G E W I L I O B U S[1]

Bischof von Mainz, legt sein Amt wahrscheinlich 744 (oder 743) nieder

In einem Schreiben an Bonifatius vom 31. Oktober 745[2] bezieht sich der Papst Zacharias gleichzeitig auf drei dessen Briefe[3]. Im ersten ging es unter anderem um eine von Pippin und Karlmann veranstaltete Frankensynode[4], im zweiten um die "falschen" Bischöfe Aldebertus et Clemens[5], ein Thema des dritten war, wie Zacharias sicherlich nach Bonifatius' Angaben schreibt, de alio seductore nomine Geoleobo[6], qui antea false episcopi honore fungebatur[7].
Die Vita quarta Bonifatii, eine Mainzer Arbeit des 11. Jahrhunderts[8], berichtet über das Schicksal dieses Bischofs. Sein Vater, der Mainzer Bischof Geroldus[9], kam bei einem Zug des princeps Karl[10] gegen die Sachsen um. Da Gewelib einen guten Stand in palatio regis[11] hatte, wurde er dessen Nachfolger als Bischof[12]. Der Verfasser findet nichts auszusetzen an seinem Leben[13], außer an seiner Vorliebe für die Jagd. Als bald darauf Karl[14] einen Feldzug gegen dieselben Sachsen vornahm[15], nimmt Gewelib daran[16] teil und tötet durch eine List den Mörder seines Vaters[17]. Laut Vita soll Bonifatius[18] sofort[19] die Angelegenheit ad caput regni et ad comprovintiales episcopos vorgebracht haben. Darauf hat der Bischof widerstandslos und ohne Synodalverhandlung sedem et parrochiam denen zurückgegeben, von denen er sie erhalten hatte[20]. Geld und Hörige, da er in istis regionibus kein Erbeigentum besaß, schenkte er ad Sanctum Martinum[21]; als beneficium[22] erhielt er Spaneshaim villulam[23] et ecclesiam que Caput Montis[24] dicitur[25]. Vierzehn Jahre lang[26] lebte er auf dem zugewiesenen Gut, wo er maxime Gastfreundschaft ausübte. Er sei nie zu Synoden nach Mainz gekommen und nur zur Fußwaschung am Gründonnerstag in den Kirchen erschienen[27].
Dass Geoleobus vorhatte, den Papst aufzusuchen[28], wie Zacharias es in seinem Brief vom 31. Oktober 745[29] erwähnt, schreibt der Verfasser der Vita nichts.       


[1] Geoleobus, Gewelib, Gewelip, Geuuiliob, Gewinliob, Gewilieb.
[2] Briefe des Bonifatius. Willibalds Leben des Bonifatius, nebst einigen zeitgenössischen Dokumenten. Unter Benützung der Übersetzungen von M. Tangl und Ph. H. Külb, neu bearb. von Rau, Reinhold (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, IVb), Darmstadt, 1968, Nr. 60 S. 174-183 (lat./dt.); MGH Epist. Sel. I, S. 120-125; vgl. Jakobs, Hermann/Büttner, Heinrich, Provincia Maguntinensis, pars IV: S. Bonifatius, archidioecesis Maguntinensis, abbatia Fuldensis (Germania Pontificia. Regesta pontificum Romanorum, 4), Göttingen, 1978, Nr. 68 S. 28.
[3] Nur der zweite ist erhalten geblieben (MGH Epist. sel. I, Nr. 59 S. 110-112; vgl. Jakobs/Büttner, wie Anm. 2, Nr. 61, 62, 64 S. 25-26; Staab, Franz, Rudi populo rudis adhuc presul. Zu den wehrhaften Bischöfen der Zeit Karl Martells (Beihefte der Francia, 37. Karl Martell in seiner Zeit, hrsg. von Jörg Jarnut, Ulrich Nonn und Michael Richter, unter Mitarbeit von Matthias Becher und Waltraud Reinsch), Sigmaringen, 1994, S. 266 Anm. 63).
[4] Das Singular "De synodo" schließt nicht unbedingt separat abgehaltene Teilreichsversammlungen aus. Es handelt sich hier sicherlich um die fränkischen Synoden von 743-744 von Les Estinnes und Soissons und nicht um eine angebliche Gesamtreichssynode, die 745 (oder 744) zusammengetreten wäre (dazu die zusammenfassende Abhandlung von Glatthaar, Michael, Bonifatius und das Sakrileg. Zur politischen Dimension eines Rechtsbegriffs [Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte, 17], Frankfurt a. M., 2004, S. 319-325. Zu den Daten der genannten fränkischen Synoden, vgl. dessen Ausführungen in demselben Buch).
[5] Darüber Glatthaar, wie Anm. 4, S. 148-163.
[6] Die zahlreichen bekannten Abfassungen der Mainzer Bischofsliste, deren älteste aus dem ersten Viertel des 10. Jahrhunderts stammt, haben die Folge … Rigibertus - Geroldus – Gewiliob – Bonifatius (MGH SS XIII, S. 308-316; Duchesne, Louis, Fastes épiscopaux de l'ancienne Gaule, t. 3: Les provinces du Nord et de l'Est, Paris, 1915, S. 153-154; vgl. Semmler, Josef, Series episcoporum Moguntinorum. Die vorbonifatianische Bischöfe (Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte, 50, Mainz,1998, 423-434), S. 423; Ewig, Eugen, Die ältesten Mainzer Bischofsgräber, die Bischofsliste und die Theonestlegende (Beihefte der Francia. 3/2. Eugen Ewig. Spätantikes und fränkisches Gallien. Gesammelte Schriften 1952-1973, hrsg. von Hartmut Astma, München, 1979, 171-180) (= Universitas, 2, 1960), S. 172.
[7] Meist folgert man aus diesem Brief, dass alle dort angesprochenen Punkte, auch die "Absetzung" des Geoleobus, als Ergebnis der von Pippin und Karlmann veranstalteten Frankensynode zu sehen sind (s. oben Anm. 4). Glatthaar, wie Anm. 4, S. 284-285, macht darauf aufmerksam, dass der entsprechende Abschnitt des Briefes und besonders der Text der Vita quarta (s. unten Anm. 20) beide nichts derselben sagen. Er denkt eher an eine unter Bonifatius tagende Provinzialsynode, möglicherweise schon im Herbst 743.
[8] MGH SS rer. Germ. [57], ed. W. Levison, hier S. 91-93. Zu dieser Quelle, s. Staab, wie Anm. 3, S. 267-275, der hervorhebt, dass der Verfasser für seine Darstellung Gewiliobs Schicksal über eine schriftliche Überlieferung verfügt haben muss. Otloh von St. Emmeram benützt sie 1066 für seine Version der Vita Bonifatii (ebda, S. LXIII-LXIV, 154-156).
[9] Als wahrscheinliches Datum für den Tod Gerolds von Mainz ist meistens das Jahr 738 angegeben (s. Glatthaar, wie Anm. 4, S. 279 Anm. 254, mit Literatur; Semmler, wie Anm. 6, S. 432-433), aber Glatthaar, S. 279-282, bringt Argumente für einen späteren Ansatz, vielleicht 742. Der Name Gerold ist zu häufig, "um damit sichere oder wahrscheinliche Verwandschaftsbeziehungen zu rekonstruieren" (Staab, wie Anm. 3, S. 272 Anm. 87).
[10] Nach Otloh von St. Emmeram (s. oben Anm. 8, S. 155) war es nicht Karl, aber Karlmann. Dieser entsandte das Heer mit Gerold, der inter alios fiel. Glatthaar, wie Anm. 4, S. 282, ist der Meinung, dass Otlohs Angabe "plausibel" klingt.
[11] Zum palatium regis oder palatium Francorum in dieser Zeit, s. Semmler, wie Anm. 6, S. 433 Anm. 105; Staab, wie Anm. 3, S. 269 Anm. 78. Otloh fügt hinzu, dass Gewiliobus damals nach Laie gewesen sei (S. 155).
[12] Man kann deswegen annehmen, dass er sein Amt dem Hausmeier verdankte.
[13] Bonifatius, in seinem wahrscheinlich 742 verfassten Begrüßungsschreiben an Papst Zacharias, behauptet, dass es moralisch völlig unhaltbare Bischöfe gebe (MGH Epist. Sel. I, Nr. 50 S. 83 l. 4-8; vgl. Jakobs/Büttner, w. o. Anm. 2, Nr. 40 S. 19). Ob er an den Bischof von Mainz dachte ? (vorsichtig Staab, wie Anm. 3, S. 262-265; s. auch oben Anm. 9).
[14] Karlmann.
[15] Karlmann unternahm zwei Feldzüge gegen die Sachsen im Thüringer Raum 743 und 744 (oder 745), aber nur der erste kommt in Frage, da der zweite gefechtslos verlief (zu den Quellen, s. BM² Nr. 45c und 48b S. 23-25; Glatthaar, wie Anm. 4, S. 281-282, 552-555). Für Gewiliob kommt also nur der erste Sachsenzug in Betracht (s. Semmler, wie Anm. 6, S. 433; Staab, wie Anm. 3, S. 265).
[16] Die hier genannte Wisuraha ist sicherlich die Werra (Quellfluss der Weser) und nicht die Weser (hierzu Glatthaar, wie Anm. 4, S. 278-281).
[17] Laut Staab, wie Anm. 3, S. 270, "(weist) die Darstellung ... so viele sachliche Ungereimtheiten auf, daß sie nicht den Tatsachen entsprechen kann".
[18] Wird 747/748 Nachfolger des Gewiliobus als Mainzer Bischof (s. Böhmer, Johann Friedrich, Regesten zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe von Bonifatius bis Uriel von Gemmingen 742? - 1514. I. Bd, bearb. und hg. Will, Cornelius, Innsbruck, 1877, Nr. 67 S. 15-16).
[19] Der Verfasser der Vita schildert geschickt die Entwicklung: Bei der siegreichen Rückkehr wird der Bischof für seine Tat von König (!) und ceteris optimatibus gelobt. Erst Bonifatius macht darauf aufmerksam, dass "man hier vom gerechten Weg abgewichen war" (Staab, wie Anm. 3, S. 274).
[20] Zum Abdankungsdatum- und Ort, s. oben Anm. 7. Othloh beschreibt den Vorgang nuancierter (s. oben Anm. 8, S. 155; Glatthaar, wie Anm. 4, S. 284).
[21] Mainzer Kirche, erwähnt seit 752 in einer Fuldaer Urkunde, wird Bischofskirche (Jakobs/Büttner, wie Anm. 2, S. 196).
[22] Der Begriff beneficium deutet darauf, dass er diese Güter von dem Hausmeier als Lehen (oder Herrscherprekarie) bekam (s. Staab, wie Anm. 3, S. 272-273; Glatthaar, wie Anm. 4, S. 286, 302).
[23] Sponsheim, heute Bingen-Sponsheim, Rheinland-Pfalz, Lkr. Mainz-Bingen.
[24] Kempten, heute Bingen-Kempten (dazu Staab, wie Anm. 3, S. 272 Anm. 87; Levison, MGH SS rer. Germ. [57], S. 93 Anm. 1).
[25] Es ist nicht zu bezweifeln, dass dem Verfasser der Vita hier eine Urkunde Gewelibs vorlag und dass die Aussage, wonach dieser sein Schicksal angenommen habe, richtig ist (s. Staab, wie Anm. 3, S. 271; unten Anm. 28).
[26] Er wird dann etwa um 758 gestorben sein.
[27] Zu dieser auferlegten Buße, s. Glatthaar, wie Anm. 4, S. 286.
[28] Zum Ziel dieser Reise, wenn sie überhaupt stattfand, s. Glatthaar, wie Anm. 4, S. 285-286, der eher an Erleichterung der Buße denkt.
[29]...et quia sine cuiuscumque consultu apud nos properat. Et dyum advenerit, ut Domino placuerit, fiet. S. oben Anm. 2.

31.12.2009