A I L U L F U S[1]

zweifelhafter Abt von Stavelot-Malmédy im 8. Jahrhundert

Verschiedene hagiografische Schriften[2], die erst im 11. Jahrhundert bei dem Versuch der Mönche von Malmédy[3] die Unabhängigkeit ihres Klosters von Stavelot (Stablo) anzustreben, verfasst wurden[4], sowie die noch späteren Abtslisten[5] bringen einen Ailulfus/Agilulfus, der, bevor er Erzbischof[6] von Köln wurde, das Kloster (Stavelot-)Malmédy geleitet haben soll[7]. Aber diese Identifizierung ist unvereinbar mit den Daten des dortigen Abtes Anglinus[8].


[1] Agilolfus, Agilulfus.    
[2] Drei Schriften: die Passio Agilolfi, hg. mit Einleitung von J. Pinius, in: Acta Sanctorum julii II, 1722, S. 714-726, sicherlich in Malmédy zwischen 1060 und 1062 verfasst; die Translatio Malmundarium et Miracula sancti Quirini, in: Acta Sanctorum octobris V, 1786, S. 542-559, nach 1062, wahrscheinlich vor 1071 in Malmedy geschrieben; die Schrift Triumphus s. Remacli de Malmundariensi coenobio, Buch 2, verfasst kurz nach 1071, in: Monumenta Germaniae historica Scriptorum - fortan MGH SS - 11, Hannover 1854, Nachdruck 1963, ed. D. W. Wattenbach, S. 433-461. Ein Einblick in die wichtigsten Arbeiten der Agilolf-Forschung des 20. Jahrhunderts mit Kommentaren bringt Piront Emil, Die "Passio Agilolfi" im Kreuzfeuer der Kritik in: Zwischen Venn und Schneifel 27, 1991, S. 151-154 + 167-171. Sie müssen hier nicht wiederholt werden.
[3] Die Gründung der Doppelabtei Stavelot-Malmedy (Belgien, Provinz Lüttich, Bezirk Verviers) geht auf die Jahre 647-650 zurück. Diese besteht aus zwei einige Kilometer voneinander entfernten Klöstern: Stavelot auf der Amel (französisch: Amblève, ein Nebenfluss zur Ourthe in Ostbelgien), das zur Diözese Tongern-Maastrich-Lüttich gehörte, und Malmédy, auf der Warchenne (Nebenfluss der Warche), das in Kölns Zuständigkeitsbereich fiel. Die Geschichte der zwei Klöster, die in Personalunion von einem Abt geleitet wurden, ist geprägt von dem fast ständigen Zwist um Vorherrschaft oder Unabhängigkeit. Dieser endet erst mit der Auhebung beider Klöster im Jahr 1796.
[4] Aus der Sicht von Malmedy: die Passio Agilolfi, hier S. 722 c. 7 und 8 bezeichnet ohne Rücksicht auf Chronologie und Geschehnisse Bischof Agilolfus von Köln als früherer Mönch von Malmédy; die Translatio s. Quirini,  hier S. 557 c. 38,  will wissen, dass Agilulfus Nachfolger des Abtes Anglinus in Malmédy war, bevor er Erzbischof von Köln wurde. Aus der Sicht von Stavelot wurde das Triumphus s. Remacli verfasst, hier S. 438-439 c. 2:  nebenbei erwähnt die Schrift, dass Ailulfus zunächst Abt von Stavelot war und dann Erzbischof von Köln (dazu Sylv. Balau, Les sources de l'histoire de Liège au Moyen Age. Etude critique, Bruxelles, 1903, S. 217-223). Eine klare Zusammenfassung der Ereignisse bis 1071, die zu diesen Schriften geführt haben, findet der Leser in: Philippe George, A Liège, le 9 mai 1071, le triomphe de saint Remacle (Liège. Autour de l'an mil, la naissance d'une principauté Xe-XIIe siècle", Liège 2000) (online: http://www.europaethesauri.eu/ArtGeorgeRem.htm).
[5] MGH SS XIII, ed. O. Holder-Egger, Hannover 1881, Nachdruck 1963, S. 292-293. Eine Liste verzeichnet Sanctus Ailulfus mit einer Abtszeit von fünf Jahren.
[6] Ein Agilolfus ist Bischof von Köln in den Jahren 747/748, jedenfalls nach dem 31. Oktober 745. Sein Todesjahr ist unbekannt, liegt aber vor 753, da sein Nachfolger Hildiger in diesem Jahr getötet wurde (siehe Artikel "Agilolfus von Köln").
[7] Vgl. Gallia Christiana in provincias ecclesiasticas distributa, t. 3, Paris 1725, Sp. 630-631.
[8] Anglinus ist urkundlich belegt als Abt von Stavelot-Malmédy von 746/747 bis 755. Es ist deswegen zeitlich ausgeschlossen, dass Agilolfus nach Anglinus Abt von den beiden Klöstern war, bevor er die Cathedra von Köln bestieg (siehe dazu die verschiedenen vorgeschlagenen Hypothesen, die aber von Baix François, Etude sur l'abbaye et principauté de Stavelot-Malmédy. I: L'Abbaye Royale et Bénédictine: Des Origines à l'Avènement de S. Poppon, 1021, Paris-Charleroi, 1924, S. 59-61 Anm. 77 verworfen werden). Dagegen wäre es nicht unmöglich, dass ein Agilolfus die Leitung von Stavelot-Malmédy zwischen Anglinus und dem laut Abtslisten des 13. Jahrhunderts folgenden Albricus, von welchem es keine datierbare Ansätze gibt, hatte. Vgl. Gierlich Ernst, Die Grabstätten der rheinischen Bischöfe vor 1200, in: Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 65, Mainz 1990, S. 265-267; Baix F., L'hagiographie à Stavelot-Malmédy, in:.Revue bénédictine 60, Maredsous 1950, 120-162, hier S. 152-162; Levison Wilhelm, Bischof Agilolf von Köln und seine Passio, in: Aus rheinischer und fränkischer Frühzeit. Ausgewählte Aufsätze von Wilhelm Levison, Düsseldorf, 1948, S. 76-95 (= Annales des Historischen Vereins für den Niederrhein 115, 1929, 76-97); Berlière Ursmer, Monasticon belge 2: Province de Liège, Maredsous 1928, Nachdruck 1962, S. 72; Ders., Artikel "Agilolphe ", in: Dictionnaire d'histoire et de géographie historiques, 1, Paris 1912,  Sp. 959-960.

20.06.2015