B E R T E R I C U S

Bischof von Vienne, vielleicht seit 767

Die Zeitangaben der im 9. Jahrhundert verfassten Chronik des Erzbischofs Ado von Vienne[1] über Bertericus stimmen chronologisch nicht überein: Zuerst brint sie die Nachricht, dass Bertericus[2], homo simplex, die Leitung der Kirche von Vienne übernahm[3] und nach ihm Proculus[4], nachdem sie berichtet hat, dass König Pippin über Vienne nach Italien zog[5] und der placitum von Compiègne stattgefunden hatte[6]. Weiter unten im Text schildert sie, dass König Pippin bei seinem siebten aquitanischen Kriegszug über Vienne kam, und bei dieser Gelegenheit den seit Jahren verwaisten Bischofsstuhl[7] Berterico cuidam ex familia ecclesiae übergab[8].


[1] Migne J.-P., Patrologia Latina, 123, 1852, Sp. 23-142. Auszüge in: Monumenta Germaniae historica, Scriptorum - nachfolgend MGH SS - 2,  Hannover 1829, Nachdruck 1963, S. 317-323.
[2] Zu dem Namen, vgl. Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. I: Personennamen, Bonn 1900, Nachdruck München 1966, Sp. 294-295.
[3] [...] Bertericus Viennensem ecclesiam, homo simplex, suscepit regendam [...]. Ado hat scheinbar eine heute verschollene Bischofsliste benutzt, aber seinen chronologischen Zeitbestimmungen sollte man nur mit Vorsicht  folgen (dazu Duchesne L., Fastes épiscopaux de l'ancienne Gaule, I: Provinces du sud-est, 2e éd., Paris, 1907, S. 148-149). Vgl. auch die Chronik des Hugo von Flavigny, MGH SS 8, Hannover 1848, Nachdruck 1963, S. 342, 344, 350; Gallia Christiana in provincias ecclesiasticas distributa 16, Paris 1865, Sp. 38-39. Das "Livre épiscopal" des Erzbischofs von Vienne Leodegarius aus dem 11. Jahrhundert (Duchesne, ebd., S. 179-205, hier S. 200 mit dem Kommentar S. 166-179), das Ados Chronik benutzt, erwähnt das Episkopat des Bertericus nicht, was aber wahrscheinlich auf Unaufmerksamkeit beruht (Duchesne, ebd., S. 169; vgl. das Fragmentum chronici Viennensis des 11. Jahrhunderts, MGH SS 24, Hannover 1879, Nachdruck 1964, S. 818). Die spätere Series archiepiscoporum Viennensium (11. Jahrhundert) kennt weder Wilcharius (siehe unten Anm. 7) noch seinen Nachfolger Bertericus (MGH SS 13, Hannover 1881, Nachdruck 1963, S. 374-375). Der Hagiolog von Vienne im 11. Jahrhundert (Eckhardt Karl August, Studia merovingica, in: Bibliotheca rerum historicarum, Studia 11, Aalen 1975, S. 280 ff., hier S. 293) und der Katalog von 1239 (MGH SS 24, S. 814, der als Bertericus' Todesdatum den 8. Juni angibt, obwohl es wahrscheinlich zu Proculus gehört) vertauschen Bertericus und Proculus aufgrund falscher Privilegien (siehe folgende Anm. ).
[4] Proculus ist nur in den Bischofslisten und hier sicher belegt (siehe Artikel). Um 1060 verfasste falsche Privilegien der Kirche von Vienne bringen Bischöfe in Zusammenhang mit Päpsten: ein Schreiben des Papstes Stefan II. (752-757) ist an Proculus, ein Brief des Papstes Hadrian I. mit dem Datum 01. Januar 775 an Bertericus gerichtet (MGH Epistolarum III: Epistolae Merowingici et Karolini aevi I, Berlin ²1957, ed. Gundlach W., Nr. 15 und 17 S. 94-96). Dazu Duchesne, ebd., S. 162-178; Dictionnaire d'archéologie chrétienne et de liturgie 15, Paris 1953, Sp. 3056-3060 .
[5] [...] Pippinus rex post unctionem apostolicam, in Italiam cum exercitu properat, transitumque per civitatem Viennam faciens [...]: Migne, Sp. 123. Es handelt sich um Pippins Kriegszug gegen den langobardischen König Aistulphus im Jahr 754 (vgl. Tangl Georgine, Die Sendung des ehemaligen Hausmeiers Karlmann in das Frankenreich im Jahre 754 und der Konflikt der Brüder, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 40, 1960, 1-42, hier S. 24).
[6] Migne, Sp. 124. Im Jahr 757: vgl. Hartmann Wilfried, Die Synoden der Karolingerzeit im Frankenreich und in Italien, in: Konziliengeschichte, hg. von Walter Brandmüller, Reihe A: Darstellungen. Paderborn, 1989, S. 76-79; Böhmer Johann Friedrich, Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 715-918, neubearb. von Engelbert Mühlbacher, vollendet von Johann Lechner (Innsbruck ²1908), mit Ergänzungen von Carlrichard Brühl – Hans H. Kaminsky, Hildesheim 1966 - nachfolgend BM² -, Nr. 84a S. 44.
[7] Wilicarius, der letzte Bischof von Vienne, hatte seinen Sitz, vermutlich aufgrund der Kriegzüge des fränkischen Hausmeiers Karl Martell (gest. 741) in Burgund und der Provence, verlassen (siehe den Artikel "Wilcharius, Bischof von Vienne"). 
[8] [...] Septimo itineri in Aquitaniam per Viennam transitum faciens, ubi tunc Viennensiem episcopatum post aliquot annos Berterico cuidam ex familia ecclesiæ edit [...] (Migne, Sp. 125). Nach dem Kontext der Chronik handelt es sich um das Jahr 767, als Pippin Ostern, das dieses Jahr auf den 19. April fiel, in Vienne feierte. Bei dieser Gelegenheit wird er die Vakanz des Bistums Vienne beendet haben (dazu Rouche Michel, L'Aquitaine des Wisigoths aux Arabes 418-781. Naissance d'une région, Paris, 1983, S. 126; Oelsner Ludwig, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter König Pippin, in: Jahrbücher der Deutschen Geschichte, Leipzig 1871, S. 407; BM² 104k S. 53). Vorher hatte Ado über eine Synode, vermutlich Gentilly Anfang 767, berichtet (vgl. Hartmann, wie Anm. 4, S. 81-82; Oelsner, ebd., S. 403-404; BM² 104f S. 53).

05.07.2016