L A N T F R I D

vermutlich Alemanne, bezeugt 748/749, vielleicht verstorben 751/752

Grifo, Sohn Karl Martells und Swanahilds[1], gelang es nach dem Tod des bayerischen Herzogs Odilo[2], den jungen Herzog Tassilo und seine Mutter Hiltrud in Gewahrsam zu nehmen und sich der Herrschaft über den bayerischen Dukat zu bemächtigen[3]. Einige Handschriften[4] berichten, dass er dabei bei Swidger[5] Unterstützung[6] fand. Andere[7] überliefern an entsprechender Stelle den Namen Lantfridus[8]. Nach dem siegreichen Feldzug Pippins gegen die aufständischen Bayern wurden Grifo und Lantfridus von dem fränkischen Hausmeier mit sich aus Bayern fortgeführt und der junge Tassilo wieder eingesetzt[9].
Mehrere Annalen[10] verzeichnen zum Jahr 751 den Tod eines Lantfridus[11].


[1] Zu Grifo und die von ihm ausgelösten Aufstände, s. Mikoletzky, Leo, Karl Martell und Grifo (Festschrift Edmund E. Stengel zum 70. Geburtstag am 24. Dezember 1949, Münster-Köln, 1952, 130-156).
[2] 18. Januar 748 (vgl. Jahn, Joachim, Ducatus Baiuvariorum. Das bairische Herzogtum der Agilolfinger [Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 35], Stuttgart, 1991, S. 279 Anm. 7).
[3] Diese kurzlebige und auch vielleicht räumliche Episode muss zwischen dem 10. Juli 748 und dem 29. Mai 749 anzusetzen sein (Jahn, wie Anm. 1, S. 280 Anm. 14. Die Urkunde vom 10. Juli 748 trägt die Nummer 123: Rath, Gebhard und Reiter, Erich, Das älteste Traditionsbuch des Klosters Mondsee [Forschungen zur Geschichte Oberösterreichs, 16], Linz, 1989, S. 227-228). Zu Grifos Versuch, s. auch BM² 57d+e S. 30; Hahn Heinrich, Jahrbücher des fränkischen Reichs 741-752 (Jahrbücher der deutschen Geschichte), Berlin, 1863,  S. 115-118.
[4] Die meisten codices der Annales regni Francorum und die Annales q. d. Einhardi (MGH SS. rer. Germ. [6], hrsg. von Kurze, 1895, S. 6-8) berichten zum Jahr 748, dass Swidger Grifo zu Hilfe kam: Swidger ad eum venit in solatio supradicti Grifonis.
[5] Swidger war wohl der bekannte Grundherr der regio Eichstätt (vgl. Kraus, Andreas, Der heilige Willibald von Eichstätt: Person, Zeit, Werk  [Eichstätter Studien. NF. 30. Der hl. Willibald - Klosterbischof oder Bistumsgründer?, hrsg.von Harald Dickerhof, Ernst Reiter und Stefan Weinfurter, Regensburg, 1990, 9-28], S. 17-18; Jahn, wie Anm. 2, S. 279).
[6] "Die bairische Adelspartei, die 740 den alamannischen Agilolfinger Odilo ins Exil getrieben hatte, [dürfte] in Grifo einen geeigneten Kandidaten für den bairischen Herzogsthron gesehen haben" (Jahn, wie Anm. 2, S. 279-280).
[7] Zwei andere Handschriften der Annales regni Francorum (s. oben Anm. 4, S. 6 e) sprechen von Lantfridus/Lanfridus, wie auch die Annales Mettenses priores zum Jahr 749 (MGH SS rer. Germ. [10], hrsg. von Simson, 1905, S. 42).
[8] Ob nun in dem Original der Annales regni Francorum, bearbeitet in den Annales Mettenses priores, Swidger oder Lantfridus gestanden hat, ist ungewiss. Haselbach, in ihrer Abhandlung über die Annales Mettenses priores, kommt zu dem Ergebnis, dass "die Nennung Lantfrids ... an dieser Stelle vermutlich das sachliche Richtige (trifft)" (Haselbach, Irene, Aufstieg und Herrschaft der Karlinger in der Darstellung der so genannten Annales Mettenses priores [Historische Studien, 412], Lübeck und Hamburg, 1970, S. 19). Andererseits kann man sich schwer vorstellen, weshalb sonst der Name Swidger genannt wird. Simson (S. 42 Anm. 1) hält auch das Auftauchen des Namens Lantfridus für eine spätere Textänderung aufgrund der folgenden Ereignissen (s. weiter). 
[9] Annales regni Francorum zu 748, S. 8 und Annales Mettenses priores zu 749, S. 42; Annales Lobienses, MGH SS XIII, S. 228 zu 749. Da die Ann. regni Francorum für diese Zeit noch den Osterzyklus verwenden (Levillain, Léon, L'avènement de la dynastie carolingienne et les origines de l'Etat pontifical, 749-757 (Bibliothèque de l'Ecole des Chartes, 94, Paris, 1933, S. 239-245), kann dieser Feldzug auch im Jahr 749 stattgefunden haben (s. oben Anm. 3).
[10] Lantfridus mortuus: Annales Alamannici und Annales Nazariani zum Jahr 751 (Lendi, Walter, Untersuchungen zur frühalemannischen Annalistik. Die Murbacher Annalen mit Edition [Scrinium Friburgense, 1], Freiburg Schweiz, 1971, S. 152-153 - die Nachricht gehört aber vermutlich zu 752, vgl. S. 101-102; MGH SS I, S. 26-27); Annales Laureshamenses, MGH SS I, S. 26 ad a. 751; Annales Mosellani, MGH SS XVI, S. 495; Annales Sangallenses breves, MGH SS I, S. 64; Annales Augienses, MGH SS I, S. 67. Die Lokalisierung dieser Annalen erlaubt die an Sicherheit grenzende Vermutung, dass Lantfrid Alemanne war. Dazu Sprigade, Klaus, Quellen zur Geschichte der Alamannen von Marius von Avenches bis Paulus Diaconus, übersetzt von C. Dirlmeier [Quellen zur Geschichte der Alamannen, 3 /Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Kommission für Alamannische Altertumskunde. Schriften, 5], Sigmaringen, 1979, S. 78 Anm. 11.
[11] Aus dem historischen Kontext kann man wagen diesen Lantfridus mit Grifos Parteigänger gleichzusetzen. Da die Quellen über Nachkommen der alemannischen Herzöge Lantfrid und Theudebald schweigen, ist es sicher nicht zu hoch gegriffen, ihn als ein Sprössling des alemannischen Herzogshauses anzusehen, der die "Nachfolge" Theudebalds, von dem nach 745 nichts mehr bekannt ist, anzutreten versucht hat. Jedenfalls lässt sich aus den Aufzeichnungen herauslesen, dass sein Wirken und sein Tod den Zeitgenossen als wichtige Ereignisse erwähnenswert waren. Vgl. Hahn, Heinrich, Jahrbücher des fränkischen Reichs 741-752 (Jahrbücher der Deutschen Geschichte, 3), Berlin, 1863, S. 116 Anm. 3; Jahn, wie Anm. 2, S. 279. Noch als "Alaman duke" betitelt bei Collins, Roger, Pippin III as Mayor of the Palace: the Evidence (Der Dynastiewechsel von 751. Vorgeschichte, Legitimationsstrategien und Erinnerung, hrsg. von Matthias Becher und Jörg Jarnut, Münster, 2004, 75-92), S. 77; vgl. auch Kraus, wie Anm. 5. Zu Theudebald, vgl. Geuenich Dieter, … noluerunt obtempare ducibus Franchorum. Zur bayerisch-alemannischen Opposition gegen die karolingischen Hausmeier, in (wie Collins), S. 139-143; Jarnut Jörg, Alemannien zur Zeit der Doppelherrschaft der Hausmeier Karlmann und Pippin (Jörg Jarnut, Herrschaft und Ethnogenese im Frühmittelalter: Gesammelte Aufsätze von Jörg Jarnut. Festgabe zum 60. Geburtstag, hg. von Matthias Becher unter Mitarbeit von Stefanie Dick und Nicola Karthaus, Münster, 2002, 129-136 [= Beihefte der Francia, 22, Sigmaringen, 1990]). Es ist interessant festzustellen, dass der Benediktbeurer Lantfrid, der vielleicht auch zur alemannischen Herzogsfamilie gehörte, vermutlich auch von dem karolingischen Fürsten verbannt wurde (s. Isel, Didier F., Zur Gründungs- und Frühgeschichte des Klosters Benediktbeuern. Eine quellenkritische Studie (Studien und  Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens …, 121, St. Ottilien, 2010, 131-155), S. 144 ff.).

09.06.2010