A U S T R U L F U S

praepositus, dann Abt von Fontenelle (Saint-Wandrille) vermutlich von 748/749 bis 753

Die Gesta sanctorum patrum coenobii Fontanellensis[1] berichten, dass Austrulfus[2], uvir venerabilis, Sohn von Sindulfus und Vuilberta aus dem Courtraisis[3 , zuerst praepositus[4] des Klosters, wird von Abt Wando[5] von Fontenelle[6], der erblindet war, ausgesucht, um ihn mit Einverständnis des princeps Pippin[7] und der Brüder die Leitung der Gemeinschaft zu übergeben[8]
Die Gesta erwähnen[9] eine nach ihnen am 06. Juni 750[10]  in Verberie[11] erstellte Urkunde, mit welcher König Pippin dem Kloster unter Abt Austrulfus Immunität mit Königsschutz verleiht[12].
Der Chronist hebt seine Fähigkeiten als Abt hervor[13]. Er erwähnt die wunderbare Strandung von Reliquien[14] in Portbail[15], u. a. die vom hl. Georg, und ihre Überführung nach Brix[16], wo drei Kirchen gebaut wurden, um sie zu aufzubewahren. Dies geschah zur Zeit des Papstes Zacharias[17] und des princeps Pippin[18]. Schließlich schildert er Austrulfus' Pilgerfahrt [19] nach Rom zur Zeit des Papstes Stephan[20] und sein Tod auf dem Rückweg im Kloster Saint-Maurice d'Agaune[21] am 14. September[22].


[1] Pradié Pascal, Chronique des abbés de Fontenelle (Saint-Wandrille) (Les classiques de l'histoire de France au Moyen Age 40, 1999), S. 114-127 (lat./fr.); Lohier F. et Laporte J., Gesta Sanctorum Patrum Fontanellensis coenobi (Gesta abbatum Fontanellensium), Rouen-Paris 1936, S. 71-78. Die Abfassung dieses Teiles der Gesta könnte am Anfang des 9. Jahrhunderts erfolgt sein (hierzu Becher Matthias, Die Chronologie der Äbte von Saint-Wandrille in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts. Studien zu den Gesta abbatum Fontanellensium, in: Vielfalt der Geschichte. Lernen, Lehren und Erforschen vergangener Zeiten. Festgabe für Ingrid Heidrich zum 65. Geburtstag, hg. von Sabine Happ und Ulrich Nonn, Berlin 2004, 25-47, hier S. 27; Pradié, ebd., S. XXV-XXVIII; Wood Ian, Saint Wandrille and its Hagiography, in: Church and chronicle in the Middle Ages: essays presented to Taylor John, ed. by Wood Ian and Loud G. A., London and Rio Grande 1991, 1-14, hier S. 4-5; Lohier/Laporte, ebd., S. XXXI-XXIII). Die Gesta werden nachfolgend nach Pradié zitiert.
[2] Austrulfus ist einer der drei Mönche von Fontenelle, die sich zu Pippin begeben, um die Absetzung des Abtes Ragenfridus zu erwirken (Pradié, S. 96-99) vielleicht 741/742 (vgl. Becher, wie Anm. 1, S. 43-44). Zum Namen, vgl. Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. I: Personennamen, Bonn 1900, Nachdruck München 1966, Sp. 216.
[3] [...] ortus, territorio Curtriacensi [...]: Gau von Courtrai/Kortrijk auf niederländisch (Belgique, Flandre occidentale, Hauptort eines Arrondissements). Zum pagus, vgl. Vanderkindere Léon, La formation territoriale des principautés belges au Moyen Age, 1, Bruxelles ²1902, S. 280-281)
[4] Zum praepositus, vgl. Niermeyer J. F., Mediae latinitatis lexicon minus. Lexique latin médiéval - français/anglais = a medieval Latin-French/English dictionary, ³1993, Leiden, S. 836 Nr. 3.
[5] Abt von 716 bis 719, dann verbannt ins Kloster St. Servatius von Maastricht; Pippin übergibt ihm wieder die Leitung des Klosters im Jahr 742. Er verzichtet auf sein Amt 748/749 und dürfte am 17. April 756 gestorben sein (vgl. Becher, wie Anm. 1, S. 36, 43-44). Zu Wando, siehe Laporte Jean, Vies des abbés Saint Wandon et Austrulf, in: L'Abbaye S. Wandrille de Fontenelle 9, Saint-Wandrille 1959, S. 3-6.
[6] Das Kloster Fontenelle, später Saint-Wandrille genannt, wurde im 7. Jahrhundert gegründet (Frankreich, Saint-Wandrille-Rançon Département Seine-Maritime in der Normandie, Arrondissement Rouen. Karte: Atlas de la France de l'an mil. Etat de nos connaissances, sous la direction de Michel Parisse avec l'aide technique de Jacqueline Leuridan, Paris 1994, S. 35). In seiner bewegten Geschichte wurde die Abtei mehrmals aufgegeben.
[7] Das Bistum Rouen lag in Karlmanns Reichsteil, der Ende 747 verzichtete (vgl. Schüssler Heinz Joachim, Die fränkische Reichsteilung von Vieux-Poitiers -742- und die Reform der Kirche in den Teilreichen Karlmanns und Pippins. Zu den Grenzen der Wirksamkeit des Bonifatius, in: Francia 13, 1985, 47-112, hier S. 83).
[8] Die Gesta (Pradié, S. 114) bringen dieses Ereignis zum Jahr 747, aber Becher, wie Anm. 1, S. 44-45 hat bewiesen, dass eher an 748 zu denken ist.
[9] Pradié, S. 124.
[10] Das Jahresdatum kann nicht zutreffend sein, da Pippin 750 noch nicht König war; weiter schreiben die Gesta: […] Quo anno … Pippinus a Bonifacio archiepiscopo unctus, rex constituir Francorum […], deshalb 751. Die falsche Jahresangabe geht vermutlich auf die Annales Mettenses priores zurück, die Pippins Herrschaftsantritt in das Jahr 750 setzen (ed. B. von Simson, Monumenta Germaniae historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum [10], Hannover-Leipzig 1905, S. 42; vgl. Becher, ebd., S. 44). Die Urkunde könnte deswegen in das Jahr 752 datiert werden (vgl. Heidrich Ingrid, Titulatur und Urkunden der arnulfingischen Hausmeier, in: Archiv für Diplomatik 11/12, 1965/66, 71-279, hier S. 278 oben; Böhmer Johann Friedrich, Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 715-918, neubearb. von Engelbert Mühlbacher, vollendet von Johann Lechner, Innsbruck ²1908, mit Ergänzungen von Carlrichard Brühl – Hans H. Kaminsky, Hildesheim 1966 - nachfolgend BM² -, Nr. 69 S. 33).  
[11] Vermeria palatio regis: Dépt. Oise, Arr. Senlis, Cant. Pont-Sainte-Maxence.
[12] Die Urkunde des Kaisers Ludwig dem Frommen von 815 zugunsten des Klosters (Migne J.-P., Patrologia Latina, 104, 1851, Sp. 1025-1026 Nr. XXXVI; vgl. BM² Nr. 594 S. 256) bestätigt die Urkunde (verloren) Karls des Großen,  die Immunität und Königsschutz verleiht, erwähnt aber nicht ausdrücklich Pippin.
[13] Pradié, S. 114-117. Vgl. Wood, wie Anm. 1, S. 8.
[14] Pradié, S. 116-122.
[15] Portus Ballii: Portbail oder Port-Bail, Frankreich, Département Manche, Arrondissement Cherbourg-Octeville, Canton Les Pieux. Vgl. Pradié, ebd., S. 217 Anm. 3.
[16] Brutius: Ebd., Cant. Valognes.
[17] Ende 741 – 752.
[18] 741 – 751.
[19] Pradié, S. 124-127. Vielleicht hat Austrulfus diese "Pilgerfahrt" auf Befehl Pippins unternommen, um die königlichen Gesandten zum Papst zu begleiten. Dazu Laporte, wie Anm. 5, S. 6; Ders., L'abbaye au temps de Charlemagne. Witlaïc 753-787, in: L'Abbaye S. Wandrille de Fontenelle 12, Saint-Wandrille 1962, 11-14, hier S. 11.
[20] 752 – 757.
[21] Saint-Maurice ist heute eine politische Gemeinde und Hauptort des gleichnamigen Bezirks im französischsprachigen Teil des Kantons Wallis/Valais in der Schweiz.
[22] Vermutlich im Jahr 753 (vgl. Becher, wie Anm. 1, S. 44-45). Sein Nachfolger wird Witlaicus.

30.07.2016