H A R T H A M U S

Abt von Mettlach (zur Zeit des Königs Pippin),
Trierer Bischof

Nach einem in der Pfalz Thionville[1] abgehaltenen Königsgericht stellte Karl der Große ein Diplom über das Gerichtsurteil aus[2]: In der nur kopial überlieferten und undatierten[3] verdorbenen Urkunde beurkundet der König, dass die Kirche von Trier das Kloster Mettlach[4] gegen die Söhne des Lantbertus[5] vor ihm erstritten habe. Die narratio des Diploms berichtet, dass Karl (Martell)[6], wie auch später Pippin[7], Milo[8] und nach Milos Ableben Bischof Harthamus[9] damit belehnt habe[10]. Erst daran anschließend berichtet die Urkunde, wie das Kloster an Trier kam: Bischof Leodonius (von Trier), Vater von Milo und Wido, habe es dem Besitz der Kirche von Trier durch seine Urkunden übertragen[11]; Milo, welcher Nachfolger seines Vaters Bischof Leodonius wurde und zu dieser Zeit das episcopium[12] von Trier regierte[13], habe in dieses Kloster Äbte aus ebenjener Stadt geschickt[14], und zwar Ebreo[15], danach Bischof Ratbertus[16] und nach diesem Harthamus[17], der nach Milos Ableben mit dem Lehen von König Pippin investiert wurde. Weiter heißt es, Lantbertus[18] habe sich mit Gewalt zur Zeit König Pippins[19] dieses Kloster angeeignet und dadurch den Bischof Harthamus völlig seines Besitzes beraubt[20].
Danach ist von Harthamus nichts mehr bekannt.


[1] [...] Cum nos in dei nomine Theodonevilla palatio nostro una cum optimatibus et fidelibus nostris ad universorum causas audiendas vel recta iudicia terminanda resederemus [...]. Thionville, Frankreich, Département Moselle, chef-lieu d'arrondissement. Deutsch: Diedenhofen. Königspfalz.
[2] Original verloren. Früheste Überlieferung in den im 14. Jahrhundert entstandenen Trierer Balduineen (zu den Handschriften, s. Mötsch Johannes, Die Balduineen. Aufbau, Entstehung und Inhalt der Urkundensammlung des Erzbischofs Balduin von Trier, in: Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz 33, Koblenz 1980, 3-64 mit Stemma der Herstellungsstufen S. 57, S. 91 Nr. 6). Drucke in Auswahl: Die Urkunden Pippins, Karlmanns und Karls des Grossen, bearb. von Engelbert Mühlbacher u. a., in: Monumenta Germaniae historica - fortan MGH -, Diplomatum Karolinorum 1, Hannover 1906, Neudruck München 1991, Nr. 148 S. 200-202; Waitz G., Über das Herkommen des Markgrafen Wido von Spoleto, in: Forschungen zur deutschen Geschichte 3, 1863, Neudruck 1968, 149-154, hier S. 151-153; Beyer Heinrich, Urkundenbuch der jetzt die Preussischen Regierungsbezirke Coblenz und Trier bildenden mittelrheinischen Territorien, Coblenz 1860, Neudruck Aalen 1974, Nr. 27 S. 32-33; Schneider Olaf, Erzbischof Hinkmar und die Folgen. Der vierhundertjährige Weg historischer Erinnerungsbilder von Reims nach Trier, in: Millennium-Studien 22, Berlin/New York 2010, S. 225-228 mit deutscher Übersetzung; Raach Theo, Kloster Mettlach/Saar und sein Grundbesitz, in: Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 19, 1974, S. 12-18 auch mit dt. Übersetzung.
[3] Es fehlen die Corroboratio sowie das Eschatokoll und damit Datum und Actum. Die Anwesenheit der bischöflichen Zeugen - Trierer Suffragane Angalramnus (von Metz), Petrus (von Verdun) und Borno (von Toul) erlaubt eine mögliche Datierung der Urkunde. Petrus ist in Verdun Nachfolger des noch 775 urkundlich genannten Bischofs Madalveus, Angalramnus starb 791. Während der Jahre 776/791 ist ein Aufenthalt Karls des Großen in Thionville nur im Winter 782/783 nachweisbar. Hierzu spricht einiges für das Jahr 782. Zu diesem Datum, vgl. Schneider, wie Anm. 2, S. 231 Anm. 407 Ende; Stoclet Alain, Autour de Fulrad de Saint-Denis (v. 710-784), in: Ecole Pratique des Hautes Etudes. Sciences historiques et philologiques 5. Hautes Etudes médiévales et modernes 72, Genève-Paris 1993, S. 130 Anm. 1.
[4] Saarland, Lkr. Merzig-Wadern in der Diözese Trier. Zu den Äbten von Mettlach in dieser Zeit, s. Raach, wie Anm. 2, S. 18 Anm. 76, 78.
[5] Siehe weiter unten.
[6] Die Urkunden der Arnulfinger, hg. von Heidrich Ingrid, MGH Diplomata maiorum domus regiae e stirpe Arnulforum, Hannover 2011, Deperditum Nr. 68 S. 98-99.
[7] Heidrich, ebd., Dep. Nr. 91 S. 108.
[8] Milo ist bezeugt von 723 bis 751. Sein Todesjahr ist nicht bekannt und wird um 758/762 gesetzt (s. Artikel Milo).
[9] Dieser Name ist für diese Zeit sonst nicht belegt (Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. I: Personennamen, Bonn 1900, Nachdruck München 1966, Sp. 754). Das Lemma ham kommt nur und noch dazu selten in der Erstsilbe der damaligen germanischen Personennamen vor. Deshalb behauptet Wagner Heinrich, dass "mit einiger Sicherheit … es sich  … bei dem angeblichen Harthamus um einen verlesenen Hartharius" handelt (Bonifatiusstudien, in: Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 60, Würzburg, 2003, S. 153-154). Jedoch muss bemerkt werden, dass der Name Harthamus nicht weniger als viermal im Text der Urkunde vorkommt. Beyer (wie Anm. 2), S. 32 liest zweimal Hartbanius. Diese Namensform erinnert an den Priester Ardobanius, der in einem päpstlichen Schreiben an Bonifatius vom 05. Januar 747 erwähnt ist (MGH Epistolae selectae 1: Die Briefe des heiligen Bonifatius und Lullus, hg. von Tangl Michael, 1916 Berlin, Nachdruck München 1989, Nr. 77 S. 159-161; vgl. Artikel "Ardobanius").  
[10] Wie gelangte Mettlach in die Hand des Hausmeiers? Laut den bisherigen Interpretationsversuchen hat es Karl Martell offensichtlich säkularisiert (vgl. Schneider, wie Anm. 2, S. 228-232; Stoclet, wie Anm. 3, S. 131 Anm. 1; Gauthier Nancy, L'évangélisation des pays de la Moselle, Paris, 1980, S. 366; Raach, wie Anm. 2, S. 15-16). Aber neuerlich hat Schneider (ebd., S. 232-247) versucht, unter Annahme von nachträglichen Konstruktionen und Interpolation in dem Text der Urkunde die Widersprüche zu erklären, indem er annimmt, dass das Kloster kontinuierlich in karolingischem Besitz war. Vgl. nächste Anmerkung.
[11] Zu dem umfangreichen Material das zu Bischof Liutwin von Trier, dessen Trierer Episkopat die Forschung ab 697/8 mit Basinus gemeinsam, dann alleinig (706) und dessen Ende zwischen 715 und 722/3 markiert, vorliegt, vgl. Schneider, ebd., passim., der bezweifelt, ob Liutwin Mettlach gegründet hat.     
[12] Episcopium, ein Begriff, der im 8. Jahrhundert im Karolingerreich kaum gebraucht wird, könnte hier laut Schneider (ebd., S. 236-237) als die Gesamtheit der Gebäude, in der die Geistlichen einer Kathedrale leben" oder Bischofssitz bzw. die Verwaltungs- und Wirtschaftsgebäude eines Bischofs oder die Geistlichen einer Kathedrale, zu interpretieren sein. Vgl. die Literaturangaben von Schneider, S. 236 Anm. 413.
[13] [...] Milo, ... eo tempore epicopio sancti Petri Treverice urbis regebat [...]. Es wird also absichtlich vermieden, ihn Bischof zu nennen. Diese Formulierung bedeutet sicherlich, dass Milo das episcopium/episcopatus verwaltete und nicht regulärer Bischof von Trier war. Laut einem päpstlichen Schreiben an Bonifatius vom 04. November 751 ist Milo in den Augen des Papstes (und Bonifatius) kein Bischof, er gibt noch nicht einmal seine Funktion an (MGH Epist. sel. I, wie Anm. 9, S. 194-201).
[14] […] abbates in ipso monasterio de ipsa civitate misisset, id est Ebreo et post Ebreo Ratbertum episcopum et post Ratbertum Harthamus […]. Die kirchenrechtliche Stellung Milos erforderte sicher für die religiösen Aufgaben eine entsprechend geweihte Person, ein Zustand, der das Vorkommen der Bischöfe Ratbertus, Harthamus und wahrscheinlich auch Ebreo erklärt. Dazu Raach, wie Anm. 2, S. 17-18; Ewig Eugen, Milo et eiusmodi similes, in: Beihefte der Francia, 3/2, 1979 [Ewig Eugen, Spätantikes und Fränkisches Gallien. Gesammelte Schriften, 1952-1973, hg. von Atsma Hartmut, 2. Band = Sankt Bonifatius. Gedenkgabe zum zwölfhundertsten Todestag, Fulda, 1953], S. 197; Gottlob Theodor, Der abendländische Chorepiskopat, in: Kanonistische Studien und Texte 1, 1928, Neudruck 1963, S. 76 und Anm. 4; Duchesne Léon, Fastes épiscopaux de l'ancienne Gaule, t. 3: Les provinces du Nord et de l'Est, Paris, 1915, S. 39-40 und Anm. 9). Schneider, ebd., S. 239 sieht in den Ratbertus und Harthamus amtierende Trierer Bischöfe, die später nicht in der Bischofsliste aufgenommen wurden (S. 302).
[15] Ebreo ist sonst nicht bekannt.
[16] Über diesen Bischof Ratbertus können nur Vermutungen angestellt werden. In der schlechten Überlieferung der Bischofsliste der Urkunde von Mai 757 (MGH Legum sectio III. Concilia II/1: Concilia aevi Karolini I/1, recensit Albert Werminghoff, Hannover-Leipzig, 1906, S. 59-63) unterschreibt ein Bischof Sadebertus. Sollte der Kopist das Initial-r zu einem -s- verlesen haben, so könnte sich hier um Bischof Ratbertus aus der Stadt Trier handeln (Wagner, wie Anm. 8, S. 154. Aber sein Identifizierungsvorschlag - S. 155 - mit dem sicherlich alemannischen Bischof Rapertus (Kocher Ambros, Solothurner Urkundenbuch, erster Band 762-1245, in: Quellen zur solothurnischen Geschichte, Solothurn, 1952, Nr. 2 S. 3-7) ist wahrscheinlich nicht möglich, da Ratbertus Trierer gewesen sein soll).
[17] Nach dem Text der narratio war Harthamus noch nicht Bischof, als er die Leitung des Klosters Mettlach erhielt. Er muss es aber später geworden sein (oben Anm. 9).
[18] Zu Lantbertus, vgl. Schneider, ebd., passim; Stoclet, wie Anm. 1, S. 132-133 Anm. 7.
[19] 751-768.
[20] [...] ut Lambertus genitor eorum per forcia potestate Pippini regis mal ordine ipsum monasterium invasisset et Harthamum episcopum exinde expoliasset [...]. Dieser Vorgang scheint ohne rechtliche Folgen seitens Pippin geblieben zu sein. Vgl. eine mögliche Erklärung von Schneider (ebd., S. 243-245).

08.06.2009, überarbeitet 29.06.2015