D E S I D E R A T U S

Chorbischof von Le Mans (8. Jahrhundert)

Die Actus pontificum Cenomannis in urbe degentium[1] berichten nach der Geschichte der Blendung des Bischofs Gauziolenus von Le Mans[2] als Bestrafung durch Pippin[3], dass Chorbischöfe[4] an dessen Seite standen, zuerst Seufredus[5], dann Desideratus[6] und nach ihm Berthbodus[7] und Merolus[8].


[1] Überlieferung: um 857/863 entstanden, erhalten hier in einer Handschrift des 12. Jahrhunderts (zur Entstehung, Bewertung und Datierung, siehe Weidemann Margarete, Geschichte des Bistums Le Mans von der Spätantike bis zur Karolingerzeit. Actus pontificum Cenomannis in urbe degentium und Gesta Aldrici, in: Römisch-germanisches Zentralmuseum. Forschungsinstitut für Vor- und Frühgeschichte. Monographien 56/1: Die erzählenden Texte, Mainz, 2002, S. 1-20). Drucke in Auswahl: Weidemann ebd., S. 92 b; Busson G. et Ledru A., Actus pontificum in urbe degentium, in: Archives historiques du Maine 2, 1901, S. 258-259.
[2] Gauziolenus, Sohn des Rothgarius, wohl von Karl Martell in Le Mans als comes eingesetzt, und Bruder des Charivius, der nach dem Tode des Bischofs Herlemundus (I.) als Laie die Herrschaft über das Bistum an sich riss (Ebling Horst, Prosopographie der Amtsträger des Merowingerreiches von Chlotar II (613) bis Karl Martell (741), in: Beihefte der Francia 2, 1974, S. 105-106 und 117-118; Weidemann, ebd., S. 97-98), ist als Bischof von Le Mans von 743/744 bis 762 bezeugt, aber schon nach dem 02. Juli 724 im Amt (siehe Artikel "Gauziolenus").
[3] Gauziolenus soll den von Pippin in Le Mans eingesetzten Bischof Herlemundus blenden lassen haben. Darauf hätte Pippin ihn auf gleicher Weise bestraft (Weidemann, wie Anm. 1, S. 91). Diese Geschichte ist als Legende zu betrachten (ebd., S. 98).
[4] Es keinen triftigen Grund die Existenz dieser drei Chorbischöfe als unglaubwürdig anzusehen (dazu Weidemann, wie Anm. 1, S. 98 zu 4; Gottlob Theodor, Der abendländische Chorepiskopat, in: Kanonistische Studien und Texte 1, 1928, Neudruck Amsterdam 1963, S. 16-19; Duchesne L., Fastes épiscopaux de l'ancienne Gaule,  t. 2e: l'Aquitaine et les Lyonnaises, Paris, 1910, S. 323-325).
[5] Seufredus ist als Chorbischof von Le Mans nur durch die Actus bekannt. Es ist wahrscheinlich, dass er mit dem presbyter rector vom Oratorium St. Audoenus personengleich ist, der in einer Urkunde des Bischofs Herlemundus erwähnt ist (Weidemann, ebd., 56/2: Die Urkunden, Nr. 21 S. 242-244). Gauziolenus überträgt ihm das Symphorianuskloster in Theil-sur-Huisne. Seufredus wird in St. Victurius bei Le Mans begraben (Weidemann, ebd., 56/1, S. 92 § 4a).
[6] Über ihn wusste der Verfasser der Actus scheinbar nichts. Möglicherweise handelt es sich bei ihm um den Abt von St. Calais Dido, dem das Kloster von Gauziolenus als Prekarie 743/749 übertragen wurde. Es könnte erklären, weshalb seine Grablege, im Unterschied zu den anderen zwei Chorbischöfen, in den Actus nicht genannt wird (Weidemann, ebd., S. 99; siehe hier im Anhang Artikel "Dido"). Im 7. Jahrhundert gibt es zwei ähnliche Beispiele: Ein Bischof von Poitiers heißt Desiderius/Dido, ein Bischof von Chalon Desideratus cognomine Diddo (Ewig Eugen, Die Merowinger und das Frankenreich, 5. Auflage, in: Kohlhammer Urban-Taschenbücher 392, 2006, passim; Duchesne, wie Anm. 4, S. 194 Nr. 12). Sollte seine verstümmelte Unterschrift, die auf der März 756 ausgestellte Prekarie, mit welcher Gauziolenus verschiedene Güter Pippins Getreuen Adalbertus und Hagano überlässt, zu lesen sein (Weidemann, ebd., 56/2, Nr. 32 S. 266-268), würde die Gleichsetzung mit Dido schwer zu halten sein (Busson/Ledru, wie Anm. 1, S. 254-256; Ganshof F. L., Note sur une charte privée carolingienne datée de Jupille, in: Mélanges Félix Rousseau. Etudes sur l'histoire du pays mosan au Moyen Age, Bruxelles, 1958, 309-319, hier S. 309-310, mit Erläuterungen S. 311-319; vgl. Le Maître Philippe, Le corpus carolingien du Mans, vol. 1:Texte de l'étude; vol. 2: Pièces justificatives et annexes. Thèse pour le doctorat de troisième cycle, Faculté des Lettres et Sciences humaines de Paris X – Nanterre. U.E.R. d'histoire, Paris, 1980, dactylographiée, I, S. 299-304, II, S. 265; Goffart Walter, The Le Mans Forgeries. A chapter from the history of church property in the ninth century, in: Harvard Historical Studies 76, Cambridge, 1966, S. 259).
[7] Er wird in St. Victurius begraben.
[8] Merolus (auch Merilo), wird später nach Hodingus, der fast zwei Jahre im Amt war, dessen Nachfolge er als Bischof von Le Mans wohl im Winter 772/773 angetreten hat (Weidemann, ebd., S. 92 ff., 100-101; Busson/Ledru, wie Anm. 1, S. 259-261).

02.03.2009, überarbeitet 16.04.2013