M I L O

Graf von Narbonne,  bezeugt von 759/768 bis 782,
vermutlich auch von Béziers und Lodève

Graf Milo ist urkundlich erst sicher seit 782 belegt, war aber schon früher Graf von Narbonne: Ein Denar mit den Prägungen MILO und NRBO ist gefunden worden sowie ein Denar von Pippin mit MILO[1].
Am 03. Juni 782 findet in Narbonne eine Gerichtsverhandlung statt[2]: Auf die vorgetragene Klage des vom König Karl (dem Großen) ernannten Arluinus, causilicus et mandatarius des sich auf Reisen befindeten[3] Bischofs[4] Daniel[5] von Narbonne, verurteilen die u. a. die königlichen missi Gualtarius, Adalbertus, Fulco und Gibuinus, Graf Milo eine große Zahl[6] genannter Güter im Gau von Narbonne dem Bischof zurück zu übergeben. Milo behauptete diese Güter der Kirchen von Narbonne[7] vom König als Lehen erhalten zu haben, konnte es aber nicht beweisen; dagegen stellte Arluinus zwölf Zeugen, die eidlich bekräftigten, dass die Güter der Kirche von Narbonne und dem Erzbischof Daniel gehört haben.
Im Urkundenbuch des Erzbistums von Narbonne, niedergeschrieben im 17. Jahrhundert, befindet sich eine Notiz zum Jahr 779: Dem Erzbischof von Narbonne wird von Karl dem Großen der Ort Calhau/Caillau[8], den Graf Milo usurpiert hatte, zugesprochen[9].
Mit einer Urkunde Karls des Kahlen[10], die nur durch zwei Notizen des Ende des 15. Jahrhunderts verfassten Inventars des älteren Archivs der Kirche von Lodève bekannt ist, restituiert der König dieser von Bischof Tatila geführten Kirche Güter[11], die ihr von Karl dem Großen übergeben, aber von den Grafen Milo und Arnaldus[12] usurpiert wurden; es handelt sich um Salasc[13], den villare Bardincum[14] in der Grafschaft von Béziers, und Nizas[15].
In einer am 20. Juli 794[16] in Frankfurt[17] ausgestellten Urkunde zugunsten des Abtes Anianus[18], Abt der Klöster St. Johannes und St. Laurentius[19], bestätigt Karl der Große die von Milo urkundlich geschenkte villa Caunes[20].
Laut der obengenannten Urkunden und Münzen ist es möglich, dass Milo nach 759[21] ein größeres Gebiet von Septimanischer[22] Gaue  (Narbonnais, Biterois/Béziers, Lodévois, Minervois …), für die keine Namen von Grafen bekannt sind, verwaltet hat.


[1] Zusammenfassend u. a.: Depeyrot Georges, Le numéraire carolingien. Corpus des monnaies, Paris 1993, Nr. 685 und 686, mit der Abbildung des letzteren Denar S. 191 (Depeyrot zeigt die Abbildung des ersten Denars nicht; deshalb bringe ich sie hier oben) . Der erste Denar zeigt auf der einen Seite MILO auf zwei Linien und der anderen NARBO ebenfalls auf zwei Linien. Der zweite ist von Pippin herausgegeben (P RE) mit der Prägung MILO auf zwei Zeilen auf der Rückseite. Es ist wahrscheinlich, dass es sich um den selben Milo handelt. Die Denare wurden frühestens 759 geprägt, da Pippin die Stadt erst in diesem Jahr einnehmen konnte.
[2] Original verloren. Überlieferung: Abschrift des 10. Jahrhunderts. Druck in Auswahl: Claude de Vic, Joseph Vaissète, Histoire générale du Languedoc avec des notes et les pièces justificatives 2, Toulouse 1875, Preuves - nachfolgend HGLg - Nr. 6 Sp. 47-50. Vgl. Hübner Rudolf, Gerischtsurkunden der Fränkischen Zeit, I , in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanische Abtheilung 12, 1891, Anhang, 1-118, hier S. 19 Nr. 116; Krause Victor, Geschichte des Institutes der missi dominici, in: Mittheilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 11, Innsbruck 1890, 193-300, hier S. 258 Nr. 5; Griffe Elie, Histoire religieuse des anciens pays de l'Aude. I: Des origines chrétiennes à la fin de l'époque carolingienne (Bibliothèque d'histoire ecclésiastique de la France), Paris 1933, S. 93-94; Lesne Emile, Histoire de la propriété ecclésiastique en France. Tome II: La propriété ecclésiastique et les droits régaliens à l'époque carolingienne. Fascicule I: Les étapes de la sécularisation des biens d'église du VIIIe au Xe siècle, in: Mémoires et travaux publiés par des professeurs des Facultés catholiques de Lille 19, Lille 1922, S. 56; Fascicule 2: Le droit du roi sur les églises et les biens d'église VIIIe-Xe siècle, in: Mémoires et travaux publiés par des professeurs des Facultés catholiques de Lille 30, Lille 1926 S. 193-194;  Abel Sigurd, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter Karl dem Großen 1, bearb. von Bernhard Simson, Leipzig 1888, S. 438-439.
[3] Milo hat sicherlich die längere Reise des Bischofs nach Jerusalem ausgenützt, um die genannten Güter an sich zu reißen.
[4] Die Bezeichung archiepiscopus in der Abschrift ist eine Interpolation, da Nabonne erst nach 811 und vor dem 10./11. Mai 813 Metropolitanbistum wurde (Pangerl Daniel Carlo, Die Metropolitanverfassung des karolingischen Frankenreiches, in: Monumenta Germaniae Historica. Schriften 63, Hannover 2011, S. 95-96).
[5] Daniel ist bezeugt als  Bischof von Narbonne von 769 vermutlich bis 788/790, vielleicht bis 793 (MGH  Legum sectio III. Concilia II/1: Concilia aevi Karolini I/1, recensit Albert Werminghoff, Hannover-Leipzig, 1906, S. 74-92; Griffe Elie, Histoire religieuse des anciens pays de l'Aude. I: Des origines chrétiennes à la fin de l'époque carolingienne (Bibliothèque d'histoire ecclésiastique de la France), Paris 1933, S. 246-251; HGLg,  Sp. 27 mit möglicher Berichigung des Datums bei Tisset Pierre, L'Abbaye de Gellone au Diocèse de Lodève des origines au XIIIe siècle. Thèse Université de Montpellier. Université de Droit, Paris 1933, S. 13-14). Nifridius hat seine Nachfolge um 799/800 angetreten.
[6] 53 Güter, die namentlich aufgezählt sind.
[7] Saint-Just-et-Saint-Pasteur, die Kathedralkirche, Saint-Paul, Saint-Etienne.
[8] Cailhau im Bas-Razès, Département Aude, Arrondissement Limoux, Canton La-Piège-au-Razès.
[9] Inventaire des actes et documents de l'archevêché de Narbonne, III, Actes concernant les seigneuries, Recopié par Antoine Rocque, 1639, S. 452. Online einzusehen unter www.calameo.com.
[10]Jacques de Font-Réaulx, Diplômes de Charles le Chauve pour l'église de Lodève et pour le Languedoc, in: Annales du Midi 80 Nr. 88, Toulouse 1968, 319-328, hier S. 323-324.
[11] [...] villas Salascum, Bardingum et Nizate, quarum Bardingus erat in comitatu Biterensi, per dominos Milonem et Arnaudum a potestate ecclesie Lodovensis substractas [...] oder [...] villas, scilicet Salascum integro et villarem Bardincum, quas Karolus Magnus donaverat episcopis Lutavensibus, et quas cupiditas comitum Milonis et Arnaldi a potestate ecclesie substraxerat [...].
[12] Graf von Béziers, sicherlich Nachfolger von Milo. Arnaldus wird in einer Urkunde Ludwigs des Frommen zugunsten des Klosters Aniane vom 14. August 822 genannt: Er habe Güter im Gau von Béziers dem Abt Benedictus von Aniane übertragen (Abbé Cassan, Meynial E., Cartulaires des abbayes d'Aniane et de Gellone. Cartulaire d'Aniane, Montpelier 1900, Nr. 18bis S. 74-75). Benedictus war noch Abt von Aniane am 22. Februar 815. Die Güter¨bertragung fand deshalb spätestens im Jahr 815 statt.
[13] Im Lodévois: Dépt. Hérault, Arr. Lodève, Cant. Clermont-l'Hérault.
[14] Nicht sicher identifiziert.
[15] Dépt. Hérault, Arr. Béziers, Cant. Mèze.
[16] Original verloren. Überlieferung: verschiedene Abschriften des 17. Jahrhunderts, u. a. Mabillon J., De re diplomatica libri VI, Paris 1681, S. 503-504 Nr. 58 ex autographo Caunensi zu 793; Baluze St., Capitularia regum Francorum 2, Paris 1677, Nr. 18 Sp. 1399-1400 ex archivo monasterij Caunensis, beide online einzusehen. Drucke in Auswahl: Die Urkunden Pippins, Karlmanns und Karls des Grossen, bearb. von Engelbert Mühlbacher u. a., in: Monumenta Germaniae historica, Diplomatum Karolinorum 1, Hannover 1906, Neudruck München 1991, Nr. 178 S. 239-240; HGLg II pr. Nr. 11 Sp. 58-59. Vgl. Böhmer Johann Friedrich, Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 715-918, neubearb. von Engelbert Mühlbacher, vollendet von Johann Lechner (Innsbruck ²1908), mit Ergänzungen von Carlrichard Brühl – Hans H. Kaminsky, Hildesheim 1966, Nr. 327 S. 142-143.
[17] Zum großen in der Urkunde erwähnte synodale concilium, zu dem Abt Anianus gekommen war, vgl. Hartmann Wilfried, Die Synoden der Karolingerzeit im Frankenreich und in Italien, in: Konziliengeschichte, hg. von Walter Brandmüller, Reihe A: Darstellungen. Paderborn 1989, S. 105-115.
[18] […] vir venerabilis Anianus abba ex monastheria Sancti Iohannis et Sancti Laurenti, quod sunt constructi in locis nuncupantibus Extorio et Olibegio […]: Abt von Caunes, urkundlich belegt von 791 bis 812/813 (zu 791, HGLg II, Pr. Nr. 10 Sp. 57-58; zu 812 oder 813, HGlg II, Pr. Nr. 21 Sp. 75).
[19] Nicht erwähnt wird das Kloster S. Petri et S. Pauli, das später das Hauptkloster wurde (Pückert W., Aniane und Gellone. Diplomatisch-kritische Untersuchungen zur Geschichte der reformen des Benedictinerordens im IX. und X. Jahrhundert, Leipzig 1899, S. 227-228), da es in Caunes lag.
[20] […] Similiter concessimus ei villa Caonas, sicuti Milo ad suum monastherium per suas litteras delegavit […]: heute Caunes-Minervois, Dépt. Aude, Arr. Carcassonne, Cant. Peyriac-Minervois; die Gemeinde liegt am Argent-Double, einem linken Nebenfluss der Aude. In einer Urkunde vom 05. Dezember 791 werden die Grenzen der villa von Caunes durch Graf Magnarius von Narbonne (Nachfolger des Grafen Milo in Narbonne) festgelegt; im Text wird Karls des Großen Schenkung erwähnt (HGlg II, Pr. Nr. 10 Sp. 57-58; vgl. Krause, wie Anm. 2, Nr. 128 S. 21). Die Zeugen bestätigen, dass die Grenzen der villa schon zur Zeit der Gothen und des Grafen Milo bestanden.
[21] Narbonne wurd erst 759 von Pippin eingenommen.
[22] Septimanien erstreckte sich an der Mittelmeerküste etwa von der Rhônemündung bis zu den Pyrenäen und entsprach im Wesentlichen dem Gebiet der modernen französischen Region Languedoc-Roussillon, heute Teil der größeren Région Midi-Pyrénées-Languedoc-Roussillon.

08.06.2017