G O D O B A L D U S

Abt von Saint-Denis womöglich von 723/724 bis 747/748,
urkundlich bezeugt für 726

Mit einem in Ponthion[1] am 03. März 726 ausgestelltem placitum sprach König Theuderich IV.[2] dem Kloster Saint-Denis[3], dessen Abt venerabelis vir Godobaldus[4] war, die villa Boran-sur-Oise[5] im Chambliois[6] zu, die der vir inluster Ermenteus[7] der Basilika St. Denis verkauft und dann zurückgehalten hatte.
Die Miracula s. Dionysii aus der ersten Hälfte der 9. Jahrhunderts[8] berichten, dass Godobaldus aus Avroy[9] im Haspengau[10] einer der Beteiligten[11] an der Seite des Grafen Dodo[12] bei der Ermordung des Bischofs Lantbertus (von Tongern-Mastricht)[13] war. Von Gott für diese Tat mit Krankheit bestraft, versucht er durch eine lange Pilgerfahrt Vergebung und Heilung zu erlangen[14]. Endlich erlangt er in Saint-Denis die Gesundheit wieder, wonach der Abt Helardus[15] ihn im Kloster aufnahm[16]. Auf  Karl (Martells) Anordnung sei er später dort zum Abt erhoben worden und habe Saint-Denis 25 Jahre vorgestanden. Sollte man der Zeitangabe der Miracula Glauben schenken[17], würde es heißen, dass Godobaldus, da der nächste Abt 748 bezeugt ist[18], spätestens um 723 die Abtswürde übernommen hat[19].


[1] [...] in ... Pontegune in palatio nostro [...]: Frankreich, Département Marne, Arrondissement Vitry-le-François, Canton Thiéblemont-Farémont. Reichstag. Ponthion erlebte aber seine Blüte als Königspfalz erst unter König Pippin und Karl dem Großen.
[2] Original verloren. Abschriften des 17. Jahrhunderts, deren Vorlage das Original gewesen sein dürfte. Druck: Die Urkunden der Merowinger, MGH Diplomata regum Francorum e stirpe Merovingica, nach Vorarbeiten von Carlrichard Brühl hg. von Theo Kölzer unter Mitwirkung von Martina Hartmann und Andrea Steildorf, I/1, Hannover 2001 - nachfolgend MGH SS Merov. -, Nr. 187 S. 465-467 (mit Liste der älteren Drucke). Zu dieser Urkunde, vgl. Peters Ralf, Die Entwicklung des Grundbesitzes der Abtei Saint-Denis in merowingischer und karolingischer Zeit, Diss. Univ. Düsseldorf, Aachen, 1993, S. 36-37, 137-138.
[3] Dépt. Seine-Saint-Denis, chef-lieu d'arrondissement. Die Basilika war Grabstätte merowingischer Könige, sowie von Karl Martell und seinem Sohn Pippin. Von da an ist die Geschichte dieser Gedächtnisstätte untrennbar mit der Geschichte der französischen Könige verbunden, besonders ab Ende des 10. Jahrhunderts. Das Kloster wurde 1790 aufgehoben. Heute ist die Basilika Kathedralkirche der Diözese Saint-Denis.
[4] Zum wenig belegten Namen, vgl. Morlet Marie-Thérèse, Les noms de personne sur le territoire de l'ancienne Gaule du VIe au XIIe siècle. I: Les noms issus du germanique continental et les créations gallo-germaniques, Paris 1968, S. 111; Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. I: Personennamen, Bonn 1900, Nachdruck München 1966, Sp. 661 führt ihn nicht.
[5] […] villa … nuncopante Baudrino super fluvium Hyssera sitam in pago Cameliacinse […]:  Boran-sur-Oise, Dépt. Oise, Arr. Senlis.
[6] Der pagus Cambliacensis, kleiner Gau um Chambly (wie Boran-sur-Oise), hatte als Grenzen: im Norden, den pagus Bellovacencis (Beauvais) , im Osten den pagus Sylvanectensis (Senlis), im Süden den Parisis (Paris), im Westen den pagus Vilcassinus (Vexin).
[7] Zu Ermenteus, vgl. Ebling Horst, Prosopographie der Amtsträger des Merowingerreiches von Chlothar II [613] bis Karl Martell [741], in: Beihefte der Francia 2, 1974, Nr. 167 S. 145-146.
[8] Luchaire Achille, Etude sur quelques manuscrits de Rome et de Paris [Université de Paris. Bibliothèque de la Faculté des lettres. VIII], Paris 1899, S. 94. Die zwei ersten Bücher der Miracula sind zur Zeit des Kaisers Ludwig der Fromme verfasst, vielleicht im Jahre 834. Dazu Wyss, Michaël, Atlas historique de Saint-Denis. Des origines au XVIIIe siècle, avec la collaboration de Nicole Meyer-Rodrigues, par divers auteurs, in: Documents d'archéologie française 59, Paris 1996, S. 38-40; Frank, Hieronymus, Die Klosterbischöfe des Frankenreiches, in: Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinerordens 17, Münster in Westfalen 1932, S. 41-43; Luchaire, ebda., S. 21-24. Diese Stelle der Miracula s. Dionysii ist nur durch eine Reimser Handschrift des 10. Jahrhunderts bekannt (vgl. Werner Matthias, Der Lütticher Raum in frühkarolingischer Zeit, in: Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 62, Göttingen 1980, S.  127-128).
[9] Heute Viertel der Stadt Lüttich/Liège (vgl. Karte bei Werner, ebd., S. 136).
[10] […] ortus provincia Asbaniensi villa quae dicitur Arbrido […]: Der Hespengau oder Haspengau (französisch Hesbaye, niederländisch und limburgisch Haspengouw) ist eine Region in Belgien; er ersteckt sich über die Provinzen Lüttich/Liège, Limburg, Flämisch-Brabant, Wallonisch-Brabant und Namur, ist östlich und südlich von der Maas begrenzt.
[11] Möglicherweise war Godobaldus ein Verwandter von Dodo (vgl. Werner, ebd., S. 122 Anm. 4).
[12] Die Quellen bezeichnen Dodo domesticus … principes Pippini (II) als Initiator des Mordes am Bischof Lambert. Zu Dodo, vgl. Werner, ebd., S. 121-126; Ebling, wie Anm. 5, Nr. 143 S. 127.
[13] Lambert wurde an einem 17. September vor 706 in Lüttich getötet (zum Jahr, vgl. Werner, ebd., S. 268 Anm. 155). Die Quellen, die über diesen Mord berichten, sind in der Hauptsache die älteste Vita Landiberti, die wenige Jahrzehnte nach Lamberts Tod verfasst wurde (vgl. Werner, ebd., S. 242-243 und Anm. 3) und die Schilderung der Miracula s. Dionysii.
[14] Vielleicht musste Godobaldus als Buße eine peregrinatio tun. In Rom hätte er durch eine Vision erfahren, dass er seine Gesundheit bei den Heiligen Dionysius, Rusticus und Eleutherius wieder erlangen würde (vgl. Werner, ebd., S. 131-132).
[15] Abt Chillardus hat sein Amt zwischen Mitte Dezember 709 und Anfang März 710 übernommen. Er ist noch im März 716 bezeugt; im Februar 717 ist Bischof Turnoaldus von Paris als custus (custos) de Saint-Denis belegt (MGH DD Merov. I Nr. 159 S. 395-398, 166 S. 412-414, 168 S. 417-418, 170 S. 422-423, 173 S. 430-431). Siehe Exkurs 1 über die Chronologie der Äbte von Saint-Denis in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts.
[16] Vgl. Werner, ebd., S. 131-132 und Anm. 26-28.
[17] Der Verfasser der  Miracula versichert im Prolog, dass er berichtet, was ihm erzählt wurde oder was er selbst gesehen hat (Mabillon Johannes, Acta Sanctorum ordinis S. Benedicti in saeculorum classes distributa. Saeculo III quod est ab anno Christo DCC ad DCCC, pars secunda, Paris 1672, S. 343).
[18] Der nächste Abt Von Saint-Denis, Amalbertus, ist 748 bezeugt (Die  Urkunden der Arnulfinger, hg. von Heidrich Ingrid, in: Monumenta Germaniae historica. Diplomata maiorum domus regiae e stirpe Arnulforum, Hannover 2011, Nr. 18 p. 104-105).
[19] Vgl. Gallia Christiana in provincias ecclesiasticas distributa 7, Paris 1744, Sp. 342-343). Eine unechte Urkunde mit Datum 01. März 723/724, laut deren Aussage König Theuderich IV. der Basilika St. Denis auf Petition des Hausmeiers Karl (Martell) eine Urkunde König Chlodwigs II. bestätigt und die freie Abtswahl verleiht, nennt als Abt einen Berthoaldus (MGH DD Merov. 1, Nr. 185 S. 458-462; Nr. 85 S. 216-220 aus dem Jahr 654). Obwohl dieser Abt sonst nicht bekannt ist, kann man seine Existenz nicht leugnen: Die Fälschung, die unmittelbar vor 768 entstanden sein soll, wurde auf dem Sterbebett liegenden Pippin vorgelegt (Die Urkunden Pippins, Karlmanns und Karls des Grossen, bearb. von Engelbert Mühlbacher u. a., in: MGH Diplomatum Karolinorum 1, Hannover 1906, Neudruck München 1991,  Nr. 25 S. 34-35). Immerhin war Pippin in Saint-Denis erzogen worden (vgl. Werner, wie Anm. 6, S. 133 Anm. 35).

14.09.2009, überarbeitet 11.08.2016