A B E L

(? designierter) Erzbischof von Reims, belegt 744

Das Kapitular vom 03. März 744[1], das die Beschlüsse der von Pippinus, dux et princeps  Francorum, in Soissons[2] einberufenen Synode verkündet, bestimmt, dass per civitates legitimus episcopus eingesetzt[3] und über diese Erzbischöfe[4], Abel und Ardobertus[5] erhoben werden.
In einem Brief an Bonifatius vom 22. Juni 744[6] bestätigt Papst Zacharias die Metropolitanbischöfe Grimo[7], Abel sive Hartbercto, die Bonifatius per provincias eingesetzt hat[8] und verkündet, dass er ihnen das Pallium[9] übersendet hat mit einer Abhandlung zu deren Verwendung.
In einem anderen Schreiben des Zacharias an Bonifatius vom 05. November 744[10] wundert sich der Papst, dass dieser drei Erzbischöfe ernannt hat[11], Grimo in Rouen, Abel[12] in Reims[13] et Hartbertus in Sens, dass er in einem jüngeren Brief[14] den Palliumantrag[15] nur für Grimo[16] aufrechterhält.
Der zur Zeit des Reimser Erzbischof Hincmarus[17] überlieferte Bischofskatalog erwähnt nicht Abel[18], von dem später Flodoard schreibt, "dass manche behaupten, er wäre nur Chorbischof gewesen", den er aber als Nachfolger des hl.  Rigobertus[19] in die Bischofsliste einreiht.
In dem Mahnschreiben an Aethilbaldus (von Merzien)[20], das er mit seinen Landsleuten[21] Uuera[22] et Burghart[23] et Uuerberht[24] et Abel et Uuilbald[25] [et Huuita[26] et Leofuuine[27]] coepiscopi[28] vielleicht 746/747[29] abgefasst hat, geht Bonifatius archiepiscopus legatus Germanicus Romane ecclesiae auf die sexuellen Ausschweifungen des Königs und die Missachtung kirchlicher Privilegien ein[30].
Folcuinus, Verfasser um 980 der Gesta abbatum Lobiensium[31], nennt sanctum Abel, Scotum genere mit zwei Bischöfen als cooperatores sive successores des Abtes Erminus, verstorben am 25. April 737[32], eiusdem loci gubernatores et coabbates[33]. Für Folcuinus war der Bischof von Reims mit dem Abt von Lobbes personengleich[34]. Diese Vermutung kann nicht ausgeschlossen werden[35].


[1] MGH Cap. I, S. 28-30, hier c. 3 S. 29; MGH Conc. II, 1, S. 33-36, hier S. 34. Zum Datum, s. Tangl Michael, Studien zur Neuausgabe der Briefe des hl. Bonifatius und Lullus, I., in: Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte, 12 (Das Mittelalter in Quellen und Diplomatik, 1), Graz, 1966, 60-177 (= Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 40, 1916), S. 166-167 Anm. 350; Clerq (de) Carlos, La législation religieuse franque de Clovis à Charlemagne (507-814), Louvain-Paris, 1936, S. 122 Anm. 2, zieht den 02. März vor.
[2] Zu dieser Synode, s. Hartmann Wilfried, Die Synoden der Karolingerzeit im Frankenreich und in Italien (Konziliengeschichte, hrsg. von Walter Brandmüller, Reihe A: Darstellungen), Paderborn, 1989, S. 56-59; De Clercq, wie Anm. 1, S. 122-124; Glatthaar Michael, Bonifatius und das Sakrileg. Zur politischen Dimension eines Rechtsbegriffs (Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte, 17), Frankfurt a. M., 2004, passim.
[3] "Hier ging es ... um die reichsweite Einsetzung legitimer, mit allen Rechten ihres Amtes ausgestatteter Bischöfe" (Glatthaar, wie Anm. 2, S. 168).
[4] Die Synode diente der Reform in Pippins Teilreich (s. Schüssler Heinz Joachim, Die fränkische Reichsteilung von Vieux-Poitiers [742] und die Reform der Kirche in den Teilreichen Karlmanns und Pippins. Zu den Grenzen der Wirksamkeit des Bonifatius, in: Francia, 13, [1985], Sigmaringen, 1986, S. 88-95).
[5] Zu ihren Metropolen, s. unten.
[6] Rau Reinhold, Briefe des Bonifatius (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, IVb), Darmstadt, 1968, Nr. 57 S. 164-169 (lat./dt.); MGH Epist. sel. I, S. 102-105; s. Jaffé Philippe, Regesta Pontificum Romanorum ab condita ecclesia ad annum post Christum MCXCVIII, 2e édition, 1 (a S. Petro ad a. MCXLIII), Leipzig, 1885, ND Graz, 1956, Nr. 2269 und 2270 S. 264. Dazu Tangl, wie Anm. 1, S. 166-171; Heuclin Jean, Hommes de Dieu et fonctionnaires du roi en Gaule du Nord du Ve au IXe siècle (Histoire et civilisations), Villeneuve-d'Ascq, 1998, S. 248, 277 Anm. 111; Schüssler, wie Anm. 4, S. 92-93 Anm. 272; Speck Paul, Artabasdos, Bonifatius und die drei Pallia (Zeitschrift für Kirchengeschichte, 96, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz, 1985, 179-195), der diesen Brief, wie auch den folgenden des 05. Novembers, ins Jahr 743 setzen möchte, was Glatthaar, wie Anm. 2, S. 155-156, ablehnt.   
[7] Grimo, als Erzbischof von Rouen, nimmt an der Synode von Soissons natürlich nicht teil, da seine Kirchenprovinz in Karlmanns Reichsteil liegt (Schüsssler, wie Anm. 4, S. 84).
[8] Aus dem Brief des Papstes vom 05. November 744 ist zu folgern, dass dieses Schreiben vermutlich die Antwort auf einen verlorenen Antrag des Bonifatius aus dem Monat August 743 ist (dazu Glatthaar, wie Anm. 2, S. 154-156; Schüssler, wie Anm. 4, S. 92-93 Anm. 272; Tangl, wie Anm. 1, S. 166-171).
[9] Zu diesem Amtsabzeichen, s. Sot Michel, Un historien et son église: Flodoard de Reims, Fayard, 1993, S. 462.
[10] Rau, wie Anm. 6, Nr. 58 S. 170-175 (lat./dt.); MGH Epist. sel. I, S. 105-108; s. Jaffé, wie Anm. 6, Nr. 2271 S. 264. Zum Datum, s. Anm. 6. Flodoard, in seiner Historia Remensis Ecclesiae (wahrscheinlich 954 beendet), c. 16, MGH SS XXXVI, S. 166-167 zitiert Auszüge dieses Schreibens wie auch des vorausgegangenen vom 22. Juni, aber in umgekehrter Reihenfolge.
[11] Zu dem Begriffspaar ordinare und constituere, vgl. Glatthaar, wie Anm. 2, S. 167-168.
[12] Flodoard (wie Anm. 10), S. 167 vermerkt ohne Weiteres, dass er mehrere Urkunden unter seinem Namen kennt.
[13] Über die ungeordneten Verhältnisse in Reims zur Zeit Milos liegen nur spätere Zeugnisse vor. Siehe dazu Schmidt Hermann, Trier und Reims in ihrer verfassungsrechtlichen Entwicklung bis zum Primatialstreit des 9. Jahrhunderts (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, 49, Kan. Abt. 18, Weimar, 1929, 1-111), S. 37-40, der sie chronologisch auflistet: Zuerst die um die Mitte des 9. Jahrhunderts verfasste Fälschung des Briefes des Papstes Hadrian an den Bischof Tilpinus von Reims, der nur durch Einfügungen in die Vita Rigoberti und durch Flodoard auf uns zugekommen ist (für den Teil der Milo betrifft, Vita Rigoberti, ebd., c. 14 S. 70-71; Flodoard, ebd., c. 13 S. 162-63). Zu dieser Fälschung, s. Lesne E., La lettre interpolée d'Hadrien Ier à  Tilpin et à l'église de Reims au IXe siècle, in: Le Moyen Age, 26 (2e série, 17), Paris, 1913, 325-351, 389-413); dann Hinkmars [von Reims] zutreffende Schriften von den Jahren 863 bis 878 mit der praefatio der Vita Remigii (MGH SS rer. Merov. III, S. 250-254, hier S. 251), die Vita Rigoberti zwischen 888 und 894 verfasst (MGH SS rer. Merov. VII, S. 54-78), die Historia Remensis ecclesiae von Flodoard wahrscheinlich zwischen 948 und 954 niedergeschrieben (MGH SS XXXVI, S. 159-164, vgl. S. 4; MGH SS XIII, S. 460-461; Lejeune M., Histoire de l'Eglise de Reims par Flodoard, Reims, 1854, réédition (Revue du Moyen Age latin, Strasbourg, 1982, S. 292-303 [lat./fr.]), sowie noch andere spätere Texte.
Der interpolierte Teil des Briefes, den Papst Hadrian I. an Tilpinus von Reims gerichtet haben soll, berichtet, dass Bonifatius sich dafür einsetzte, von dem Papst Zacharias die Verleihung des pallium an Erzbischof Abel zu erreichen, dass dieser aus Reims vertrieben wurde, die Kirche von Reims für viele Jahre ohne Bischof blieb, dass Reimser Güter dem episcopatum entzogen und verteilt wurden. Zum Verfassungsdatum und zum Zweck dieses Briefes, s. Lesne, ebd., S. 413. Pippin, unter dem Druck des Milo, der das episcopium von Reims seit vielen Jahren in seinen Händen hielt, hat wohl zurückweichen müssen (dazu Schieffer Theodor, Angelsachsen und Franken. Zwei Studien zur Kirchengeschichte des 8. Jahrhunderts (Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse Jahrgang 1950 - Nr. 20. Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Wiesbaden, 1950, 1431-1463), S. 1451-1454 und Anm. 2 S. 1453; Gauthier Nancy, L'évangélisation des pays de la Moselle, Paris, 1980, S. 365; Lesne, w. Anm. 13, S. 341-342; Duchesne L., Fastes épiscopaux de l'ancienne Gaule, III, Paris, 1915, S. 86 und Anm. 7; hier Artikel "Milo").
[14] Aus dem Monat August, s. Schüssler, wie Anm. 4, S. 93 Anm.
[15] In einem Schreiben an Papst Zacharias aus dem Jahr (751) kommt Bonifatius auf diese Lage zurück, indem er erklärt, dass die Franken "säumig sind und das, was sie versprochen haben, nicht erfüllt haben; auch jetzt noch wird die Sache hinausgeschoben und erörtert, und man weiß nicht, was sie davon ausführen wollen" (Rau, wie Anm. 6, Nr. 86 S. 288-291, hier S. 291; MGH Epist. sel. I, S. 191-194),
[16] Die Metropole Rouen lag in Karlmanns Teilreich, wogegen die zwei anderen von Pippin abhängig waren (s. Schüssler, wie Anm. 4, S. 94-95).
[17] 845 – 882.
[18] Duchesne, w. Anm. 13, S. 76-78, 85-86. Hinkmar, in seiner Vita Remigii, verschweigt Abel (wie Anm. 13).
[19] Rigobertus verliert wahrscheinlich 719 sein episcopatum, erhält aber später wieder einige Aufgaben in der Diözese und stirbt in einem unbekannten Jahr. Milo, aus einer mächtigen austrasischen Familie, wird zurzeit des Hausmeiers Karl Martell mit dem episcopium von Reims versehen und lebte noch im Jahr 751 (s. Sot, wie Anm. 9, S. 447-459; Semmler Josef, Bonifatius, die Karolinger und die "Franken" [Mönchtum - Kirche - Herrschaft 750-1000, Sigmaringen, 1998, 3-50], S. 34 und Anm. 335). Abels Episkopat muss sehr kurz gewesen sein. Vielleicht war es ihm nicht gelungen, sich in Reims durchzusetzen, was seine Abwesenheit auf der älteren Bischofsliste, die Tilpinus als direkten Nachfolger von Rigobertus kennt, erklären würde. "Überhaupt sollte das Konzert der Meinungen … nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir zuverlässig nur von der Rücknahme der Palllienanträge wissen, Abels Vertreibung aber erst in JE 2411 behauptet wird" (Glatthaar, wie Anm. 2, S. 234-235 Anm. 63; zu JE 2411, s. Artikel "Weomadus, Bischof von Reims").
[20] Rau, wie Anm. 6, Nr. 73 S. 146-155 (lat./dt.); MGH Epist. sel. I, S. 146-155; englische Übersetzung bei Whitelook Dorothy [ed.], English historical documents c. 500-1042, 2d ed., 1979, S. 816-822.
[21] Der Brief an den Priester Herefridus, der den Auftrag hat, das vorgenannte Schreiben zu übertragen, spricht von acht Bischöfen de eodem Anglorum gente nati et nutriti, die Bonifatius zu einer Synode einberufen hat (Rau, ebd., Nr. 74 S. 228-231 (lat./dt.); MGH Epist. Sel. I, S. 155-156; Whitelock, ebd., S. 822-823).
[22] Der Bischof Wera war vielleicht für Utrecht zuständig (s. Glatthaar, wie Anm. 2, S. 208 Anm. 210; Schipperges Stefan, Bonifatius ac socii eius. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung des Winfrid-Bonifatius und seines Umfeldes (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte, 79), Mainz, 1996, S. 158-159).
[23] Burghart, Bischof von Würzburg.
[24] Werberht kann nicht lokalisiert werden. Vielleicht Chorbischof? (s. Schipperges, wie Anm. 22, S. 159).
[25] Als Bischof von Erfurt oder Eichstätt? Dazu die verschiedenen Abhandlungen in: Eichstätter Studien. NF. 30. Der hl. Willibald - Klosterbischof oder Bistumsgründer?, hrsg. von Harald Dickerhof, Ernst Reiter und Stefan Weinfurter, Regensburg, 1990.
[26] Witta ist belegt als Bischof von Büraburg.
[27] Leofwine war vielleicht Chorbischof in Friesland (s. Schipperges, wie Anm. 22, S. 102).
[28] In der Überlieferung der Bonifatiusbriefsammlungen werden in der Adresse nur die sechs ersten Bischöfe genannt, aber diese Zahl wird in einer "englischen" Überlieferung (Chronicon abbatiæ de Evesham ad a. 1418, ed. W. Dunn Macray, 1863, S. XV-XVI, verfügbar unter: http://gallica.bnf.fr, Bibliothèque Nationale de France, 1995; hierzu Reuter Timothy, Kirchenreform und Kirchenpolitik im Zeitalter Karl Martells: Begriffe und Wirklichkeit [Beihefte der Francia, 37. Karl Martell in seiner Zeit, hrsg. von Jörg Jarnut, Ulrich Nonn und Michael Richter, unter Mitarbeit von Matthias Becher und Waltraud Reinsch, Sigmaringen, 1994, 35-59], S. 51-59) durch die Namen der Bischöfe Hwita et Leofwine ergänzt. Der Brief an den Priester Herefridus (s. oben Anm. 21) spricht auch von acht Bischöfen.
[29] Zum Datum, siehe Tangl Michael, Die Briefe des heiligen Bonifatius, übersetzt und erläutert von (Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit, 2. Gesamtausgabe, 92), Leipzig, 1912, S. 134-135; ders., wie Anm. 1, S. 119-125; Tangl Michael, Studien zur Neuausgabe der Briefe des hl. Bonifatius und Lullus, II, in: Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte, 12 (Das Mittelalter in Quellen und Diplomatik, 1), Graz, 1966, 178-240 (= Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, 41, 1917), Nr. 55, S. 210; Schieffer Theodor, Winfrid-Bonifatius und die christliche Grundlegung Europas, 1954, ND Darmstadt, 1972, S. 238-239. Aber Reuter, wie Anm. 28, S. 52-53 Anm. 82, 84, bezeichnet das Jahr 747 als unsicher.
[30] Zum Inhalt des Briefes s. Schieffer, wie Anm. 29, S. 238-240.
[31] MGH SS IV, S. 58-59.
[32] S. Dierkens Alain, Abbayes et chapitres entre Sambre et Meuse, VIIe-XIe siècles. Contribution à l'histoire religieuse des campagnes du Haut Moyen Age [Beihefte der Francia, 14], Sigmaringen, 1985, S. 104 und Anm. 112.
[33] Folcuinus gibt zu, nichts Genaues über deren Aufgaben in Lobbes zu wissen.
[34] Folcuinus teilt mit, dass er in Reims erfahren habe, es habe hier ein Bischof dieses Namens gegeben; er wäre zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser mit dem Abel Scotum aus Lobbes identisch gewesen sei. Er scheint also zu dieser Gleichsetzung nur aufgrund der Namen und der Daten gekommen zu sein (dazu Frank Hieronymus, Die Klosterbischöfe des Frankenreiches [Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinerordens, 17], Münster in Westfalen, 1932, S. 33-37; Dierkens, wie Anm. 32, S. 104-106; Semmler, wie Anm. 19, S. 28 Anm. 275; Dierkens Alain, Superstitions, christianisme et paganisme à la fin de l'époque mérovingienne. A propos de l'Indiculus superstitionum et paganiarum [Laïcité. Série Recherches, 5. Magie, sorcellerie, parapsychologie, Bruxelles, 1984, 9-26], S. 18 Anm. 45; ders., wie Anm. 2, S. 289-290).
[35] Laut Bonifatius (s. oben Anm. 20) war Bischof Abel Angelsachse und nicht Ire. Entweder war also die Information des Folcuinus über die Herkunft des Abel von Lobbes unzutreffend oder es handelt sich um zwei verschiedene Personen (s. Levison Wilhelm, England and the Continent in the eighth century, Oxford, 1966, S. 87 Anm. 4).

27.02.2011