G A Y R O I N U S[1]

Abt von Flavigny, bezeugt von 749 bis 754/755
? Bischof

Im Mai 749[2] schenken Baio und seine Frau Cylinia dem unter der Leitung des Abtes[3]  Garroinus[4] stehenden Kloster Flavigny[5] ihre Güter im Gau Auxois[6] in Pouillenay[7], Magny[8] und Preugny[9]; er bestätigt auch die Schenkung seiner Eltern der Kirche Saint-Symphorien in Pouillenay.
In Flavigny[10], im Jahr 749[11] mediante mense Iunio, übergibt Cylinia, Frau des Baio, dem von Abt Gayroinus geleiteten Kloster Flavigny ihren Besitz[12] im Duesmois[13] in Poiseul[14], Optemariaco[15] und Clirey[16].
In einem Brief teilt Hausmeier Pippin[17] Domno Gayroino und den Mönchen von Flavigny mit, dass er ihnen Elfenbeintafeln schickt[18], ihnen das Wasserbecken[19] von Glanon schenkt und für sich und seine Nachkommen ihr Gebet erbittet.
Gaironus abba steht unter den Unterzeichnern der zum 27. September 749[20] datierten Urkunde des Bischofs Heddo von Strasbourg/Straßburg; diese bestätigt die Gründung eines Klosters auf der Rheininsel namens Arnulfsau[21]. Aber die Unterschriften sind wahrscheinlich später hinzugefügt worden[22].
Hugo von Flavigny berichtet in seine  Randnoten[23], dass Bischof Gayroinus[24] in expeditione imperatoris[25]…pridie Nonas Iulii[26] starb.


[1] Garroinus, Gaironus, Geruinus.
[2] Original verloren. Chartular des 11./12. Jahrhunderts erhalten in späteren Abschriften (17. und 18. Jahrhundert): Bouchard Constance Brittain, The Cartulary of Flavigny 717-1113, in: Medieval Academy Books 99, 1991, Nr. 6 S. 3-40. Die um 1096 in Hugos von Flavigny Chronik autografisch eingetragenen Randnoten (Chronicon Hugonis monachi Virdunensis et Divionensis abbatis Flaviniacensis, in: Monumenta Germaniae historica, Scriptorum 8, Hannover 1848, S. 280-503, hier S. 339; Hlawitschka Eduard, Textkritisches zur Series abbatum Flaviniacensium, in: Landschaft und Geschichte. Festschrift für Franz Petri zu seinem 65. Geburtstag am 22. Februar 1968, hg. von Droege Georg, …, Bonn, 1970, 250-265, hier S. 259-260 und Anm. 39, S. 261 Anm. 45) berichten, dass tempore etiam eius (=Gayroinus episcopus) dedit Baio sancto Preiecto Pulliniacum cum ecclesia, Magniacum, Pruiniacum, et uxor eius Puteolos, Opiemariacum Cleriacum, anno VII. Childerici. Childerichs 7. Herrscherjahr entspricht hier dem Jahr 749 und nicht 748 wie Bouchard (Weidemann Margarete, Zur Chronologie der Merowinger im 7. und 8. Jahrhundert, in: Francia 25/1, 1998, 177-230, hier S. 209-212; Borgolte Michael, Chronologische Studien an den alemannischen Urkunden des Stiftsarchivs St. Gallen, in: Archiv für Diplomatik 24, 1978, 54-202, hier S. 145 Anm. 377); die Datierung die Dominico ante medium mensem Maii könnte sich auf den 11 Mai beziehen. 
[3] Hugo von Flavigny (MGH SS VIII, S. 339; Hlawitschka, wie Anm. 2, S. 259) schreibt, dass Gayroinus episcopus dem Abt Widradus im Jahr 663 folgte. Aber in den Jahren 717 und 719 ausgestellte Urkunden (Bouchard, wie Anm. 2, Nr. 1, 2, 57, 58 S. 19-33 und 135-144; zur Datierung dieser Urkunden, siehe Bouchard S. 13-16) nennen Abt Magoaldus und den lebenden Widradus. Dazu bemerkt eine Randnote Hugos von Flavigny, dass nach dem Tode Abtes Magoaldus, Widradus zum Abt geweiht wurde und das Kloster 12 Jahre lang leitete (Hlawitschka, wie Anm. 2, S. 259 und 262; MGH SS VIII, S. 338). Hugos chronologischen Angaben sind "nicht zu koordinieren bzw. aus der Klostergeschichte zu rechtfertigen" (Hlawitschka, ebd., S. 262-265). Die Folge der Äbte Magoaldus, Widradus und Gayroinus kann dagegen angenommen werden. Wideradus soll 747 laut Annales ecclesiastici Francorum. Auctore Carolo Le Cointe, t. 6, Paris 1676, S. 317 § 65 verstorben sein.
[4] Gaerinus hieß im 7. Jahrhundert der Bruder des Bischofs Leudegarius von Autun (Ebling Horst, Prosopographie der Amtsträger des Merowingerreiches von Chlothar II [613] bis Karl Martell [741], in: Beihefte der Francia 2, 1974, Nr. 179 S. 153-155). Da Flavigny in der Diözese Autun liegt, wird man annehmen könne, dass Gayroinus ein Nachkomme dieser Familie war. Zu diesem Namen, vgl. Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. I: Personennamen, Bonn 1900, Nachdruck München 1966, Sp. 587-588.
[5] […] basilice sacrosante Flauiniacensi, in honore Sancti Petri et Sancti Preiecti constructe, ubi uenerabilis uir Garroinus abba cum suis monachis preesse uidentur [...]: Flavigny-sur-Ozerain ist eine französische Gemeinde im département Côte-d’Or und der Region Burgund (Bourgogne). Sie gehört zum arrondissement Montbard und zum canton Venarey-les-Laumes. Vgl. Karte im Atlas de la France de l'an mil. Etat de nos connaissances, sous la direction de Michel Parisse avec l'aide technique de Jacqueline Leuridan, Paris 1994, S. 75. Unter der Herrschaft von Clovis (465-511) fand die Gründung der ersten Abtei in Flavigny statt. Sie wurde rasch zerstört, jedoch am Anfang des 8. Jahrhunderts von Widerad neu errichtet (s. unten Anm. 5). Widerad ist es, der eine Benediktinergemeinschaft nach Flavigny gebracht haben soll, deren zweiter Abt er wurde. Zum Zeitpunkt der französischen Revolution (1789) wurde die Abtei 1789 zerschlagen.
[6] in pago Alisenso: pagus in Burgund, dem Alise(-Sainte-Reine), vielleicht das historische Alesia, seinen Namen gab (Chaume Maurice, Les origines du duché de Bourgogne. II: Géographie historique, fascicule troisième, Dijon, 1931, Neudruck Aalen, 1977, S. 855 ff., Karte S. 861; Bouchard, wie Anm. 2, Karte S. 3).
[7] […] in villa que dicitur Pulliniacus: wie Flavigny.
[8] vel in ipsas fines Magnacensis: Magny(-la-Ville), ebd., cant. Semur-en-Auxois.
[9] et Pruuiniacum […]: eingegangener Ort, heute Namen einer Brücke über die Brenne südwestlich von Flavigny(-sur-Ozerain), ebd., cant. de Venarey-les-Laumes (Bouchard, wie Anm. 2, S. 38 Anm. 3).
[10] Beide Urkunden sind in Flauiniaco castro ausgestellt worden (Flavigny-sur-Ozerain).
[11] Bouchard, wie Anm. 2, Nr. 7 S. 40-41. Zur Datierung, siehe Anm. 2.
[12] Siehe Hugos Chronik oben Anm. 2
[13] […] in pago Dusmensi: Art Sekundargau des Auxois, der durch seine Lage seinen Namen behaupten konnte (Chaume, wie Anm. 4, S. 866 ff. und Karte zwischen S. 864 und 865).
[14] in villa que dicitur Puteolis: heute Poiseul-la-Ville-et-Laperrière, Côte-d'Or, arr. Montbard, cant. Baigneux-les-Juifs.
[15] Nicht identifizierter Ort  (Bouchard, wie Anm. 2,  S. 41 Anm. 2).
[16] Cleriaco: Weiler der Gemeinde La Roche-Vanneau, Côte-d'Or, arr. de Montbard, cant. de Venarey-les-Laumes.
[17] Original verloren (wie Anm. 2): Die Urkunden der Arnulfinger, hg. von Heidrich Ingrid, in: Monumenta Germaniae historica. Diplomata maiorum domus regiae e stirpe Arnulforum, Hannover, 2011, Nr. 24 S. 54-55; Bouchard, wie Anm. 2, Nr. 3 S. 33-34. Die Schenkung muss zwischen 741 und 751, als Pippin Hausmeier war, erfolgt sein. Hugues de Flavigny, in einer seiner Randnoten (Hlawitschka, wie Anm. 2,  S. 259-260), berichtet, dass Pippin Gayroinus […] aecclesiae Glennonem cum appendiciis […] schenkt. Siehe auch den Nekrolog von Flavigny zu den Kal. Dec. allerdings von Pippin d. M. (MGH SS VIII, S. 287): […] Pippinus maior domus pater Karoli Tuditis …, qui Glennonem dedit […].
[18] Vgl. Heidrich, ebd., Nr. 24 S. 54-55.
[19] […] illam piscinam nomine Glennonem [...]: Glanon, Côte-d'Or, arr. Beaune, cant. Seurre, an der Saône.
[20] Original verloren. Überlieferung: Gallia Christiana in provincias ecclesiasticas distributa … opera et studio monachorum Congregationis S. Mauri Ordinis S. Benedicti, 5, 1731: Ubi de provinciis Mechliniensi et Moguntinengi agitur Sp. 458-461; Schöpflin Jo. Daniel, Alsatia aevi merovingici, carolingici, saxonici, salici, suevici diplomatica, Operis I, Mannheim 1772, Nr. XVI S. 17-19 ex autographo tabularii episcopi Argent.  mit Abbildung tab. IV; Grandidier Philippe André, Histoire de l'église et des évêques-princes de Strasbourg depuis la fondation de l'évêché jusqu'à nos jours 1, Strasbourg 1776, pièces justificatives Nr. 43 S. 72-77 ex autographo tabularii Episcopalis Tabernensis. Drucke in Auswahl: Regesta Alsatiae aevi Merovingici et Karolini (496-918), I: Quellenband, bearb. und hg. von Bruckner Albert, Strasbourg-Zürich, 1949, Nr. 166 S. 97-100 und Anm. S. 543; Pardessus Jean Marie, Diplomata. Chartae, epistolae, leges aliaque instrumenta ad res Gallo-Francicas spectantia, II, Paris, 1849, Neudruck Aalen, 1969, Nr. 596 S. 408-411. Vgl. Weber Karl, Die Formierung des Elsass im Regnum Francorum. Adel, Kirche und Königtum am Oberrhein in merowingischer und frühkarolingischer Zeit, in: Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 19, Anhang Nr. 166 S. 45, Ostfildern, 2011; Wentzcke Paul, Regesten der Bischöfe von Strassburg bis zum Jahre 1202, in: Regesten der Bischöfe von Strassburg, Band I/2, Innsbruck, 1908, S. 223 Nr. 43; Wiegand Wilhelm, Urkundenbuch der Stadt Strassburg, I. Band: Urkunden und Stadtrechte bis zum Jahr 1266, in: Urkunden und Akten der Stadt Strassburg, I. Abteilung, Strassburg, 1879, Nr. 9 S. 5.
[21] Man muss sich diese "erhöhte Insel" nicht wie eine Insel inmitten des Rheins vorstellen, sondern wie eine größere von den unregelmäßigen Rheinarmen umschlossene Fläche von Festland, eine Art "Flusspolder", der sich über das heutige Gebiet der elsässischen Gemeinde der Wantzenau (10 km nördlich von Strasbourg/Straßburg) und der badischen Gemeinde von Honau (Baden-Württemberg, Ortsteil Gemeinde Rheinau, Ortenaukreis) ausdehnte und lange Zeit ein Ganzes bildete. Wo sich das Kloster befand, ist heute nicht mehr genau festzustellen. Da die Gegend einige Jahrhunderte später unbewohnbar wurde, verlegte der Bischof von Straßburg das monasterium Scottorum zuerst nach Rhinau südlich von Straßburg und dann nach Saint-Etienne in Straßburg. Dazu Bornert René, Les monastères d'Alsace, I: Les étapes historiques (VIe-XXe siècle); Les monastères primitifs (VIe-IXe siècle), Strasbourg, 2009, S. 393, 395-397).
[22] Siehe in Helvetia Sacra I/1, Die Bischöfe von Basel: Das Alte Bistum Basel, hg. von Albert Bruckner, Peter L. Zaeslin, Manfred E. Welti, 159–218, hier S. 164 und Anm. 2 unter « Baldobertus »: Hier wird die Zeit zwischen dem 02. Februar 753 und dem 07. Juni 754 vorgeschlagen; Ewig Eugen, Saint Chrodegang et la réforme de l'église franque, in: Beihefte der Francia 3.2. Spätantikes und Fränkisches Gallien. Gesammelte Schriften 1952-1973, hg. von Atsma Hartmut, 2. Band, München, 1979, 232-253,hier S. 243 und Anm. 48 (= Saint Chrodegang. Communications présentées au colloque tenu à Metz à l'occasion du XIIe centenaire de sa mort, 1967, 25-53); Angenendt, Arnold, Monachi peregrini. Studien zu Pirmin und den monastischen Vorstellungen des frühen Mittelalters, in: Münstersche Mittelalter-Schriften 6, 1972, S. 104-105; Ludwig Uwe, Murbacher Gedenkaufzeichnungen der Karolingerzeit. Inscriptions commémoratives de Murbach à l’époque carolingienne, in: Alemannisches Jahrbuch 1991/1992, 221-298, hier S. 237 Anm. 73. Hiddo, Bischof von Autun, in dessen Sprengel Flavigny liegt, unterschreibt auch diese Urkunde. Er wird wohl mit Gayroinus nach Strassburg gekommen sein.
[23] MGH SS VIII, S. 339, 351; Hlawitschka, wie Anm. 2, S. 260 und Anm. 40.
[24] Hugo von Flavigny, in seinen Randnoten, betitelt ihn als Bischof, obwohl die Urkunden in ihm nur einen Abt sehen (vgl. Gallia Christiana, IV, 1876, Sp. 358-359, 456; Marilier Jean, Artikel "Flavigny", in: Dictionnaire d'histoire et de géographie ecclésiastiques, XVII, 1971, Sp. 401, 404; Ders., Quelques aspects du diocèse de Langres au VIIIe s., in: Société historique et archéologique de Langres 1965, 17-29, hier S. 21 denkt eventuell in den Bischof von Langres Eronus, der sich ins Kloster zurückgezogen hätte. Dass er Bischof von Autun gewesen sei oder dort die bischöfliche Vertretung übernommen hätte, wird andererseits nicht bestätigt (vgl. Régnier Jean, Les évêques d'Autun, in: Société Eduenne des lettres, Sciences et Arts, Paris, 1988, S. 39-40).      
[25] Eine andere Stelle der Randnoten berichtet, dass im Jahr 755 zur Zeit Pippins, Hausmeier und dann König, Abt Manasses die Nachfolge des Bischofs Gayroinus antrat (MGH SS VIII, S. 340, 351; Hlawitschka, wie Anm. 2,  S. 260, 262). Es handelt sich hier um Pippins Italienfeldzug, der 755 oder 754 stattgefunden hat (zum Datum, siehe Noble Thomas F. X., The Republic of St. Peter. The birth of the papal state 680-725, Philadelphia, 1984, S. 88 Anm. 113; BM² 76 b S. 39).
[26] Am 3. Oktober, wie auch im Nekrolog (MGH SS VIII, S. 286: Obiit Geruinus episcopus et abbas Flaviniacensis).

05.08.2011, überarbeitet 23.11.2014