R A P E R T U S[1]

unbekannter Bischof (ca. Mitte des 8. Jahrhunderts)

Mit Datum vom 15. März 778[2] ist eine Urkunde überliefert, durch die Bischof Remigius[3] von Strasbourg/Straßburg der Marienkirche [4] seinen Besitz auf der Insel Eschau [5] mit der von ihm neu errichteten basilica [6] überträgt. Die zweite Schenkung der heutigen Fassung berichtet über das monasteriolum, quod dicitur Werith[7] , super fluvium Araris[8] , et est ipsa insula in fine Grezzinbach[9] im Aargau, das ein Bischof[10] namens Rapertus[11] erbaute[12] und dem Bischof Remigius später übertrug; da die Brüder des Klostergründers Erlulfus[13] und Cundbertus[14]  das monasteriolum[15] zurückforderten, fügte sich der Bischof diesem Verlangen[16]; Remigius konnte nun die beiden Brüder bewegen, auf jeglichen Rechtsanspruch auf das monasteriolum ... in honore sancti Leodegarii martyris[17] zu seinen Gunsten zu verzichten, indem er ihnen den Allodialbesitz, den Rapertus Bischof Remigius auch übertragen hatte, und andere Güter zum prekarischen Nießbrauch auf Lebenszeit überließ. Danach überträgt der Bischof  mit dieser Urkunde das monasteriolum seiner Marienkirche, wobei er aber für sich, für seine Nichte Scholastica und für seinen abnepos Raderamnus die Nutznießung[18] vorbehält.


[1] Ratpertus.
[2] Kocher Ambros, Solothurner Urkundenbuch, erster Band 762-1245 (Quellen zur Solothurnischen Geschichte, Solothurn), Solothurn, 1952, Nr. 2 S. 3-7; Bruckner Albert (Hg.), Regesta Alsatiae aevi Merovingici et Karolini (496-918), I. Quellenband, Strasbourg-Zürich, 1949, Nr. 271 S. 169-171; Wiegand Wilhelm, Urkundenbuch der Stadt Strassburg, I. Band: Urkunden und Stadtrechte bis zum Jahr 1266 (Urkunden und Akten der Stadt Strassburg, I. Abteilung), Strassburg, 1879, Nr. 16 S. 11-14; vgl. Wentzcke Paul, Regesten der Bischöfe von Strassburg bis zum Jahre 1202 (Regesten der Bischöfe von Strassburg, Band I/2), Innsbruck, 1908, S. 227-229. Vieles deutet darauf hin, dass die Abschrift, die dem IX. oder X. Jahrhundert zugeschrieben wird, auf die Überarbeitung einer oder eher auf zwei authentische Urkunden zurückgeht (dazu Schnyder Hans, Schönenwerd. In: Helvetia sacra. III: Die Orden mit Benediktinerregel, I, 1: Frühe Klöster, die Benediktiner und Benediktinerinnen in der Schweiz, red. Elsanne Gilomen-Schenkel, 1, Bern, 1986, S. 338-339, 341 Anm. 3; ders., Die Gründung des Klosters Luzern. Adel und Kirche Südalamanniens im 8. Jahrhundert [Historische Schriften der Universität Freiburg, 5A+5B], Freiburg Schweiz, 1978, S. 322-323, mit Literaturhinweisen; Büttner Heinrich, Das Bistum Strassburg und das Stift Schönenwerd im frühen Mittelalter. In: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte, 59, Freiburg, 1965, S. 60-61).
[3] Der Bischofskatalog von Straßburg bringt Remigius nach Aglidulfus, von dem es keine datierten Zeugnisse gibt und der selbst Nachfolger des Bischofs Heddo, der noch sicherlich im Jahr 762 bezeugt ist, war (siehe Wentzcke, w. o. Anm. 2, S. 227-229).
[4] Die Kathedralkirche von Straßburg.
[5] Eine durch den Zusammenfluss der Ill mit dem Rhein gebildete Insel zwischen Plobsheim und Wibolsheim (vgl. Schnyder 1986, w. o. Anm. 2, S. 343 Anm. 16; Kocher, w. o. Anm. 2, S. 22-26 mit Karten). Heute Gemeinde Eschau (Frankreich, Bas-Rhin, arr. Strasbourg-Campagne, cant. Geispolsheim).
[6] Frauenkloster (vgl. Schnyder 1986, w. o. Anm. 2, S. 343 Anm. 16).
[7] Der genaue Standort des Klösterleins auf einer abgegangenen Aareinsel oder Halbinsel ist ungeklärt. Es lag in der heutigen Gemeinde Schönenwerd (Schweiz, Kant. Solothurn, Bez. Olten). Dazu Schnyder 1986, w. o. Anm. 2, S. 338, 340 Anm. 2.
[8] Aar, Nebenfluss des Rheins.
[9] Gretzenbach, Bez. Olten.
[10] Verschiedene Interpretationen über Raperts Bischofstitel sind vorgeschlagen worden, u. a. ein Straßburger Chorbischof, eine Person mit Bischofsweihe, aber ohne festen Bischofssitz, ein Bischof von Arles (Schnyder 1986, w. o. Anm. 2, S. 338, 341-342 Anm. 5 und 6 mit weiterer Literatur; siehe ders. 1978, w. o. Anm. 2, S. 323; Kocher, w. o. Anm. 2, S. 9 ff.).
[11] "Die alamannische Herkunft Radberts steht außer Frage, denn das Remigiustestament beruft sich auf den Rechtsvollzug gemäß der lex Alamannorum" (Schnyder 1978, w. o. Anm. 2, S. 266). Zu der Überlieferung dieses Namens in Alamannien und eventuellen Versippungen, siehe S. 262ff.
[12] Die Formulierung, quod (das Kloster) Rapertus episcopus a novo opere ędificavit, bedeutet nicht, dass er ein schon bestehendes Kloster wieder neu eingerichtet habe. Es handelt sich um eine Neugründung (s. Schnyder 1978, w. o. Anm. 2, S. 326-327), die um die Mitte des VIII. Jahrhunderts vermutet wird (hierzu Schnyder 1986, w. o. Anm. 2, S. 342 Anm. 7; ders. 1978, S. 326-328; Büttner, w. o. Anm. 2, S. 62).
[13] Dieser Name ist in dieser Zeit sonst nicht in Alamannien bezeugt (dazu Schnyder 1986, w. o. Anm. 2, S. 342-343 Anm. 11 und 20; ders. 1978, S. 263-269).
[14] Zu diesem Namen, s. Schnyder 1978, w. o. Anm. 2, S. 263-269.
[15] Rapertus war sicher zu diesem Zeitpunkt schon verstorben.
[16] Die Pertinenzformel lässt erkennen, dass das Kloster schon recht gut ausgestattet war (Schnyder 1978, w. o. Anm. 2, S. 324-325 Anm. 99). Mitte des 9. Jahrhunderts gab es in Schönenwerd ein Kanonikerstift. Über die Frage der Regel Schönenwerds in seinen Anfängen können nur Vermutungen geäußert werden (Schnyder 1986, w. o. Anm. 2, S. 339-340).
[17] Zum Kult des hl. Leodegars, s. Büttner, w. o. Anm. 2, S. 65.
[18] Der Kirche von Straßburg war dafür ein jährlicher Zins von 20 solidos in argento zu leisten.

09.06.09