H I L D I G A N G U S[1]

Bischof von Soissons, bezeugt wahrscheinlich im Jahr 762,
vermutlich derselbe Abt von Saint-Médard in Soissons (741/747)

Bischof Hildigangus[2] von Soissons[3] unterschreibt die Gebetsverbrüderung, die zwischen den anwesenden Bischöfen und Äbten des synodalis conventus[4] von Attigny[5] mutmaßlich im Jahr 762[6] vereinbart wurde.
Nach späteren Angaben[7] schenkt der Hausmeier Karlmann[8] Hanzinne[9] und Falisolle[10] in pago Sambrio[11] dem Kloster S. Médard (in Soissons)[12] unter der Leitung des Bischofs[13] und Abtes Childegaudus.
Die Gallia Christiana[14] reiht Childegaudus[15] al. Hildebaudus in necrologio nominatur abbas et episcopus als Abt von Saint-Médard in Soissons[16] nach Maurus, der in der Teilabschrift einer Gerichtsurkunde eines Königs Theodoricus erwähnt wird[17], und vor einem sonst nicht bekannten Vosonus, der im 15. Herrscherjahr Pippins[18] gestorben sein soll, ein.


[1] Hildegodus, Childegaudus, Hildebaudus. Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. I: Personennamen, Bonn 1900, Nachdruck München 1966, Sp. 828 kennt nur einen - diesen - Hildigangus für die betreffende Zeit. 
[2] Hildigangus episcopus civitas Suaseonis: Es ist keine ältere Bischofsliste von Soissons bekannt (Duchesne Louis, Fastes épiscopaux de l'ancienne Gaule, 3: Les provinces du Nord et de l'Est, Paris 1915, S. 88-89). Laut Gallia Christiana 9, Paris 1751, Sp. 339 folgte Hildigangus einem sonst nicht erwähnten Deodatus, den Duchesne nicht übernimmt. Genauso wenig kennt man Hildigangus' Nachfolger bis 814, die Zeit des Bischofs Rothadus (Duchesne, ebd., S. 91).
[3] Frankreich, Département Aisne, Unterpräfektur. Karte des damaligen Bistums: Atlas de la France de l'an mil. Etat de nos connaissances, sous la dir. de Parisse Michel avec l'aide technique de Leuridan Jacqueline, 1994, S. 43. In Soissons fand 744 das von Pippin einberufene Konzil (Böhmer Johann Friedrich, Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 715-918, neubearb. von Engelbert Mühlbacher, vollendet von Johann Lechner [Innsbruck ²1908], mit Ergänzungen von Carlrichard Brühl – Hans H. Kaminsky, Hildesheim 1966 - fortan BM² -, Nr. 55 S. 28-29) und 751 Pippins Königserhebung statt (BM² Nr. 64a S. 32-33).
[4] Monumenta Germaniae historica - fortan MGH -, Legum sectio III. Concilia II/1: Concilia aevi Karolini I/1, recensit Albert Werminghoff, Hannover-Leipzig, 1906, S. 72-73. Von diesem Konzil besitzen wir heute nur noch eine noch im 8. Jahrhundert angefertigte Abschrift des Textes einer Gebetsverbrüderung, die zwischen den anwesenden Bischöfen und Äbten mit Namen und Sitz abgeschloßen wurde. Die Reihenfolge der Namen stimmt wahrscheinlich nicht mit derer des Originals überein. Dazu Hartmann Wilfried, Die Synoden der Karolingerzeit im Frankenreich und in Italien, in: Konziliengeschichte, hg. von Walter Brandmüller, Reihe A: Darstellungen, Paderborn 1989, S. 79-81; Fichtenau Heinrich, Die Reihen der Zeugen und Konsentienten, in: Ders., Beiträge zur Mediävistik. Ausgewählte Aufsätze, 3: Lebensordnungen - Urkundenforschung - Mittellatein, Stuttgart 1986, 41 ff. (= Palaeographica, diplomatica et archivistica. Studi in onore du Giulio Battelli - Storia e letteratura 140/2, Roma, 1979), S. 176-177; Ewig Eugen, Saint Chrodegang et la réforme de l'église franque, in: Beihefte der Francia 3.2, 1979: Spätantikes und Fränkisches Gallien. Gesammelte Schriften (1952-1973), hg. von Atsma Hartmut, 2. Band, 232-253, hier S. 240-242  [= Saint Chrodegang. Communications présentées au colloque tenu à Metz à l'occasion du XIIe centenaire de sa mort, 1967, 25-53]; Clercq (de) Carlos, La législation religieuse franque de Clovis à Charlemagne (507-814), Louvain-Paris 1936, S. 143; Oelsner Ludwig, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter König Pippin (Jahrbücher der Deutschen Geschichte), Leipzig 1871, S. 361-363, 366; Werminghoff Albert, Verzeichnis der Akten fränkischer Synoden, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 24, 1899, 457-462, hier S. 469.
[5] Die Königspfalz Attigny war im 8. und 9. Jahrhundert eine der wichtigen Residenzen der Karolinger. Entgegen ihrem Namen stand sie nicht in Attigny am Ufer der Aisne (Frankreich, Département Ardennes, Arrondissement Vouziers, Canton Attigny), sondern in einem höher gelegenen und damit vor Hochwasser geschützten Nachbarort, der heute Sainte-Vaubourg heißt (Wikipedia, Artikel: Königspfalz Attigny, mit Literatur; Remmler Bernd, Spurensuche, die Karolinger: die verschwundenen Paläste Karls des Grossen, Pro Business, 2010, S. 115-140; Barbier Josiane: Palais et fisc à l’époque carolingienne: Attigny, in: Bibliothèque de l’école des chartes 140, 1982, S. 133-162).
[6] Der Gebetsbund ist nicht datiert, aber Oelsner, wie Anm. 4, S. 474-477, hat das Jahr 762 als wahrscheinlich dargestellt. Die Schlussfolgerungen von Schmid Karl und Oexle Otto Gerhard, Voraussetzungen und Wirkung des Gebetsbundes von Attigny, in: Francia 2, 1974, 71-122, hier S. 107 Anm. 50 scheinen dieses Datum zu bestätigen. Siehe auch Heidrich Ingrid, Synode und Hoftag in Düren im August 747, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 50, 1994, 415-440, hier S. 440. Isphording Bernd, Prüm. Studien zur Geschichte der Abtei von ihrer Gründung bis zum Tod Kaiser Lothars I. (721-855), in: Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 116, Mainz 2005, S. 100-106 kommt in seinen Überlegungen zum Actum-Ort der Urkunde Pippins vom 10. Juli 762 (Die Urkunden Pippins, Karlmanns und Karls des Grossen, bearb. von Engelbert Mühlbacher u. a., in: MGH Diplomatum Karolinorum 1, Hannover 1906, Neudruck München 1991, Nr. 15 S. 20-21) zum Ergebnis, dass, hält man an der Datierung der Synode von Attigny auf 762 fest, diese in der ersten Julihälfte "recht wahrscheinlich" stattgefunden habe.
[7] Karlomannus Major domus filius Charoli dedit monasterio Sti Medardi ubi Childegaudus episcopus et abbas praeest, villam nostram quae dicitur Hancinas et in alio loco Falitiolas et Ascutecas in pago Sambrio: Die Urkunde ist verloren und war schon im 17. Jahrhundert nur noch als Fragment bekannt und entsprechend in diesem und im 18. Jahrhundert kopiert oder erwähnt: « Mémorial des Antiquitez de la ville de Soissons faict par fr. Bonaventure Gilsoz, Relig. Bénédictin demeurant à St. Crespin le Grand de Soissons 1662 », fol. 22v; Barbier Josiane, Les actes royaux mérovingiens pour Saint-Médard de Soissons: une révision, in: Saint-Médard. Trésors d'une abbaye royale. Textes et iconographie réunis par Denis Defente, Paris-Soissons 1996, 179-241, Nr. 24 S. 232; dazu: Die Urkunden der Arnulfinger, hg. von Heidrich Ingrid, in: MGH Diplomata maiorum domus regiae e stirpe Arnulforum, Hannover, 2011, Nr. 85 S. 105; Brunel Clovis, Les actes mérovingiens pour l'abbaye de Saint-Médard de Soissons, in: Mélanges d'histoire du Moyen Age dédiés à la mémoire de Louis Halphen, Paris 1951, 71-81, Nr. 17 S. 78; Dierkens Alain, Note sur un acte perdu du maire du palais Carloman pour l'abbaye Saint-Médard de Soissons, in: Francia 12, 1984, 635-644, hier S. 636-644; Schüssler Heinz Joachim, Die fränkische Reichsteilung von Vieux-Poitiers (742) und die Reform der Kirche in den Teilreichen Karlmanns und Pippins. Zu den Grenzen der Wirksamkeit des Bonifatius, in: Francia 13, 1985, 47-112, hier S. 77 Anm. 194 und 196; Brouette Emile, Hanzinne, possession mérovingienne de Saint-Médard de Soissons, in: Revue bénédictine 84, 1974, 182-196, hier S. 186, 189, 191; Kaiser Reinhold, Untersuchungen zur Geschichte der Civitas und Diözese Soissons in römischer und merowingischer Zeit, in: Rheinisches Archiv 89, 1973, S. 234, 252-253.
[8] Die Urkunde wird meistens zwischen 744 und 746 datiert (Heidrich, wie Anm. 7, S. 105 setzt sie "um 744-745", Barbier, wie Anm. 7, S. 232 zwischen 741 und 746, Dierkens, wie  Anm. 7, S. 641 "um 745", u.s.w.), aber, ohne in Vermutungen verfallen zu wollen, gelten nur Karlmanns Daten (741-747) als sicher.
[9] Hanzinne, heute Ortsteil der Gemeinde Florennes, Belgien, Provinz Namur, Bezik Philippeville (vgl. Dierkens, wie Anm. 7, S. 642-643 und Karte S. 640). Die Lage dieses Gutes könnte erklären, weshalb Karlmann zu Gunsten eines im Pippins Reichsteil gelegenen Kloster intervenierte (vgl. Karte Schüssler, wie Anm. 7, S. 60; Brouette, wie Anm. 7, S. 186-192).
[10] Vermutlich Falisolle, Ortsteil der Gemeinde Sambreville, Prov. und Bez. Namur (Dierkens, ebd., S. 639, der Anm. 42 Ascutecas für eine Namendoppelung hält).
[11] Untergau des Lommegaus: Dierkens, ebd., S. 638-639; Nonn Ulrich, Pagus und Comitatus in Nierderlothringen. Untersuchungen zur politischen Raumgliederung im früheren Mittelalter, in: Bonner historische Forschungen 49, 1983, S. 146. Zu den genannten Gütern, vgl. Barbier, wie Anm. 7, S. 209.
[12] Wie sich die zwei Hausmeier gleich nach dem Tode ihres Vaters Karl Martell 741 das Reich teilten, ist nur ungenügend bekannt. Aber 744 gehörte die Diözese Soissons sicher zu Pippins Reichsteil (dazu Schüssler, wie Anm. 7, S. 77-78).
[13] Es wird im Allgemeinen angenommen, dass Childegaudus personengleich ist mit dem wahrscheinlich 762 genannten Bischof von Soissons Hildigangus. Dazu Barbier, wie Anm. 7, S. 225 und 241 Anm. 234; Ewig Eugen, Descriptio Franciae, in: Beihefte der Francia 3/1. Eugen Ewig, Spätantikes und fränkisches Gallien, gesammelte Schriften (1952-1973), hg. von Atsma Hartmut, 274-322 (= Karl der Grosse, I, Düsseldorf, 1965, 143-177), S. 317 Anm. 170.
[14] Gallia Christiana, wie Anm. 2, Sp. 410; vgl. Brouette, wie Anm. 7, S. 186 Anm. 6.
[15] Laut einer Fälschung, die von einer Notiz des 17. Jahrhunderts erwähnt wird, hätte Papst Paul I. am 26. November 761 Childegaud, Bischof von Soissons und Abt von S. Médard die confrairie des hl. Sebastian bestätigt (Lohrmann Dietrich, Papsturkunden in Frankreich. NF 7: Nördliche Ile-de-France und Vermandois, in: Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, philologisch-historische Klasse, 3. Folge Nr. 95, 1976, Nr. 2 S. 228).
[16] Im 6. Jahrhundert gegründetes Kloster, währen der frazösischen Revolution bis auf die Krypta niedergelegt. Hier wurde der letzte Merowingerkönig Childerich III. 751 geschoren.
[17] Theodericus muss der 4. des Namens sein; er herrschte von 721 bis 737 (Die Urkunden der Merowinger, MGH Diplomata regum Francorum e stirpe Merovingica, nach Vorarbeiten von Carlrichard Brühl hg. von Theo Kölzer unter Mitwirkung von Martina Hartmann und Andrea Steildorf, II, Hannover 2001, Deperditum Nr. 389 S. 657-658; Barbier, wie Anm. 7, Nr. 23 S. 232, siehe auch S. 188, 209).
[18] E vivis excessit XVIII cal. dec. anno XV Pippini regis, i. e. 766 (= 14. November 766 (? 765). Zu Pippins Krönungsdatum, siehe Jarnut Jörg, Wer hat Pippin 751 zum König gesalbt?, in: Ders., Herrschaft und Ethnogenese im Frühmittelalter: Gesammelte Aufsätze von Jörg Jarnut. Festgabe zum 60. Geburtstag, hg. von Matthias Becher unter Mitarbeit von Stefanie Dick und Nicola Karthaus, Münster, 2002, 187-199 = Frühmittelalterliche Studien 16,  1982, 45-57, S. 54-55, der dieses Ereignis auf den Weihnachtstag 751 setzten möchte). Dieser Abt ist sonst nicht bekannt.

12.04.2010, überarbeitet am 11.01.2012, 22.07.2012, 04.10.2014