12, S. 42-43).
[17] Dieser Abt von St. Bavo hat es vermutlich im 8. Jahrhundert gegeben, aber die Identifizierung mit dem Lütticher Bischof wird nur in den gleichen Namen ihren Ursprung finden (vgl. Grierson, ebd.; Abel, wie Anm. 12, S. 59 und Anm. 5; Gallia Christiana 3, 1725, Sp. 831-832).

18.07.2017