W I L C H A R I U S[1]

Bischof von Vienne, Erzbischof,
belegt vermutlich 762 und auch 765 als Abtbischof von St. Maurice d'Agaune

Wilicarius ist als Nachfolger des Bischofs Austrobertusals Ordinarius von Vienne[2] dokumentiert[3]. Ein späteren Zusatz zur Vita Gregorii III im Liber Pontificalis[4] berichtet, dass dieser Papst[5] Wilcharius in der Stadt Vienne für die Gebiete des Frankenreichs nach Verleihung des Palliums[6] zum Erzbischof eingesetzt habe[7]. Sein Bistum wurde von den Einfällen der Sarazenen schwer getroffen: Er überführt in die Stadt die Reliquien der hl. Ferreolus und Iulanus[8], wo er ihnen eine Kirche erbaute, da die Sarazenen ihre Basilika auf dem rechten Rhôneufer in Brand gesteckt hatten[9]. Als die Franken Vienner Kirchengut für sich abwenden[10] und er seine Kirche auf ungehörige Weise erniedrigt sieht,  verlässt er sein Bistum und tritt in das Kloster Saint-Maurice von Agaune[11] ein[12]. An anderer Stelle[13] ergänzt Ado, dass Wilicarius, nachdem  er seinen Vienner Bischofssitz verlassen habe, zuerst nach Rom gegangen und dort dem Papst Stephan[14] bekannt geworden sei. Nach nicht allzu langer Zeit[15] habe er dann die Leitung des Klosters von Agaune übernommen[16].
Williharius episcopus[17] de monasterio sancti Maurici zählt zu den anwesenden Bischöfen und Äbten, die auf der Synode[18] von Attigny[19], die vermutlich im Jahr 762[20] zusammentrat, einen Gebetsbund unterzeichneten.
Am 08. Oktober 765[21] schenkt Ayroenus ad turmam Valdensis ubi Matulphus monachus turmarius preesse videtur[22] des von Bischof Wilcarius geleiteten Klosters Saint-Maurice d'Agaune eine Länderei[23] in pago Valdense[24] in Torny[25].
Die 1239 niedergeschriebenen Series episcoporum Viennensium[26] wollen wissen, dass Sanctus Vilicarius seu Wilicardus, an einem 14. April gestorben sei[27].
Die Quellenlage zu zwei Erwähnungen eines Williharius sedun(en)sem episcopum/Wilharius episcopus Sedunensem ist unklar und umstritten.
Die im 12. Jahrhundert verfasste Chronik von Lorsch[28] berichtet, dass, als der Metzer Bischof Chrodegangus von Papst Paul I.[29] Leiber von heiligen Märtyrern für die von ihm erbauten Klosterkirchen erbitten ließ, übersandte ihm dieser durch Williharius sedun(en)sem episcopum[30] die Reliquien der Heiligen Nazarius, Nabor und  Gorgonius, die dann am 15. Mai 765 nach Gorze[31] übertragen wurden[32].
Anfang Dezember 771[33], als nach König Karlmanns Tod die Großen seines Reichsteils zu Karl dem Großen nach Corbeny[34] kommen, um ihm umgehend zu huldigen[35], nennt eine überarbeitete Fassung der Reichsannalen[36]Wilharius episcopus Sedunensem[37] an der Spitze dieser Großen. Aber "die Nennung eines Sittener Bischofs Wilchar hat sich … als Irrtum in die Annalenstelle von 771 eingeschlichen" und man wird in ihm den seit 769 erwähnten gleichnamigen archiepiscopus provintiae Galliarum und Bischof von Sens[38] erkennen können[39].
Zudem ist die oft wegen des Namens und der Chronologie vorgeschlagene Gleichsetzung des Bischofs von Vienne und Abt von Saint-Maurice d'Agaune mit diesem[40] eher unwahrscheinlich[41].


[1] Der des Öfteren in den Quellen erwähnte Name (Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. I: Personennamen, Bonn 1900, Nachdruck München 1966, Sp. 1600-1601) erscheint hier in den Varianten Wilicarius, Williharius, Wilcarius, Vilicarius, Villicarius, Wilicardus.
[2] Vienne ist heute eine Unterpräfektur im französischen Département Isère. Das Bistum entstand aus der Römischen Provinz Gallia Viennensis und ist seit dem Ende des 3. Jahrhunderts belegt. Zu seiner bewegten Existenz als Metropolitanbistum bis ins 7. Jahrhundert, vgl. Pangerl Daniel Carlo, Die Metropolitanverfassung des karolingischen Frankenreiches, in: Monumenta Germaniae historica. Schriften 63, Hannover 2011, S. 65-66. Erst Ende des 8. Jahrhunderts wurde der Bischof Metropolit mit vier Suffraganbistümern. 1801 wurde es aufgehoben, sein Gebiet wurde auf die Bistümer Grenoble und Valence aufgeteilt. Siehe Karte der damaligen Diözese bei: Atlas de la France de l'an mil. Etat de nos connaissances, sous la direction de Michel Parisse avec l'aide technique de Jacqueline Leuridan, Paris 1994, S. 83.
[3] Die Bischofslisten bringen die Reihe: […] Eoldus - Bobolinus - Austrobertus - Wilicarius […]. Duchesne L., Fastes épiscopaux de l'ancienne Gaule 1: Provinces du sud-est, Paris ²1907, S. 147-203 hat die verschiedenen Angaben bis zum 11. Jahrhundert, darunter die von der im 9. Jahrhundert verfasste Chronik des Vienner Erzbischofs Ado (Migne J.-P., Patrologia latina, series secunda, 1852, t. 123, col. 23-138, hier c. 120-125; Auszüge in: Monumenta Germaniae historica, Scriptorum - nachfolgend MGH SS - 2, Hannover 1829, hg. von Georg Heinrich Pertz u. a., S. 315–323, hier S. 318-319) und dem Hagiologium Viennense des 11. Jahrhunderts (Eckhardt Karl August, Studia merovingica, in: Bibliotheca rerum historicarum, Studia 11, Aalen 1975, 280-296, hier S. 292-293; vgl. H. Leclercq, in: Dictionnaire d'archéologie chrétienne et de liturgie 15, Paris 1953, Sp. 3058-3059) zusammengestellt (für Villicarius S. 199-200). Siehe auch Babut E.-Ch., Le concile de Turin 417-450, Paris 1904, S. 252-260. Eoldus, hier Aeochaldus, ist bezeugt in der Stiftungsurkunde des Klosters Novalesa in Italien (Piemont, Prov. Turin) vom 30. Januar 726 (Original. Chartae latinae antiquiores. Facsimile-Edition of the latin charters prior to the ninth century, pars XLVII: Addenda, publ. by Tiziano Dorandi and Pierre Gasnault, 1997, Nr. 1463 S. 120-125; Cipolla Carlo, Monumenta Novaliciensia vetustiora, I, in: Fonti per la storia d'Italia. Istituto storico italiano 31, 1898, Nr. 1 S. 3-13). Austrobertus ist urkundlich nicht belegt (cf. Duchesne, ebd., S. 209; F. Baix, Austrebert in: Dictionnaire d'histoire et de géographie ecclésiastiques 5, Paris 1931, Sp. 789-790). Emery Jean, in seiner Liste der Bischöfe von Vienne, übergeht Bobolinus (Helvetia sacra 1/3, Bern 1980, S. 350-351).
[4] Vita Gregorii III, Duchesne, L., Liber Pontificalis 1, in: Bibliothèque des Ecoles françaises d'Athènes et de Rome, 2e série, 3, Paris 1955, S 421, 425 Anm. 35. Vgl. ebd., S. CCXXIII-CCXXV. Dieser Nachtrag wurde vermutlich unter dem Pontifikat Stephans II. (752-757) vorgenommen, vielleicht weil Wilcharius zu dieser Zeit in Rom weilte und dem Autor persönlich bekannt gewesen war (Schilling Beate, Wilchar von Vienne und das Pallium, in: Inquirens subtilia diversa. Dietrich Lohrmann zum 65. Geburtstag, hg. von Horst Kranz und Ludwig Falkenstein, Aachen 2002, 23-36, hier S. 31). Siehe unten Anm. 13.
[5] 731-741.
[6] Zum Pallium, vgl. Pangerl, wie Anm. 2, S. 15.
[7] [...] Qui etiam venerabilem virum Wilcharium partibus Franciae in civitate Vegenna (Vienne) dato pallio archiepiscopum eum esse constituit [...]. Die Gründe zu dieser Einsetzung sind unklar. "War Wilchar von Vienne, vielleicht 732, Bonifatius als zweiter, für das ʽübrigeʾ Frankenreich zuständiger Erzbischof zur Seite gestellt werden? Und konnte auch er die ihm zugedachten Aufgaben nicht wahrnehmen, weil ihm an der Anerkennung Karl Martells fehlte?" (Schilling, wie Anm. 4, S. 23-31). Die fränkischen Quellen kennen diese Pallium-Übertragung an Wilcharius nicht, Bonifatius sicher auch nicht (Lesne E., La hiérarchie épiscopale - Provinces, métropolitains, primats - en Gaule et en Germanie 742-882, in: Mémoires et travaux publiés par des professeurs des Facultés catholiques de Lille 1, Lille-Paris, 1905, S. 60 Anm. 2. Genauso unklar ist die Tatsache, dass Wilcharius später diesen Titel nie tragen wird.
[8] Zu diesen Heiligen, vgl. die Literaturangaben in: Schilling, wie Anm. 4, S. 28 Anm. 26.
[9] Ado (wie Anm. 3) bringt diese Ereignisse nach dem Tod Herzogs Eudo von Aquitanien im Jahr 735 (vgl. Rouche Michel, L'Aquitaine des Wisigoths aux Arabes 418-781. Naissance d'une région, Paris 1983, S. 115) und die Kampagne Karl Martells gegen die  Sarazenen 737 (vgl. Rouche, ebd., S. 116-117; Müller Heribert, Die Kirche von Lyon im Karolingerreich. Studien zur Bischofsliste des 8. und 9. Jahrhunderts, in: Historisches Jahrbuch 107, Freiburg-München 1987, 225-253, hier S. 234-236; Chaume Maurice, Les origines du duché de Bourgogne, première partie: Histoire politique, Dijon 1925, S. 67-68). Da Ados Chronologie aber nicht sehr zuverlässig ist, ist es unklar, ob diese Angabe zeitlich an ihrem Platz steht.
[10] Ado beschuldigt die Franken: […] Idem Wilicarius, cum furioso et insano satis consilio Franci res sacras ecclesiarum ad usus suos retorquerent […], und fügt hinzu, dass die Provinzen Vienne und Lyon einige Jahre ohne Bischöfe geblieben seien: […] Vastata et dissipata Viennensi et Lugdunensi provincia, aliquot annis sine episcopis utraque Ecclesia fuit, laicis sacrilege et barbare res sacras ecclesiarum obtinentibus […] (Migne, PL 123, Sp. 122; MGH SS 2, S. 319). Diese Säkularisierung des Vienner wie auch des Lyoner Kirchenguts dürfen "im Zusammenhang mit dem zweiten Burgundzug Karl Martells stehen, ganz ausschließen läßt sich auch eine Spätdatierung auf 738 nicht" (Chronicarum quae dicuntur Fredegarii continuationes, in: Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts, Darmstadt 1982, c. 18, 20-21 S. 288-290 [lat./dt.]. Dazu Schilling, wie Anm. 4, S. 29).
[11] Saint-Maurice, heute politische Gemeinde und Hauptort des gleichnamigen Bezirks im französischsprachigen Teil des Kantons Wallis/ Canton Valais in der Schweiz, Diözese Sitten/Sion.
[12] [...] videns Viennensem suam indecenter humiliari, relicto episcopatu, in monasterium sanctorum martyrum Agaunensium ingressus, vitam venerabilem duxit [...] (Migne, Sp. 122; SS 2 S. 319).
[13] Ado bringt diese Ereignisse nach Grifos und Papst Zacharias' Tod (753, bzw. 752): [...] Wilicarius, relicta Viennensi sede, Romam primum abiit, ibique papæ Stephano notus efficitur; interjecto non multo tempore Agauni monasterium martyrum in curam suscepit [...] (Migne, Sp. 123; SS 2 S. 319). 
[14] 752-757.
[15] Die Vorgänge, wie sie Ados chronologisch schildert, scheinen aus erster Sicht zeitlich ziemlich verwirrt. Aber sie lassen sich zu einem logischen Werdegang zusammenfügen: Wilicarius verlässt sein Bistum vermutlich Ende der 30er Jahre, zieht sich ins Kloster Saint-Maurice d'Agaune zurück, in dem er als einfacher Mönch zuerst lebt, weilt in Rom, wo er Papst Stephan trifft und wird später Abt seines Klosters.
[16] Der Abtskatalog - vermutlich niedergeschrieben unter der Amtszeit des Abtes Willicarius - in der Chronik des 9. Jahrhunderts des Klosters Saint-Maurice d'Agaune bringt Wilicarius/Willicarius als 29. Abt (Original verloren. Abschriften des 10.-14. Jahrhunderts: Theurillat Jean-Marie, L'abbaye de Saint-Maurice d'Agaune des origines à la réforme canoniale, 515-830 environ, in: Vallesia 9, Sion 1954, 1-128, hier S. 54-56 mit Kritik S. 47-53. Vgl. Anton Hans Hubert, Studien zu den Klosterprivilegien der Päpste im frühen Mittelalter - unter besonderer Berücksichtigung der Privilegierung von St. Maurice d'Agaune, in: Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 4, 1975, S. 39-47; Gilomen-Schenkel Elsanne, Saint-Maurice, in: Helvetia Sacra III/1,1, Bern 1986, S. 315 unter "Jocundinus" Anm. 1). Der Editor der Quelle bewertete diese als glaubwürdig (Theurillat, ebd., S. 47; Zufferey Maurice, Die Abtei Saint-Maurice d'Agaune im Hochmittelalter 830-1258, in: Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 88, 1988, S. 35 mit Anm. 58). Wilicarius' Amtsübernahme kann nicht datiert werden, da es für seine Vorgänger als Abt von St. Maurice keine sicher datierten Belege gibt: […] Ludulfus (bezeugt 715/721) - Ayroindus/Ayronadus - Protadius - Nortbertus dux - Laifinus - Berthelaius (vielleicht 743/751) - Ayrastus - Wilicharius/Willicharius. Vgl. Schilling, wie Anm. 4, S. 28-30; Helvetia Sacra, III/1/1, ebd., S. 317-318; Theurillat, ebd., S. 115.
[17] Aus dieser Bezeichnung wurde des Öfteren gefolgert, dass Williharius auch das Bistum Sion/Sitten, in dem sich sein Kloster befand, geleitet hat (dazu Helvetia Sacra, I/5, Basel 2001, S. 137-138), wie z. B. Pierre Branschen in seinem Katalog der Bischöfe von Sion 1576 verfasst (Santschi Catherine, Le catalogue des évêques de Sion de Pierre Branschen [1576]. Edition critique, in: Vallesia, 22, 1967, 87-134, hier S. 97): Vulcarius episcopus Sedunensis et prius abbas Sancti Mauritii. Vgl. auch. Duchesne, wie Anm. 3, S. 246-247; Theurillat, wie Anm. 15, S. 113 ff. Vielleicht gewährleistete zu dieser Zeit der Abt von Saint-Maurice die kirchliche Betreuung des bischofslosen Gebiet (Gilomen-Schenkel Elsanne, Schweizer Bischöfe und Aebte im frühen Karolingerreich. Der Gebetsbund von Attigny 762, in: Itinera 4, Basel 1986, 24-33, hier S. 28-30; Dies., Die Rolle des Walliser Bistums im karolingischen Reich. Eine Erfindung der Historiographie?, in: Vallesia 40, 1985, 233-245, hier S. 235-245). Eine seit dem 17. Jahrhundert bekannte, danach zeitweise verschollene Grabplatte in Saint-Maurice ist einem Vultcherius Sedunensis episcopus gewidmet (Jörg, Christoph, Die Inschriften des Kantons Wallis bis 1300, in: Scrinium Friburgense, Sonderband 1 = Corpus Inscriptionum Medii Aevi Helvetiae, hg. von Carl Pfaff, Freiburg 1977, S. 115-118 Nr. 41). Dies schien für eine Identität mit Wilcharius zu sprechen, aber diese Inschrift soll eher einen späteren bislang unbekannten Bischof Sittens betreffen (Jörg Christoph, Vultcherius episcopus Sedunensis. Ein vergessener Bischof von Sitten?, in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 71, Freiburg 1977, S. 20-29; Huot François, in Helvetia Sacra, III/1/1, Bern 1986, S. 252 Anm. 12 erwägt, ob diese Inschrift nicht später nach Wilcharius' Tod gefertigt und so der Name entstellt wurde). Möglicherweise kommt Williharius' Titel auch von seinem früheren Amt als Bischof von Vienne (vgl. Frank Hieronymus, Die Klosterbischöfe des Frankenreiches, in: Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinerordens 17, Münster in Westfalen 1932, S. 136-140).
[18] […] synodus conventus […]. Diese Synode wurde von Bischof Chrodegang von Metz zusammengerufen. Original verloren. Codex aus dem 8. Jahrhundert: MGH Legum sectio III. Concilia II/1: Concilia aevi Karolini I/1, recensit Albert Werminghoff, Hannover-Leipzig 1906, S. 72-73. Von diesem Konzil besitzen wir heute nur eine noch im 8. Jahrhundert angefertigte Abschrift des Textes der Gebetsverbrüderung, die zwischen den anwesenden Bischöfen und Äbten mit Namen und Sitz abgeschlossen wurde. Dazu Hartmann Wilfried, Die Synoden der Karolingerzeit im Frankenreich und in Italien. In: Konziliengeschichte, hg. von Walter Brandmüller, Reihe A: Darstellungen, Paderborn 1989, S. 79-81; Carlo de Clercq, La législation religieuse franque de Clovis à Charlemagne (507-814), Louvain-Paris 1936, S. 143; Ewig Eugen, Saint Chrodegang et la réforme de l'église franque, in: Beihefte der Francia 3/2. Spätantikes und Fränkisches Gallien. Gesammelte Schriften 1952-1973, hg. von Atsma Hartmut, 1979, 232-253 (= Saint Chrodegang. Communications présentées au colloque tenu à Metz à l'occasion du XIIe centenaire de sa mort, 1967, 25-53), hier S. 240-242.
[19] Die Königspfalz Attigny war im 8. und 9. Jahrhundert eine der wichtigen Residenzen der Karolinger. Entgegen ihrem Namen stand sie nicht in Attigny am Ufer der Aisne (Frankreich, Département Ardennes, Arrondissement Vouziers, Canton Attigny), sondern in einem höher gelegenen und damit vor Hochwasser geschützten Nachbarort, der heute Sainte-Vaubourg heißt (Wikipedia, Artikel: Königspfalz Attigny, mit Literatur; Remmler Bernd, Spurensuche, die Karolinger: die verschwundenen Paläste Karls des Grossen, Pro Business, 2010, S. 115-140; Barbier Josiane: Palais et fisc à l’époque carolingienne: Attigny, in: Bibliothèque de l’école des chartes 140, 1982, S. 133-162).
[20] Der Gebetsbund ist nicht datiert, aber Oelsner Ludwig, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter König Pippin (Jahrbücher der Deutschen Geschichte), Leipzig 1871, S. 474-477, hat das Jahr 762 als wahrscheinlich dargestellt. Die Schlussfolgerungen von Schmid Karl und Oexle Otto Gerhard, Voraussetzungen und Wirkung des Gebetsbundes von Attigny, in: Francia 2, 1974, 71-122, hier S. 107 Anm. 50 scheinen dieses Datum zu bestätigen. Siehe auch Heidrich Ingrid, Synode und Hoftag in Düren im August 747, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 50, 1994, 415-440, hier S. 440. Isphording Bernd, Prüm. Studien zur Geschichte der Abtei von ihrer Gründung bis zum Tod Kaiser Lothars I. (721-855), in: Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 116, Mainz 2005, S. 100-106 kommt in seinen Überlegungen zum Actum-Ort der Urkunde Pippins vom 10. Juli 762 (Die Urkunden Pippins, Karlmanns und Karls des Grossen, bearb. von Engelbert Mühlbacher u. a., in: MGH Diplomatum Karolinorum 1, Hannover 1906, Neudruck München 1991, Nr. 15 S. 20-21) zum Ergebnis, dass, hält man an der Datierung der Synode von Attigny auf 762 fest, diese in der ersten Julihälfte "recht wahrscheinlich" stattgefunden habe. 
[21] Original verloren. Kopialbuch des 14. Jahrhunderts. Druck: Besson M., La donation d'Ayroenus à Saint-Maurice (mardi 8 octobre 765), in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 11, Stans 1909, S. 294-296.
[22] Einer der fünf Chöre, die sich in der Liturgie des "laus perennis", des nie unterbrochenen Lobgesangs, abwechselten. Dem Namen nach waren es waadtländische (vaudois auf französisch) Mönche, die vermutlich aus Romainmôtier (ehemaliges Kloster auf der heutigen Gemeinde Romainmôtier-Envy, im Distrikt Jura-Nord vaudois des Kantons Waadt/Vaud in der Schweiz) kamen. Es scheint, dass jede turma ihren Besitz selbst verwaltete (Besson, ebd., S. 295 n. 1; Niermeyer Jan Frederik, Mediae Latinitatis lexicon minus. Lexique latin médiéval français/anglais = a medieval Latin-French/English dictionary, Leiden 1993, S. 1048).
[23] colonica.
[24] Waadt/pays de Vaud, Schweiz.
[25] […] in culte (= curte) vel in agro quorum vocabulum est Taurniaco superiore […]: Torny-le-Grand, ehemalige Gemeinde des Bezirks Glâne des Kantons Freiburg in der Schweiz, heute mit der ehemaligen Gemeinde Middes zu Torny fusioniert.
[26] MGH SS 24, Hannover 1879, Nachdruck 1967, 811-816, hier S. 814.
[27] Bischof Alteus, seinem Nachfolger als Abt von Saint-Agaune, ist urkundlich nur einer bayerischen Urkunde vom 16. Juni 804 erwähnt, aus welcher hervorgeht, dass vermutlich derselbe Altheus episcopus um 785/796 in Bayern tätig war (Die Traditionen des Hochstifts Freising, in 2 Bänden, hg. von Bitterauf Theodor, in: Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte NF 4, München 1905, Neudruck Aalen,  1967, S. 187-190; die Anwesenheit von Itheri abbas, sicherlich der Abt von Saint-Martin de Tours, gestorben 796, und von Bischof Arn [von Salzburg seit 785], erlauben die obengenannte Datierung).  Weitere Angaben zu seiner Person bringen Gilomen-Schenkel, Die Rolle, wie Anm. 17, S. 237; Helvetia Sacra, III/I/1, wie Anm. 15, S. 319.
[28] Glöckner, Karl, Codex Laureshamensis, I, in: Arbeiten der historischen Kommission für den Volksstaat Hessen, Darmstadt 1929, Kap. 3 S. 271 (= Minst Karl Josef, Lorscher Codex. Deutsch, Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch, I, Lorsch 1966, S. 52-53).
[29] 757-767.
[30] Sollte man hier Senonensem anstelle Sedun(en)sem lesen (Gilomen-Schenkel, Helvetia Sacra, III/1/1, wie Anm. 15, S. 318; Oelsner Ludwig, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter König Pippin, in: Jahrbücher der Deutschen Geschichte, Leipzig 1871, S. 394-395 Anm. 4), Änderung, die von Glöckner, ebd., S. 271 Anm. a zurückgewiesen wird? Schilling, wie Anm. 4, S. 32 mit Anm. 56, legt sich nicht fest. Semmler Josef, Die Geschichte der Abtei Lorsch von der Gründung bis zum Ende der Salierzeit (764-1125), in: Die Reichsabtei Lorsch. Festschrift zum Gedenken ihrer Stiftung 764, I, Darmstadt 1973, 75-174, hier S. 77 und 141-142 Anm. 47, sieht hier den Bischof von Nomentum (später Bischof von Sens). Die anderen Quellen, die über die Ankunft der Reliquien in Francia und in Gorze berichten, sagen nicht, wer sie gebracht hat (vgl. Anm. 32).
[31] Frankreich, département de la Moselle, arrondissement de Metz-Campagne, canton d'Ars-sur-Moselle. Die Anfänge des Klosters Gorze werden durch zwei Urkunden bestimmt, die im Chartular überliefert sind. Am 20. Mai 748 stattete Bischof Chrodegangus von Metz das von ihm als bischöfliches Eigenkloster gegründete Gorze mit Gütern der Metzer Kirche aus (Nr. 1 S. 1-4. Interpoliert. Da die Urkunde im 6. Herrscherjahr Childerichs datiert ist, muss das vom Herausgeber angegebene Jahr 745 in 748 emendiert werden). Am 18. (oder 23.) Mai 757 verkündete er auf der Synode von Compiègne die Gründung des Klosters. Im Jahr 1572 wurde das Kloster säkularisiert. Zur Geschichte des Klosters, siehe J. Schneider, Artikel "Gorze", in: Dictionnaire d'histoire et de géographie ecclésiastiques 21, Paris 1986, Sp. 811-817).
[32] Annales Laureshamenses, MGH SS I, S. 28; Annales Mosellani, MGH SS XVI, S. 496; Annales Petaviani, MGH SS I, S. 11; vgl. Glöckner, wie Anm. 28, S. 271 Anm. 4. Zu diesen Translationen, vgl. Hotzelt Wilhelm, Translationen von Märtyrerleibern aus Rom ins westliche Frankenreich im achten Jahrhundert, in: Archiv für elsässische Kirchengeschichte 13, Freiburg im Breisgau 1938, 1-52, hier S. 20-35.
[33] Karlmann stirbt am 04. Dezember 771 (Böhmer Johann Friedrich, Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 715-918, neubearb. von Engelbert Mühlbacher, vollendet von Johann Lechner (Innsbruck ²1908), mit Ergänzungen von Carlrichard Brühl – Hans H. Kaminsky, Hildesheim 1966 - nachfolgend BM² -, Nr. 130a S. 60).
[34] Frankreich, Département Aisne, Arrondissement Laon, Canton Craonne.
[35] Vgl. BM² Nr. 142a S. 66.
[36] Die Entstehung dieser Fassung der Annales regni Francorum früher Annales qui dicuntur Einhardi genannt wird in die Jahre 814-817 datiert (MGH Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum [6], Hannover 1895, Neudruck 1950, S. 33. Vgl. Reimitz Helmut, Der Weg zum Königtum in historiographischen Kompendien der Karolingerzeit, in: Matthias Becher und Jörg Jarnut, Hg., Der Dynastiewechsel von 751. Vorgeschichte, Legitimationsstrategien und Erinnerung, Münster 2004,  277-320, hier S. 286-290;  Gilomen-Schenkel, Die Rolle, wie Anm. 17, S. 241-242).
[37] Dagegen nennen die Reichsannalen (MGH, ebd., S. 32; zusammengestellt zwischen 787 und 793) wie die  Annales Mettenses priores (hg. von Bernhard von Simson, MGH SS rer. Germ. [10], Hannover 1905, Nachdruck 2003, S. 57, Anfang des 9. Jahrhunderts) und das Fragmentum Basiliense a. 769-772 (MGH SS XIII, Hannover 1881, Nachdruck 1963, S. 27-28) Wileharius/Willeharius archiepiscopus. Zu den Quellen, die dieses Treffen erwähnen, vgl. BM² 142a S. 166; Kasten Brigitte, Adalhard von Corbie. Die Biographie eines karolingischen Politikers und Klostervorstehers, in: Studia humaniora 3, Düsseldorf 1986, S. 16-17.
[38] Siehe den entsprechenden Artikel.
[39] Es wird sich hier vermutlich bei Sedunensem um eine Verwechslung mit Senonensem  handeln (Gilomen-Schenkel, Die Rolle, wie Anm. 17, S. 241-242; Kasten, wie Anm. 37, S. 16-17, 29 ff.; Lesne, wie Anm. 7, S. 60 Anm. 2; Abel Sigurd, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter Karl dem Großen 1, bearb. von Bernhard Simson, Leipzig 1888, S. 82-83 mit Anm. 1. Weder Chaume, wie Anm. 9, S. 120-121 Anm. 3 noch BM² 142a S. 66 entscheiden sich). Der Erzbischoftitel kann sich eigentlich nur auf den Bischof von Sens beziehen, da der Abt von Agaune immer nur Bischof genannt wird. Aber man sollte nicht vergessen, dass Letzterer auch früher die Erzbischofwürde erlangt hat (oben Anm. 7).
[40] Zahlreiche Abhandlungen haben diese Identität angenommen. Der Leser findet einige Titel in der Liste bei Schilling (wie Anm. 4, S. 33 n. 60). Hinzufügen ist noch der Artikel von Thomas Bauer, Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, t. 13, 1998, Sp. 1169-1172 mit Literaturangaben (http://www.bautz.de/bbkl/w/wilchar.shtml); Hack Achim Thomas, Codex Carolinus. Päpstliche Epistolographie im 8. Jahrhundert, in: Päpste und Papsttum 35/2, Stuttgart 2007, S. 1026 und die Gallia Christiana in provincias ecclesiasticas distributa 16, Paris 1865, Sp. 36-37. Schilling erwähnt Kasten, wie Anm. 37, S. 29, die sich aber in Wirklichkeit nicht äußert.
[41] Das Hauptargument gegen diese Identifikation ist Ado, der in seiner Chronik für den Abt von Agaune mit keinem Wort eine solche Würde erwähnt (oben Anm. 12-13). "Il est fort improbable que le chroniqueur écrivant dans la deuxième moitié du IXe siècle ait oublié de mentionner, à côté de la dignité relativement modeste d'abbé de Saint-Maurice, celle du puissant archevêque de Sens et primat des Gaules, si les deux Wilicarius avaient été une seule et même personne" (Gilomen-Schenkel, HESA III/1/1, wie Anm. 16, S. 318 und 319 Anm. 6; Dies., Die Rolle, wie Anm. 17, S. 240-241). Andererseits scheint die im 12. Jahrhundert verfasste Chronik von Saint-Pierre-le-Vif de Sens dite de Clarius zwischen Wiliarius von Sens und dem Abt von Agaune zu unterscheiden, indem sie berichtet, dass  donnus Wiliarius archiepiscopus  die Gebeine des Hl. Viktor von Agaune nach Sens überführt, und zwar volente abbate ejusdem loci (deshalb nicht Wiliarius) et fratribus (von Agaune) (Bautier, Robert-Henri, Gilles Monique, Bautier Anne-Marie, Chronique de Saint-Pierre-le-Vif de Sens, dite de Clarius. Chronicon Sancti Petri Vivi Senonensis, in: Sources d'histoire médiévale 9, Paris 1979, S. 88-89; vgl. Schilling, ebd., S. 33-34 mit Anm. 62-63).  Im Artikel zu Wilchar von Sens online wird auch eine solche Identifikation als unwahrscheinlich angesehen (http://www.linkfang.de/wiki/Wilchar_von_Sens).  Schilling, in ihrer Abhandlung zugunsten der Personengleichheit, erwähnt Ado nur nebenbei, ohne auf sein Schweigen einzugehen, und interpretiert den Satz in der Chronik von Saint-Pierre-le-Vif  für ihre These. Vgl. die allgemeine Bemerkung von Gilomen-Schenkel (Die Rolle, S. 238-239), "wie selbstverständlich in der Vorstellung von Historikern Namensgleichheit auch Personengleichheit bedeutet". 

14.05.2016