H A T T O[1]

Graf im Wormsgau, belegt von 764 oder 767 bis 802

Das Datum seines ersten Zeugnisses ist umstritten: Die Urkunde, mit welcher Eggioltus dem Kloster Fulda zum Seelenheil seines Bruders Hiltuuini seinen Besitz[2] in Dromersheim[3] im Wormsgau sowie einen Waldanteil in Biebern[4] im Nahegau[5] schenkt und in welcher Hatto[6] comes die Zeugenreihe führt, soll am 15. Juni 754 ausgestellt worden sein[7]; das Regierungsjahr muss aber sehr wahrscheinlich in 764 emendiert werden[8].
Hatto comes ist ab 767 bis 802 oft in dem Lorscher[9] und besonders in dem Fuldaer[10] Chartular, meistens als erster Zeuge für Schenkungen im Wormsgau genannt: Es kann also nicht daran gezweifelt werde, dass er die Grafenrechte in diesem pagus ausübte[11].
Die erste sicher datierbare Urkunde, die Hatto comes an erster Stelle bezeugt, ist am 29. Juni 767 in Lorsch[12] ausgestellt worden: Radulfus übergibt diesem Kloster Ackerland und Wiesen in einem nicht genannten Ort[13] und einen Weinberg mit zusammenhängendem Land in Ibersheim[14].
Das letzte Zeugnis des Grafen Hatto ist die am 22. Mai 802[15] ausgefertigte Urkunde, als Waluram dem Kloster Fulda Besitz, mancipia und Vieh in pago superiori Rininsae[16] in Hofheim[17], sowie Güter in Oppenheim[18], Mainz, Rudelsheim[19] et Dienheim[20] schenkt. Hier führt er auch die Zeugenreihe.
Aus eine Anrainernennung in einer Urkunde vom 18. Dezember 797[21] geht hervor, dass Hatto comes in Bodenheim[22] begütert war.
Dieser führt die Liste der Zeugen auf einer in Paderborn[23] wahrscheinlich im Juni/Juli 785[24] ausgestellten Urkunde, mit welcher Ratboto und seine Frau Hruodlind Fulda Besitz in Roxheim[25] schenken.
Eine am 07. August 819 ausgestellte Urkunde Kaiser Ludwigs d. Fr.[26] zugunsten des Klosters Hornbach[27] berichtet, dass zur Zeit Karls d. Gr., als Hornbach gemeinsam Warnarius und Wido[28] gehörte, der verstorbene Graf Atto[29] diesen Warnarius mahnte, so dass dieser ihm seine porcio der Güter in Göllheim[30] im Wormsgau zurückerstatten musste.
Die Notiz[31], die die Grenzen der marca, quae ad Ratesdorf[32] pertinet, beschreibt, gibt die Namen der Schenker an[33]: Roggo comes[34], Hatto[35] comes, Nordiu[36] frater illorum[37], und andere[38].
Die im 12. Jahrhundert niedergeschriebene Vita (II) sancti Burkardi Episcopi Wirziburgensis[39] berichtet, dass Bischof Megingaudus[40] den Platz, auf dem er dann das Kloster Neustadt gründete[41], von einem Hatto[42] erhalten hatte[43].


[1] Atto.
[2] Mit Ausnahme eines Weingartens und dreizehn genannter Unfreier.
[3] Truhtmaresheim: heute Stadtteil von Bingen, Rheinland-Pfalz, Lkr. Mainz-Bingen.
[4] Bibarahu : Rheinland-Pfalz, Rhein-Hunsrück-Kreis.
[5] in pago Nafinsie: der Nahegau liegt nördlich des Wormsgaus (s. die Karten bei Knöpp Friedrich und Gensicke Hellmuth, in: Die Reichsabtei Lorsch. Festschrift zum Gedenken an ihre Stiftung 764, Darmstadt, 1973, S. 370 und 493).
[6] Zu Hatto, siehe Friese Alfred, Studien zur Herrschaftsgeschichte des fränkischen Adels. Der mainländisch-thüringische Raum vom 7. bis 11. Jahrhundert [Geschichte und Gesellschaft. Bochumer Historische Studien 18], 1979, S. 75; Freise Eckhard, Studien zum Einzugsbereich der Klostergemeinschaft von Fulda [Münstersche Mittelalter-Schriften 8/2.3. Die Klostergemeinschaft von Fulda im früheren Mittelalter 2, 1978, 1003-1269], S>. 1146 Anm. 773; Staab Franz, Untersuchungen zur Gesellschaft am Mittelrhein in der Karolingerzeit [Geschichtliche Landeskunde, 11], 1975, S. 412, 416-417 und Anm. 789; Gockel Michael, Zur Verwandschaft der Äbtissin Emhilt von Milz [Mitteldeutsche Forschungen  74/II. Festschrift für Walter Schlesinger, II], hrsg. von Helmut Beumann, 1974, S. 37-38, der S. zum Ergebnis kommt, dass " der im Wormsgau tätige Graf Hatto in die am Mittelrhein faßbaren Familien nicht näher genealogisch einzuordnen ist".
[7] Wohl im Jahr 828 angelegtes Urkundenbuch (s. ebd. S. XIX-XXI): Stengel Edmund E., Urkundenbuch des Klosters Fulda, I (Veröffentlichungen der historischen Kommission für Hessen und Waldeck, X, 1), Marburg, 1958 - nachfolgend FUB -, Nr. 22 S. 43-45.
[8] Wagner Heinrich, Bonifatiusstudien [Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 60], 2003, S. 182-184 legt nahe, dass die im Datum überlieferten Regierungsjahre von III. in XIII. zu emendieren seien. Damit wäre auch das Rätsel gelöst, wieso Graf Hatto, bezeugt hier im Jahr 754 - im 3. Regierungsjahr  des König Pippins, wie es in der Urkunde steht - im selben Jahr vermutlich von einem Uoto abgelöst wurde (Stengel, ebd., Nr. 24 und 25 S. 46-50), um erst wieder 767 als Graf bezeugt zu sein (s. Anm. 11). In der folgenden Urkunde von 17. Juni 754 (Stengel, ebd., Nr. 23 S. 45-46) erscheint ein Hatto ohne Titel an fünfter Stelle von sieben Zeugen, der mit dem späteren Graf identisch sein könnte (dazu Wagner, ebd., S. 183).
[9] Glöckner Karl, Codex Laureshamensis, II/1 (Arbeiten der historischen Kommission für den Volksstaat Hessen), Darmstadt, 1933 -nachfolgend CL -, Nr. 859 S. 252 (deutsche Übersetzung: Minst Karl Josef, Lorscher Codex, Deutsch, III, Lorsch, 1970, S. 27); Nr. 917 S. 268 (= Minst, 3, S. 46-47); Nr. 198 S. 18-19 (= Minst, 2, S. 25-26).
[10] FUB Nr. 59 S. 101-102 (zur Datierung, s. Wagner, wie Anm. 8, S. 203); Nr.  61 S. 103-104; Nr. 145 S. 203-206; Nr. 160 S. 237-238; Nr. 161 S. 238-239, 530; Nr. 162 S. 239-240; Nr. 165 S. 245-246; FUB Nr. 177 S. 271-272; Nr. 178 S. 272-273; FUB Nr. 180 S. 274-275; Nr. 182 S. 276-277; FUB Nr. 185 S. 279-280; FUB Nr. 195 S. 291-292; Nr. 248 S. 353-356; Nr. 249 S. 356-357; Nr. 250 S. 358; Nr. 252 S. 360; Nr. 253 S. 361-362; UB Fulda n° 249 p. 356-357; Nr. 250 S. 358; Nr. 252 S. 360; Nr. 267 S. 383-384; Nr. 283 S. 410-412.
[11] Dazu Schulze Hans Kurt, Die Grafschaftsverfassung der Karolingerzeit in den Gebieten östlich des Rheins [Schriften zur Verfassungsgeschichte 19], 1973, S. 189.
[12] CL II Nr. 859 S. 252 (Minst, 3, S. 27).
[13] Es könnte Gau-Heppenheim gemeint sein (Rheinland-Pfalz, Lkr. Alzey-Worms).
[14] Ibernesheim: heute Stadtteil von Worms, Rheinland-Pfalz.
[15] FUB Nr. 283 S. 410-412.
[16] Oberrheingau.
[17] Hofun: Ort, der später Hofheim genannt wurde, heute Philippshospital in Riedstadt, Hessen, Lkr. Groβ-Gerau (vgl. http://members.aol.com/svc1946/gheil1.htm).
[18] Oppenheim: Rheinland-Pfalz, Lkr. Mainz-Bingen.
[19] Hruodolfesheim: Ort, der im 19. Jahrundert nach Ludwigshöhe umgesiedelt wurde, Rheinland-Pfalz, Lkr. Mainz-Bingen (s. FUB, S. 411 Anm. 2).
[20] Tienenheim: Rheinland-Pfalz, Lkr. Mainz-Bingen.
[21] FUB Nr. 253 S. 361-362.
[22] … in pago Uuormacinse in villa, qui dicitur Battenheim, et in illa marca dono vineam unam, quod est ab uno latere domni regis, ab alio latere Hattoni com(itis) tertio et quarto Adaldrudae …: Rheinland-Pfalz, Lkr. Mainz-Bingen.
[23] Actum in publico concilio, quod dicitur Pathrafons: Nordrhein-Westfalen, Kreisstadt. Die Urkunde trägt keine Datierung, aber wegen der Nennung des Reichstages von Paderborn vom Editor auf  wahrscheinlich Juni/Juli 785 datiert woren. Die hier genannten Personen waren also Teilnehmer der Versammlung (Gockel Michael, Karolingische Königshöfe am Mittelrhein [Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 31], 1970, S. 267; BM² 268b S. 110).
[24] FUB Nr. 165 S. 245-246; s. Gockel, wie Anm. 34, S. 267.
[25] Hrocchesheim : Rheinland-Pfalz, Lkr. Bad Kreuznach.
[26] Text: Stoclet Alain, Autour de Fulrad de Saint-Denis (v. 710-784) (Ecole Pratique des Hautes Etudes. Sciences historiques et philologiques. 5. Hautes Etudes médiévales et modernes 72), 1993, S. 506-508 mit kritischer Untersuchung S. 508-510; siehe auch S. 127 Anm. 3. Vgl. Neubauer A., Regesten des ehemaligen Benediktiner-Klosters Hornbach, bearbeitet von (Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 27), 1904, Nr. 11 S. 4; BM² 699 S. 287.
[27] Rheinland-Pfalz, Lkr. Pirmasens.
[28] Zu diesen Mitgliedern der Sippe der Widoniden und Hornbach, s. Stoclet, wie Anm. 27, S. 114-115, 125-129.
[29] Zu seiner Aufgabe, s. Stoclet, ebd., S. 128-129 und Anm. 3; Hannig Jürgen, Zentrale Kontrolle und regionale Machtbalance. Beobachtungen zum System der karolingischen Königsboten am Beispiel des Mittelrheingebietes (Archiv für Kulturgeschichte 66, 1984, 1-46), S. 24 Anm. 92.
[30] Gylnheim: Rheinland-Pfalz, Donnersbergkreis.
[31] FUB Nr. 145 S. 203-206.
[32] Rasdorf: Hessen, Lkr. Fulda.
[33] Es ist nicht möglich, diese Schenkungen genau zu datieren, da es dazu keine Urkunden gibt (siehe Freise, wie Anm. 6, S. 1143-1153; Gockel, wie Anm. 6, S. 13-19; Staab, wie Anm. 6, S. 411-412; Stengel, S. 203-204 Vorbemerkungen).
[34] Dieser Graf ist 784 (oder 783) bezeugt als erster Zeuge der Urkunde, mit welcher Emhilt ihr Kloster in Milz (Thüringen, Lkr. Hildburghausen) Fulda übergibt (FUB Nr. 154 S. 227-230). Ein Rocgo ist auch einer der viri magnifici, den Papst Zacharias wahrscheinlich im Jahr 748 schreibt (MGH Epist. sel I, Nr. 83 S. 184-187).
[35] Freise, wie Anm. 6, S. 1146 warnt vor einer "vorschnellen Identifizierung des Rasdorfer Stifters … mit dem gräflichen Amtsträger Hatto am Mittelrhein …", ebenso Gockel, wie Anm. 6, S. 40-41. Laut Letzterem sind am Mittelrhein in karolingischer Zeit die Namen Roggo und Nordiu nicht belegt.
[36] "Dieser seltene  Name findet sich nur noch einmal unter den Zeugen einer 819 in Fulda ausgestellten Schenkungsurkunde über Besitz im Grabfeld" (s. Gockel, ebd., S. 41 Anm. 154). Ein Nordi steht in den Fuldaer Totenannalen zum 22 Juni 787 (MGH SS XIII, S. 168).
[37] Laut Gockel, ebd., S. 41, sind am Mittelrhein in karolingischer Zeit die Namen Hattos Brüder Roggo und Nordiu nicht belegt.
[38] …, Brunicho comes et Moricho frater eius, Eggihart et Iob frater, Emhilt abbatissa. Es folgt die Beschreibung der Grenzen der Mark Soisdorf (heute Ortsteil von Eiterfeld, Hessen, Lkr. Fulda) mit ihren Schenkern.
[39] Schmitt Joachim und Bendel Franz Josef (†), Vita sancti Burkardi Episcopi Wirziburgensis II (Würzburger Diözesan-Geschichtsblätter 48, 1986, 19-89), S. 82-83 (lat./dt.).
[40] Bischof von Würzburg, bezeugt ab 757, verzichtet auf seinen Bischofssitz und zieht sich  ad locum secretum a quodam Hattone sibi traditum zurück.
[41] Neustadt am Main, Bayern, Unterfranken, Lkr. Main-Spessart.
[42] Die Identität  …  mit dem Rasdorfer Grafen bzw. dem Grafen im Wormsgau ist nicht erweisbar" (Gockel, wie Anm. 6, S. 41 Anm. 156).
[43] Wagner Heinrich, Die Äbte des Klosters Neustadt am Main im Mittelalter (Würzburger Diözesan-Geschichtsblätter 46, 1984, 5-60), S. 8-9; Stengel Edmund E., Das gefälschte Gründungsprivileg Karls des Großen für das Spessartkloster Neustadt am Main (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 58, 1950, 1-30), S. 10-11.

13.07.2011