R H O D E G A R I U S[1]

Rekognoszent von zwei Urkunden des Hausmeiers Pippin für das Kloster Honau (ausgestellt zwischen 742/747 und 751)

Zwei nur kopial überlieferte und undatierte[2] Urkunden des Hausmeiers Pippin[3] zugunsten des Klosters Honau[4] sind von Rhodegarius[5] (rekognosziert und) geschrieben[6]: Die eine[7] berichtet, dass Bischof[8] Dubanus, Abt des Klosters Honau, zu Pippin gekommen sei, um sich und den Besitz seines Klosters ihm zu kommendieren[9]; darauf habe Pippin Dubanus unter seinen Schutz[10] genommen und den seinerzeit unter dem Herzog Adelbertus[11] und später unter Karl (Martell)[12] erhaltenen Besitz des Klosters gesichert[13].
Mit der anderen Urkunde[14] erlässt Pippin auf Bitten des Bischofs Dubanus dem Kloster das fodrum[15].


[1] Auch Rodegarius.
[2] Vgl. unten Anm. 9.
[3] [...] illuster vir Pippinus maior domus [...].
[4] Honau war der Name einer Insel im Rhein nördlich von Strasbourg/Straßburg gelegen. Das Monasterium Scottorum wurde um 720/722 mit Mitwirkung des Grafen Eberhard, Bruder des Herzogs im Elsass Liutfrid vom ersten Abt-Bischof Benedictus gegründet. Man muss sich diese insula Honaugia (= erhöhte Insel) nicht wie eine Insel inmitten des Rheins vorstellen, sondern wie eine größere von den unregelmäßigen Rheinarmen umschlossene Fläche von Festland, eine Art "Flusspolder", der sich über das heutige Gebiet der elsässischen Gemeinde der Wantzenau (10 km nördlich von Strasbourg/Straßburg) und der badischen Gemeinde von Honau (Baden-Württemberg, Ortsteil Gemeinde Rheinau, Ortenaukreis) ausdehnte und lange Zeit ein Ganzes bildete. Wo sich das Kloster befand, ist heute nicht mehr genau festzustellen. Da die Gegend einige Jahrhunderte später unbewohnbar wurde, verlegte der Bischof von Straßburg das monasterium Scottorum zuerst nach Rhinau südlich von Strasbourg und dann nach Saint-Etienne in dieser Stadt. Vgl. Bornert René, Monastère Saint-Michel de Honau, in: Les monastères d'Alsace, I: Les étapes historiques (VIe-XXe siècle); Les monastères primitifs (VIe-IXe siècle), Strasbourg, 2009, S. 395-397; Hammer Nicole, Die Klostergründungen der Etichonen im Elsass, Marburg, 2003, S. 57-69; G. Michiels, Artikel "Honau" in: Dictionnaire d'histoire et de géographie ecclésiastiques 24, Paris, 1993, Sp. 980-981; A. M. Burg, Artikel "Honau" in: Germania Benedictina, V: Baden-Württemberg, 1975, S. 313-317.
[5] Da dieser Name in dieser Zeit des Öfteren getragen wird, ist eine sichere Identifizierung dieses Rhodegarius nicht möglich. Mit großem Vorbehalt wurde an eine am 1. Februar 731 oder 732 ausgestellte Urkunde des Grafen Ebrochardus zugunsten des Klosters Murbach, in welcher ein sonst unbekannter Rodacarus vor dem Rekognoszenten testiert, gedacht (Chartae latinae antiquiores. Facsimile-edition of the latin charters prior to the ninth century, ed. Albert Bruckner (†) a. Robert Marichal, part XIX: France VII, publ. by Hartmut Atsma, Jean Vezin and Robert Marichal, Dietikon-Zurich, 1987, Nr. 670 S. 2-4 und Anm. 12; Levillain Léon, Vielliard Jeanne et Jusselin Maurice, Charte du comte Eberhard pour l'abbaye de Murbach, 1er février 731/732, in: Bibliothèque de l'Ecole des Chartes 99, 1938, 5-41, 354, hier S. 25, 37-40 lat./fr.). Aber die Namen sind verschieden (hroth/gair und hroth/hari. Siehe Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. I: Personennamen, Bonn 1900, Nachdruck München 1966, Sp. 901 und 904-905).
[6] […] Rhodegarius iussus recognovi et scripsi und  [...] Rodegarius iussus scripsi.
[7] Original verloren. Überlieferung: Im 15. Jahrhundert kompilierter Chartular genannt "Bisthumb Honaw"; Grandidier Philippe-André, Histoire de l'Eglise et des évêques-princes de Strasbourg depuis la fondation de l'évêché à nos jours, 1: Depuis l'établissement du Christianisme en Alsace jusqu'à l'an 817, Strasbourg, 1776, preuves justificatives, Nr. 46 S. 80-81. Drucke in Auswahl: Die Urkunden der Arnulfinger, hg. v. Heidrich Ingrid, in: Monumenta Germaniae historica - fortan MGH -. Diplomata maiorum domus regiae e stirpe Arnulforum, Hannover, 2011, Nr. 20 S. 44-45; MGH Diplomatum Imperii 1: Diplomata maiorum domus e stirpe Arnulforum, ed. Pertz Karl August Friedrich, Hannover 1872, Nachdruck 1965, Nr. 20 S. 105-106. Vgl. Wilsdorf Christian, Le monasterium Scottorum de Honau et la famille des ducs d'Alsace au VIIIe siècle. Vestiges d'un cartulaire perdu, in: Francia 3, 1975, 1-87, hier S. 5 Nr. 9; Bornert, wie Anm. 2, S. 419 Nr. D 9; Weber Karl, Die Formierung des Elsass im Regnum Francorum. Adel, Kirche und Königtum am Oberrhein in merowingischer und frühkarolingischer Zeit, in: Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 19, Ostfildern, 2011, Anhang S. 46 Nr. 168; Bruckner Albert, Regesta Alsatiae aevi Merovingici et Karolini (496-918), I. Quellenband, Strasbourg-Zürich, 1949, Nr. 168 S. 102, 544; Heidrich Ingrid, Titulatur und Urkunden der arnulfingischen Hausmeier, in: Archiv für Diplomatik 11/12, 1965/66, 71-279, hier S. 244-245 Nr. A 18; Himly François-J., Observations sur les sources de l'histoire du haut moyen âge alsacien, in: Revue d'Alsace 90, 1950-1951, 30-51, hier S. 44; Böhmer Johann Friedrich, Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 715-918, neubearb. von Engelbert Mühlbacher, vollendet von Johann Lechner (Innsbruck ²1908), mit Ergänzungen von Carlrichard Brühl – Hans H. Kaminsky, Hildesheim 1966, Nr. 62 S. 31.
[8] […] episcopus Dubanus abbas de monasterio […] in Hohenaugia […].
[9] Zur commendatio, siehe Niermeyer J. F., Mediae latinitatis lexicon minus. Lexique latin médiéval-français/anglais, 1993, Leiden, 1993, S. 216 Nr. 6. Diese für das Kloster wichtige politische Handlung setzt mit großer Wahrscheinlichkeit den Tod des Gründers Eberhard, der im Jahr 747 vermerkt ist (Lendi Walter, Untersuchungen zur frühalemannischen Annalistik. Die Murbacher Annalen mit Edition, in: Scrinivm Fribvrgense. Veröffentlichungen des Mediaevistischen Instituts der Universität Freiburg 1, Freiburg CH, 1971, S. 152-153) voraus. Jedenfalls ist diese Urkunde mit Sicherheit zwischen 742 (und nicht 747: Ob nach der Herrschaftsteilung von Vieux-Poitiers im Jahr 742 das südliche Elsass zu dem Herrschaftsbereich des Hausmeiers Karlmann, gestorben 747, gehörte, und dann erst an Pippin kam, ist unsicher. Dazu Vorbemerkung von Heidrich zur Urkunde Nr. 19. Diese Frage wird Thema einer späteren Abhandlung) und 751 ausgestellt worden.
[10] […] Et nos ipsum Dubanum abbatem gratante animo sub nostrum mundeburde plenius recepimus vel retinemus […]. DazuTessier Georges, Diplomatique royale française, Paris, 1962, S. 63-66.
[11] Gestorben 722/723 (Ebling Horst, Prosopographie der Amtsträger des Merowingerreiches von Chlothar II. [613] bis Karl Martell [741], in: Beihefte der Francia 2, 1974, S. 28-29 Nr. 3; vgl.Wilsdorf, wie Anm. 7, S. 58-59).
[12] Verstorben 741.
[13] Dadurch wurde Honau ein karolingisches Kloster.
[14] Überlieferung, Chartular; Grandidier, Nr. 47 S. 81. Druck: Heidrich, Die Urkunden, Nr. 19 S. 43-44; vgl. Wilsdorf, S. 5 Nr. 10 und S. 87 (mit der Bemerkung von Eberl Immo, Das Iren-Kloster Honau und seine Regel, in: Die Iren und Europa im früheren Mittelalter, hg. von Heinz Löwe. Veröffentlichungen des Europa Zentrums Tübingen. Kulturwissenschaftliche Reihe 1, Stuttgart, 1982, 219-238, hier S. 224 Anm. 49); Bruckner, Nr. 169 S. 102; Heidrich, Titulatur, S. 244 Nr. A 17; Bornert, S. 419 Nr. D 10 (alle wie in Anm. 7). Zur Datierung der Urkunde, siehe Anm. 9.
[15] Zum fodrum, siehe John William Bernhardt, Article: Fodrum, Gistum, Servitium Regis, in: Medieval Germany. An Encyclopedia, hg. von John M. Jeep, Garland, New York und London 2001, S. 227–228; Niermeyer, wie Anm. 9, S. 438-439.

18.04.2012, überarbeitet 10.09.2014