H A G I N O

Pippins Gerichtsbeisitzer (748)

In einem Streit um Güter[1] in loco, qui dicitur Marolio[2] zwischen einer femina namens Christiana einerseits und dem Vogt des Klosters St. Denis[3] Hrodgarius[4] sowie dem Abt Amalbertus[5] andererseits entscheidet der Hausmeier Pippin zusammen mit genannten Großen und Getreuen und dem Pfalzgrafen[6], darunter als erster[7] Hagino[8],  am 11. Februar 748[9] in Vernum[10] zugunsten des Klosters.


[1] […] casam et mansum et vineas et mancipia […].
[2] Mareil(-Marly), Frankreich, département des Yvelines, arrondissement de Saint-Germain-en-Laye, canton de Le Pecq. Vgl. Stoclet Alain, Autour de Fulrad de Saint-Denis, v. 710-784, in: Ecole Pratique des Hautes Etudes. Sciences historiques et philologiques 5. Hautes Etudes médiévales et modernes 72,Genève-Paris, 1993, S. 366; Longnon Auguste, Monumenta Germaniae historica. Diplomatum imperii t.    I, in:    Revue critique d'histoire et de littérature 7, Paris, 1873, 74-82, 89-97, 107-118, 121-132, hier S. 117;  Jacobs A., Etude sur la géographie des diplômes mérovingiens, in: Revue des sociétés savantes des départements, 2e série, 7, 1862, 52-67, 162-168, 232-251, hier S. 234.
[3] Département Seine-Saint-Denis, chef-lieu d'arrondissement. Die Basilika war Grabstätte merowingischer Könige, sowie von Karl Martell und seinem Sohn Pippin. Von da an ist die Geschichte dieser Gedächtnisstätte untrennbar mit der Geschichte der französischen Könige verbunden, besonders ab Ende des 10. Jahrhunderts. Das Kloster wurde 1790 aufgehoben. Heute ist die Basilika Kathedralkirche der Diözese Saint-Denis.
[4] Hrotgarius kann eine Urkunde, die als echt erkannt wird, über die Schenkung der betroffenen Güter durch Witgaudius an Saint-Denis vorweisen. Es ist die erste bekannte Erwähnung eines Vogtes (advocatus) für Saint-Denis (vgl. Peters Ralf, Die Entwicklung des Grundbesitzes der Abtei Saint-Denis in merowingischer und karolingischer Zeit, Diss. Univ. Düsseldorf, Aachen, 1993, S. 144).
[5] Dieser Abt, der nur kurz dieses Amt bekleidet haben muss, ist sonst nicht belegt (siehe hier Artikel "Amalbertus, Abt von St. Denis"). Ihm folgt der berühmte Fulradus, der erstmals am 17. August 750 urkundlich genannt ist (Die Urkunden der Arnulfinger, hg. von Heidrich Ingrid, in: Monumenta Germaniae historica – fortan MGH -, Diplomata maiorum domus regiae e stirpe Arnulforum, Hannover, 2011, Nr. 21 S. 45-48). Vor Amalbertus soll der Abt Godobaldus dem Kloster 25 Jahre vorgestanden haben (vgl. www.prosopographie.eu/Exkurs 1).
[6]  […] Proinde una cum proceribus vel fidelibus nostris, id est Haginone, Theudeberto, Remedio, Garehardo, Fulcario, Bovilone, Uualcherio, Rauchingo et Ermenaldo, comite palatii nostro, vel reliquis quam pluribus visi fuimus iudicasse […]. Die Bezeichnung fidelis noster (fidelis regis) wurde vermutlich "nur dem verliehen, der in einem besonderen Verhältnis zum König [hier zum Hausmeier] in seiner Eigenschaft als Herrscher gestanden hatte" (Dietrich von Gladiss, Fidelis regis, in: Zeitschrift für Rechtsgeschichte, Germanische Abteilung 57, 1937, 441-451, hier S. 451.
[7] Hagino führt die Reihe der Beisitzer an, ist deshalb vermutlich der Rangälteste. Er erscheint nicht mehr unter den Beisitzern des königlichen Gerichts in Pippins Zeit, wird möglicherweise nach 752 verstorben sein. Erst 772 ist wieder ein Hagino in einer königlichen Urkunde genannt, diesmal abermals als erster der Gerichtsbeisitzer (Die Urkunden Pippins, Karlmanns und Karls des Grossen, bearb. von Engelbert Mühlbacher u. a., in: MGH Diplomatum Karolinorum 1, Hannover 1906, Neudruck München 1991, Nr. 65 S. 94-95). Beide werden sicherlich einer einflussreichen Familie angehören.
[8] Beim Stamm dieses Namens besteht Unsicherheit: Meistens wird er mit *agin (mit h-Prothese) angegeben, ohne jedoch die Form "hagan" auszuschließen zu können (Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. I: Personennamen, Bonn, 1900, Neudruck München 1966, Sp. 37; Michael Borgolte und Dieter Geuenich in: Subsidia Sangallensia I, in: St. Galler Kultur und Geschichte 16, 1986, Lemmatisiertes Namenregister S. 518-519; freundliche Mitteilungen von Frau Prof. Dr. Ingrid Heidrich am 12.04.2013, die für die Gleichstellung von Hagino und Agino eintritt, und von Prof. Dr. Dieter Geuenich am 07.10.2011, der keine der beiden Möglichkeiten ausschließt).Eine Identifizierung mit dem Agno (=? Agino) eines wahrscheinlich im Mai 748 geschriebenen Briefes, in dem Papst Zacharias sich an dreizehn viris magnificis wendet (siehe Artikel im Anhang) ist fraglich. Dazu Semmler Josef, Der Dynastiewechsel von 751 und die fränkische Königssalbung, in: Studia humaniora. Series minor 6, Düsseldorf, 2003, S. 61.
[9] Original verschollen. Überlieferung: Chartular des 13. Jahrhunderts, genannt "Livre des privilèges", vermutlich zusammengestellt auf der Grundlage eines Chartulars des 12. Jahrhunderts (Rolf Grosse, Remarques sur les cartulaires de Saint-Denis aux XIIIe et XIVe siècles, in: Les cartulaires, actes de la table ronde …, Paris, 1993, in: Mémoires et documents de l'Ecole des chartes 39, 279-288, hier S. 282-284); Mabillon Jean, De re diplomatica libri VI, Paris, 1681, 2. Ed., Paris, 1709, liber sextus, S. 489. Drucke in Auswahl: Die Urkunden, wie Anm. 5, Nr.18 S. 41-42; Diplomata regum Francorum e stirpe Merovingica. Diplomata maiorum domus regiae. Diplomata spuria, hg. von Karl A. F. Pertz, in: MGH Diplomatum Imperii I, Hannover, 1872, Nachdruck Stuttgart, 1981, Nr. 18 S. 104-105. Vgl. Sonzogni Daniel, Le chartrier de l'abbaye de Saint-Denis en France. Essai de reconstitution, in: Pecia. Ressources en médiévistique 3, 2003, Nr. 83 S. 104-105; Böhmer Johann Friedrich, Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 715-918, neubearb. von Engelbert Mühlbacher, vollendet von Johann Lechner (Innsbruck ²1908), mit Ergänzungen von Carlrichard Brühl – Hans H. Kaminsky, Hildesheim, 1966, Nr. 57 S. 29; Hahn Heinrich, Jahrbücher des Fränkischen Reichs 741-752 (Jahrbücher der deutschen Geschichte), Berlin, 1863, S. 103-104. Wolf Günther, Grifos Erbe, die Einsetzung König Childerichs III. und der Kampf um die Macht – zugleich Bemerkungen zur karolingischen "Hofhistoriographie", in: Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 38, 1992, 1-16, hier S. 5, möchte die Urkunde in das Jahr 747 setzen; dies wird aber wie von Heidrich auch von Glatthaar Michael, Bonifatius und das Sakrileg. Zur politischen Dimension eines Rechtsbegriffs, in: Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte 17, 2004 S. 145 und Anm. 264 abgelehnt.
[10] Vermutlich Ver-sur-Launette, Oise, arr. Senlis, cant. Nanteuil-le-Haudouin (Lambert Emile, Dictionnaire topographique du département de l'Oise, in: Collection de la Société de Linguistique Picarde 23, 1982, S. 592 Nr. 3716; Remmler Bernd, Spurensuche, die Karolinger: die verschwundenen Paläste Karls des Grossen, Pro Business, 2010, S. 369-370).

20.06.2012, überarbeitet 25.11.2012, 29.12.2013