G R I M O

belegt als Abt von Corbie im Jahr 739,
war es möglicherweise schon vor 716

Als Rom von den Langobarden und ihrem König Liutprandus belagert war, sendete Papst Gregor III. im Laufe des Jahres 739 eine erste Gesandtschaft[1] zu Karl Martell, um die Franken aufzurufen, Rom von seinen Belagern zu befreien[2]. Da der Hausmeier die Beibehaltung der Allianz mit den Langobarden vorzog[3], war Karls Antwort die Entsendung[4] des Abtes[5] von Corbie[6] Grimo[7] und des Sigobertus, einem Klausner[8] des Klosters Saint-Denis, ohne sich weiter zu verpflichten.
Im 16. Jahrhundert will ein Chronist von Corbie[9] wissen, dass Grimo von den Königen Childebert III.[10] und Dagobert II.[11] eine Bestätigungsurkunde der Immunität seines Klosters erhielt.
Die älteren Abtslisten von Corbie[12] sehen Grimo als Nachfolger von Sebastianus[13] und an einem 9. Oktober sterben[14].
Es ist oft angenommen worden, dass aufgrund einer Stelle in einem Brief des Papstes Zacharias[15] Grimo personengleich sein soll[16] mit dem 744 erwähnten Erzbischof Grimo von Rouen[17].


[1] Dieses erste Schreiben ist verloren.
[2] Chronicarum quae dicuntur Fredegarii Continuationes, c. 22 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe IVa. Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts, neu übertragen von Herbert Haupt, Darmstadt, 1982, 272-325 [lat./dt.], S. 292-293; Chronicarum quae dicuntur Fredegarii scholastici libri IV. Continuationes, ed. Bruno Krusch (MGH rer. Mer., II, 1888, 168-193), S. 178-179; französische Übersetzung des c. 22: Close Florence, De l'alliance franco-lombarde à l'alliance franco-pontificale. Sur la mention de l'appel de Grégoire III (739) dans l'historiographie carolingienne (Francia 37, 2010, 1-24), S. 13; Annales Mettenses priores, ed. Bernhard von Simson, MGH SS rer. Germ. [10], 1905, ND 2003, S. 30-31 (zum Jahr 741); französische Übersetzung: Close, S. 14; Codex Carolinus Nr. 1 und 2, datierbar zu 739/740: MGH Epist. III, ed. Wilhelm Gundlach, Berlin, 1957, S. 476-479; französische Übersetzung vom Codex Carolinus 2: Brunterc'h Jean-Pierre, Le Moyen Age (Ve-XIe siècle) (Archives de la France 1), 1984, S. 190-195; Liber pontificalis I, éd. L. Duchesne [Bibliothèque des Ecoles françaises d'Athènes et de Rome], Paris, 1955, S. 420, 424-425 Anm. 34; Gesta sanctorum patrum coenobii Fontanellensis c. 8.2, Chronique des abbés de Fontenelle (Saint-Wandrille), texte établi, traduit et commenté par Pradié Pascal (Les classiques de l'histoire de France au Moyen Age 40), Paris, 1999, lat./fr., S. 100-101; Riché Pierre et Tate Georges, Textes et documents d'histoire du Moyen Age Ve-Xe siècles, 1 (Regards sur l'histoire), Paris, 1972, S. 243-247 (lat./fr.). Vgl. BM² 41d S. 19.
[3] Zu diesen Ereignissen, vgl. Close, wie Anm. 2, S. 1-24; Jarnut Jörg, Die Adoption Pippins durch König Liutprand und die Italienpolitik Karl Martells (Beihefte der Francia 37. Karl Martell in seiner Zeit, hg. von J. Jarnut, U. Nonn und M. Richter, unter Mitarbeit von M. Becher und W. Reinsch, 1994, 217-226), S. 221-225; Brunterc'h, wie Anm. 2, S. 188-190.
[4] Die karolingischen erzählenden Quellen geben uns die Namen der zwei Gesandten: Bischof Anastasius und der Priester Sergius bringen Karl Martell die Schlüssel zum Grabe des heiligen Apostels Petrus.
[5] Es ist möglich, dass bei dieser Gelegenheit Grimo aus Rom Handschriften in seine Heimat mitgebracht hat; diese haben dann zu der großen Aktivität des Corbier Scriptorium, manchmal als "vorkarolingische Renaissance" bezeichnet, beigetragen. Dazu Mordek Hubert, Kirchenrecht und Reform im Frankenreich. Die Collection Vetus Gallica, die älteste systematische Kanonessammlung des fränkischen Gallien, in: Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 1, 1975, S. 86-94 und Anm. 122; Ganz David, Corbie in the Carolingian Renaissance, in: Beihefte der Francia 20, 1990, S. 20; Laporte Jean, Grimo, abbé de Corbie et premier archevêque de Rouen (Corbie. Abbaye royale. Volume du XIIIe centenaire, Lille, 1963, 47-60), S. 50-53.
[6] Frankreich, département de la Somme, arrondissement d'Amiens, chef-lieu de canton. Das mächtige Kloster hatte zu dieser Zeit große kulturelle Bedeutung. 1792 wurde die Abtei aufgehoben.
[7] Laporte, wie Anm. 5, S. 48, ist der Meinung, dass Grimo einen königlichen Namen trage und deswegen ein naher Verwandter des 714 verstorbenen Pippins sein könne (dazu auch Settipani Christian, avec la collaboration de Patrick Van Kerrebrouck, La préhistoire des Capétiens (481-987), Première partie: Mérovingiens, Carolingiens et Robertiens [Nouvelle histoire généalogique de l'auguste maison de France], Villeneuve d'Ascq, 1993, S. 153. Ein Grimo ist 741 als Abt von Saint-Trond (Belgien, Prov. Limburg) belegt (Gysseling M. & Koch, A.C.F., Diplomata Belgica ante annum millesimum centesimum scripta. I: Teksten [Bouwstoffen en Studien voor de Geschiedenis en de Lexicografie van het Nederlands 1], 1950, Nr. 212 S. 360-361). Siehe auch unten Anm. 18.
[8] Zu den Klausern in dieser Zeit, s. Laporte, wie Anm.5, S. 54.
[9] Die Könige Childebert III. und Dagobert II. (zu verbessern in Dagobert III.) sollen dem Abt (Grimo, Vorgänger von Leodegarius) die Immunität bestätigt haben (Chronicon Corbeiense, verfasst von Antoine de Caulaincourt, officialis von Corbie, um 1530: Bibliothèque nationale de France, manuscrit latin 17757, ff. 1-123, hier fol. 6v°, Autograf. Siehe dazu Levillain Léon, Examen critique des chartes mérovingiennes et carolingiennes de l'abbaye de Corbie, in: Mémoires et documents publiés par la Société de l'Ecole des Chartes 5, 1902, S. IX-XII, 73-74. Zum Chronisten, s. Denoël Charlotte, Antoine de Caulaincourt (1482-1536/1540?), official de l'abbaye Saint-Pierre de Corbie, historien et possesseur de livres, in: Scriptorium 64/1, Bruxelles, 2010, 81-94.
[10] Childebert III herrschte von 694 bis 711. Verlorene Urkunde: Die Urkunden der Merowinger, nach Vorarbeiten von Carlrichard Brühl †, hg. v. Theo Kölzer unter Mitwirkung v. Martina Hartmann und Andrea Steildorf, in: MGH Diplomata regum Francorum e stirpe Merovingica, II, Hannover, 2001, Deperditum Nr. 342 S. 640; Levillain, wie Anm.9, Nr. 13 S. 234. Diese Urkunde hat es mit Sicherheit gegeben, da sie in denen von Pippin und Karl dem Großen, welche die früheren Immunitätsurkunden bestätigen, erwähnt ist (Levillain, Nr. 16 und 18 S. 237-242). Aber nannte sie Grimo? Levillain, S. 73, ist dieser Meinung, da er schätzte, dass Caulaincourt die Urkunde oder eine Abschrift einsehen konnte (s. Anm. 9).
[11] Dagobert III (711-715). Verlorene Urkunde, s. MGH DD Mer., wie Anm. 10, Dep. 361 S. 647; Levillain, Nr. 14 S. 234-235. Hier auch wie Anm. 10.
[12] Die ältesten wurden im 12. Jahrhundert verfasst (Levillain, wie Anm. 9, S. 317-319; Guérard Benjamin, Polyptyque de l'abbé Irminon ou Dénombrement des manses, des serfs et des revenus de l'abbaye de Saint-Germain-des-Prés sous le règne de Charlemagne, 2: Polyptychum Irminonis abbatis sive Liber censualis antiquus monasterii Sancti Germani Pratensis, Paris, 1844, S. 338-339; Gallia Christiana 10, Paris, 1751, Sp. 1265 ff.).
[13] Eine Urkunde des Königs Childerich II. vom 29. April 716 zugunsten Corbie, in einer Abschrift des 9. Jahrhunderts, erwähnt den venerabilis Sebastianus abba (MGH DD Mer., I, Nr. 171 S. 424-426; Levillain, wie Anm. 9, Nr. 15 S. 235-327). Die narratio bezieht sich auf einen relegiosus et venerabilis abba, der aber merkwürdigerweise nicht genannt ist. Weiter unten wurde die Angabe des Abtes Sebastianus von derselben Hand später vielleicht auf Radierung eingetragen. Da wir das Original nicht besitzen und angesichts der auffallenden Unschlüssigkeit des Kopisten, ist es nicht möglich, mit Sicherheit behaupten zu können, dass wirklich der Name Sebastianus auf dem Original stand. Eine logische Erklärung wäre, dass der Urkundenschreiber erstaunt war, hier diesen Namen anzutreffen, da er wusste, dass Grimo das Kloster vor diesem Datum (s. Anm. 10 und 11) und auch später geleitet hatte, und sich vergewissern wollte, dass hier der richtige Name stand. Es muss dann angenommen werden, dass Grimo infolge der Ereignisse, die dem Tod Pippins im Jahr 714 folgten, sein Kloster an Sebastianus verloren hat (siehe Anm. 7); später, nach dem Tod des Sebastianus, den die Gallia Christiana, wie Anm. 12, Sp. 1266 ins Jahr 723 aufgrund eines vetus chronicon setzen, hat er dann die Leitung des Klosters wiedererhalten (dazu Laporte, wie Anm. 5, S. 48-49; Ganz, wie Anm. 5, S. 19-20; Pycke J., Artikel "Grimo" in: Dictionnaire d'histoire et de géographie ecclésiastiques 22, Paris, 1988, Sp. 276-278; Semmler Josef, Zur pippinidisch-karolingischen Sukzessionskrise 714-723 [Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 33, 1977, 1-36], S. 17 Anm. 117 zeigt sich skeptisch). Die älteren Abtslisten von Corbie (wie Anm. 12), bringen die Folge: ... Erenbertus, Sebastianus, Grimo, Leodegarius ... . Der Abt Ermbertus ist nur in einer Fälschung des 9. Jahrhunderts ohne echte Grundlage zusammen mit König Theuderich III. (675-691) erwähnt (MGH DD Mer., I, Nr. 113 S. 289-292).
[14] Levillain, wie Anm. 9, S. 319. Die Amtszeit seines Nachfolgers Leodegarius kann nicht genau zwischen 739 und 769 datiert werden.
[15] MGH Epist. sel. I, ed. Michael Tangl, Nr. 57 S. 103: Zacharias erwähnt in seinem Brief, dass er schon Grimos Bekanntschaft gemacht habe (...id est Grimone [Erzbischof von Rouen], quem nos iam compertum habemus, .), was sich auf Grimos Gesandtschaft nach Rom als Abt von Corbie beziehen könnte. Dazu Tangl Michael, Studien zur Neuausgabe der Briefe des hl. Bonifatius und Lullus (Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte 12 [Das Mittelalter in Quellen und Diplomatik 1], Graz, 1966, 60-177 [= Neues Archiv der Gesellschaft für ältere Geschichtskunde 40, 1916], S. 170 n. 361; Laporte, wie Anm. 5, S. 23-24, 54; Mordek, wie Anm. 5, S. 93-94 und Anm. 139; Pycke, wie Anm. 13, Sp. 276-278).
[16] Semmler, wie Anm. 13, S. 17-18 Anm. 117 äußert Vorbehalte zu dieser Personengleichsetzung: Er bezieht sich auf die Gesta sanctorum patrum Fontanellensis coenobii (wie Anm. 2, c. 8 S. 96-97 und 100-101), welche den Erzbischof von Rouen und den Abt von Corbie erwähnen, als ob es zwei verschiedene Personen wären. Zu Raginfridus, Bischof von Rouen und Abt von Fontenelle, sagt der Chronist: Erat namque ignarus litterarum, sicuti praedecessores sui Grimo (für die Kirche von Rouen) et Vuido (für das Kloster Fontenelle). Die Gesandten, die Karl Martell nach Rom schickte, nennt er aber: ...uirosque religiosos, Grimonem scilicet Corbiensis monasterii patrem et Sigibertum reclausum basilicae sancti Dionisii martyris, ... Außerdem wäre der Vergleich des Grimos, im Fall einer Personengleichheit mit dem Erzbischof von Rouen, mit Wido, der kein gutes Bild von sich hinterlassen hatte, überraschend, wenn man weiß, dass das scriptorium von Corbie zu dieser Zeit sehr aktiv war (Antoine de Caulaincourt, Chronicon Corbeiense, fol. 6v°, wie Anm. 9, betont das Wissen des Corbier Abtes Grimo). Die Gallia Christiana, in ihren Artikeln über Grimo von Corbie und Grimo von Rouen (Band 10 Sp. 1266 und Band 11 Sp. 18), weiß nichts von einer solchen Personengleichheit.
[17] Grimo, Erzbischof von Rouen, ist 744 bezeugt (MGH Epist. sel. I, Nr. 57 S. 102-105 und Nr. 58 S. 105-108).

21.03.2011, 24.02.2013