C H L O D I O

missus Pippins (vermutlich 751)

Auf Bitten des Abtes Fulradus[1] von St. Denis stellt der inluster vir Hausmeier Pippin dem Kloster[2] eine Bestätigungsurkunde[3] aus über alle Güter, die St. Denis im Laufe der Zeit entrissen und entfremdet worden waren und deren Zugehörigkeit zur Abtei aufgrund der vorgelegten Urkunden nach Urteil der Großen, des Pfalzgrafen und übrigen Gesetzesgelehrten[4] sowie von Pippins missi Vuichingus[5] und Chlodio[6] festgestellt worden ist. Diese Güter in 48 Orten, die namentlich aufgeführt werden und in den pagis Famars, Brabant, Brie, Mulcien, Beauvais, Chambliois, Vexin, Madrie, Talou, Vimeu et Amiens[7] liegen, werden St. Denis durch Gerichtsbeschluss zuerkannt. Mit der Güterbestätigung verbindet Pippin eine Gebetsbitte.


[1] Fulradus ist als Abt von St. Denis erstmals am 17. August 750 urkundlich genannt (Die Urkunden der Arnulfinger, hg. von Heidrich Ingrid, in: Monumenta Germaniae historica –fortab MGH-, Diplomata maiorum domus regiae e stirpe Arnulforum, Hannover, 2011, Nr. 21 S. 45-48). Er folgt Amalbertus, der nur einmal, am 11. Februar 748, belegt ist (Die Urkunden, ebd., Nr.18 S. 41-42). Manchmal wird angegeben, Amalbertus' Todestag sei, laut Nekrolog von Saint-Denis, der 06. Juni 749. Diese Behauptung ist nicht verifizierbar, da die angegebene Quelle, wenn überhaupt angeführt, diesen Eintrag nicht enthält. Félibien Michel, Histoire de l'abbaye royale de Saint-Denys en France, Paris, 1706, S.41 kannte ihn nicht.
[2] Frankreich, département Seine-Saint-Denis, chef-lieu d'arrondissement. Die Basilika war Grabstätte merowingischer Könige, sowie von Karl Martell und seinem Sohn Pippin. Von da an ist die Geschichte dieser Gedächtnisstätte untrennbar mit der Geschichte der französischen Könige verbunden, besonders ab Ende des 10. Jahrhunderts. Das Kloster wurde 1790 aufgehoben. Heute ist die Basilika Kathedralkirche der Diözese Saint-Denis.
[3] Original. Chartae latinae antiquiores –fortab ChLA-. Facsimile-Edition of the latin charters prior to the ninth century, ed. Albert Bruckner † and Robert Marichal Jahrhunderts, XV: France III, publ. by Hartmut Atsma, Jean Vezin, Dietikon-Zurich, 1986, Nr. 595 S. 3-7. Drucke in Auswahl: Die Urkunden der Arnulfinger, wie Anm. 1, Nr. 23 S. 50-53; Brunterc'h Jean-Pierre, Le Moyen Age (Ve-XIe siècle), in: Archives de la France 1, 1984, p. 198-200 (mit französischer Übersetzung S. 200-203); Diplomata regum Francorum e stirpe Merovingica. Diplomata maiorum domus regiae. Diplomata spuria, hg. von Karl A. F. Pertz, in: MGH Diplomatum Imperii I, Hannover, 1872, Neudruck Stuttgart, 1981, Nr. 23 S. 108-109. Vgl. Sonzogni Daniel, Le chartrier de l'abbaye de Saint-Denis en France au haut Moyen Age. Essai de reconstitution, in: Pecia 3, Saint-Denis, 2003, Nr. 87a S. 107; Böhmer Johann Friedrich, Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 715-918, neubearb. von Engelbert Mühlbacher, vollendet von Johann Lechner (Innsbruck ²1908), mit Ergänzungen von Carlrichard Brühl – Hans H. Kaminsky, Hildesheim 1966 Nr. 60 S. 31; Tessier Georges, Diplomatique royale française, Paris, 1962, S. 73 und Anm. 2. Von dieser Urkunde ist eine etwa zeitgenössische Abschrift von anderer Hand im Original erhalten: ChLA, wie oben, Nr. 596 S. 8-11. Vgl. Sonzogni Daniel, wie oben, Nr. 87b S. 107-108. Den zwei Exemplaren fehlen Datum und Kanzleiunterfertigung. Für die zeitliche Einordnung ist als Terminus ante quem die Absetzung des merowingischen Königs Childerich III., die laut Weidemann Margarete, Zur Chronologie der Merowinger im 7. und 8. Jahrhundert, in: Francia 25/1, 1998, 177-230, hier S. 209-213, 230, zwischen dem 23. September und 22. Oktober 751 stattgefunden habe. Andererseits glaubt Semmler Josef, Der Dynastiewechsel von 751 und die fränkischen Königssalbung, in: Studia humaniora. Series minor 6, Düsseldorf, 2003, S. 4-5, 58, dass Pippin möglicherweise an Weihnachten 751 zum König erhoben wurde. Die Gebetsbitte am Ende der Urkunde nennt mehrere Söhne, und, wenn sie nicht formelhaft ist, müsste die Urkunde in das Jahr 751 einzuordnen sein, da Pippins Sohn Karlmann in diesem Jahr geboren ist (Werner Karl Ferdinand, Das Geburtsdatum Karls des Großen, in: Francia 1, 1973, 115-157, hier S. 136-153; Ders., La date  de naissance de Charlemagne, in: Structures politiques du monde franc VIe-XIIe siècles. Etudes sur les origines de la France et de l'Allemagne. Variorum reprints, London, 1979, 116-142 = Bulletin de la Société nationale des Antiquaires de France 1972, hier S.127-138). Stoclet  Alain J., Evindicatio et petitio. Le recouvrement de biens monastiques en Neustrie sous les premiers Carolingiens. L'exemple de Saint-Denis, in: Beihefte der Francia 16/2. La Neustrie. Les pays au nord de la Loire ..., 2, 1989, 125-149, hier S. 128-129 Anm. 22 ist der Meinung, dass die Urkunde vor dem 20. Juni 751 ausgestellt wurde. Als Terminus a quo kann nur der Beginn Fulrads Abtszeit (11.02.748/17.08.750 und nicht wie im Allgemeinen 749/750) aufgeführt werden. Pippins Urkunde diente als Vorlage für die Bestätigung durch Karl d. Gr. am 26. Juni 775 (ChLA, wie Anm. 3, Nr. 618 S. 106 ff.).
[4] Zu den legis doctores, siehe Brunterc'h, wie Anm. 3, S. 203 Anm. 10.
[5] Zu diesem nicht geläufigen Namen, siehe Artikel "Vuichingus, Pippins missus".
[6] Chlodio ist ein ziemlich verbreiteter Name (vgl. Menke Hubertus, Dans Namengut der frühen karolingischen Königsurkunden, in: Beiträge zur Namenforschung, NF, Beiheft 19, Heidelberg, 1980, S. 144 unter "Ludione"; Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. I: Personennamen, Bonn 1900, Neudruck München 1966, Sp. 849; Morlet Marie-Thérèse, Les noms de personne sur le territoire de l'ancienne Gaule du VIe au XIIe siècle. I: Les noms issus du germanique continental et les créations gallo-germaniques, Paris, 1968, S. 134).
[7] in pago Fanmartense,  in pago Bragobanto,  in pago Briego,  in pago Melciano, in pago Belloacense, in pago Camliacense, in pago Velcasino, in pago Madriacense, in pago Tellao, in pago Vimnao, in pago  Ambianense. Karten bei: Stoclet, wie Anm. 3, S. 135, 136, 141. Zur Literatur der genannten Orten und ihrer Identifikation, siehe Stoclet, ebd., S. 140-149; Heidrich, Die Urkunden, wie Anm. 1, S. 51-52 und Ortsnamenregister; Brunterc'h, wie Anm. 3, Anmerkungen S. 203-204.

12.06.2013