H R U N Z O L F U S[1]

praefectus, bezeugt 744 (?) und 753 (?)

Die Verfälschung[2] der Grenzbeschreibung des vom Hausmeier Karlmann dem Bonifatius zwecks Gründung des Klosters Fulda übertragenen Gebietes[3] trägt das signum dreier[4] prefecti[5], davon Runtulfi [6] als Letzten. Das angebliche Original[7], das auf den Namen König Pippins in Attigny durch den Notar Baddilo im Juni 753[8] ausgestellt sein soll[9], bestätigt dem Erzbischof und päpstlichen Legaten Bonifatius das Exemtionsprivileg des Papstes Zacharias[10] für das Kloster Fulda. In der vermutlich echten[11] Zeugenreihe finden sich nach den geistlichen Zeugen vier genannte Große mit dem Titel praefecti [12], darunter Hrunzolfi [13].   


[1] Runzolfus, Runtulfus.
[2] Stengel Edmund E., Urkundenbuch des Klosters Fulda, I (Veröffentlichungen der historischen Kommission für Hessen und Waldeck, X, 1) - nachfolgend FUB -, Marburg, 1958, Nr. 6† S. 7-11 mit dem Datum 12. März 747. Die Verfälschung ist vermutlich in zwei Stufen entstanden (s. Wagner Heinrich, Bonifatiusstudien [Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg, 60], Würzburg, 2003, S. 166-172).
[3] Wagner (ebd.) ist der Meinung, dass die echte Grenzbeschreibung am 12. März 744 ausgestellt wurde und dass die Zeugenreihe echt ist.
[4] Throandus, Liutfridus, Runtulfus.
[5] Die ungewöhnliche Bezeichnung praefectus statt comes begegnet zu dieser Zeit sonst nicht im urkundlichen, aber manchmal im erzählenden und brieflichen Bereich im Umkreis des Bonifatius (J. F. Niermeyer, Mediae Latinitatis Lexicon minus, Leiden-New York-Köln, 1993, S. 831 Nr. 6; Gockel Michael, Zur Verwandtschaft der Äbtissin Emhilt von Milz, in: Mitteldeutsche Forschungen, 74/II [= Festschrift für Walter Schlesinger, II], hg. Helmut Beumann, Köln-Wien, 1974, S. 55 Anm. 223). Die Vita Sturmi des Eigil (c. 12, Engelbert Pius, Die Vita Sturmi des Eigil von Fulda. Literarkritisch-historische Untersuchung und Edition [Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck, 29], Marburg, 1968, S. 143, auch S. 87-89) berichtet, dass nicht mit Namen genannte nuntii des Hausmeiers die viri nobiles, qui in regione Graffelt commorassent zur freiwilligen Übertragung ihrer Güter und Rechte innerhalb der zukünftigen Klostermark an das zu gründende Kloster zu veranlassen und die Vestition vorzunehmen hatten. Es könnte sich ohne Weiteres um die drei prefecti handeln, wovon einer vielleicht sogar für das Grabfeld - der größte ostfränkische Gau, s. Niemeyer Wilhelm, Der Pagus des frühen Mittelalters in Hessen (Schriften des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde, 30), Marburg, 1968, S. 130-132 - zuständig war.
[6] Aus dem Vergleich der Zeugenlisten von FUB 6† und FUB 20 (s. unten) ist es wahrscheinlich, dass Runtulfus und Hrunzolfus dieselbe Person bezeichnen (Gockel, w. Anm. 5, S. 54 Anm. und 55 Anm. 222; Wagner, w. Anm. 2, S. 166, 267; Edmund E. Stengel [Fuldensia, in: Archiv für Urkundenforschung, 5], Leipzig, 1914, 41-152 und in: Veröffentlichungen der historischen Kommission für Hessen und Waldeck, 26: Abhandlungen und Untersuchungen zur hessischen Geschichte, Marburg, 1960, S. 43).
[7] FUB 20 S. 39-43, 517-518; MGH DK I, Nr. 32 S. 44-45. Faksimile bei Stengel 1960, wie Anm. 6, Tafel 7 (nach S. 80). S. Stengel 1914, wie Anm. 6, S. 150-151 und S. 103-141; BM² 72 S. 34-35.
[8] Ohne Tag.
[9] Als Entstehungszeit dieser Fälschung wird die Mitte des 9. Jahrhunderts angenommen. Für die Zeugenreihe diente dem Fälscher wahrscheinlich eine Fuldaer Privaturkunde aus der Mitte des 8. Jahrhunderts (dazu Gockel, wie Anm. 5, S. 53-57 und Anm. 218, 221-224; Wagner, wie Anm. 2, S. 173).
[10] FUB 15-16 S. 25-32, 515-516; Stengel 1914, wie Anm. 6, S. 86-102.
[11] S. Wagner, w. Anm. 2, S. 173-177.
[12] Throandi, Liutfridi, Hrunzolfi, Hroggonis.
[13] Dieser seltene Name wird unter die Lemmata hrund/wulf geordnet (Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. 1: Personennamen, 2. Auflage, Bonn, 1900, ND Hildesheim, 1966, Sp. 920; MGH Libri memoriales et Necrologia, NS I, Das Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau, hg. von Johanne Authenrieth, Dieter Geuenich und Karl Schmid, Hannover, 1979, Lemmatisiertes Personennamen Register, S. 112). Vorgeschlagen wurde, diesen Hrunzolfus/Runtulfus mit dem Grafen Ruoncolfus zu identifizieren, von dem in einer Fälschung - ohne echte Vorlage - auf den Namen Karls des Großen ausgestellte Urkunde berichtet wird (Wagner Heinrich, Zur Neustädter Privilegienfrage, in: Archiv für Diplomatik, 46, 2000, Köln, S. 149-150; MGH DK I, Nr. 283 S. 423-424), er hätte dem Kloster Neustadt (Bayern, Unterfranken, Lkr. Rhön-Grabfeld) Güter geschenkt. Ein Hrunzolf/Branzolf ist zum 22. Juli 788 in den Fuldaer Totenannalen eingetragen (Edition der fuldischen Gedenküberlieferung, in: Münstersche Mittelalter-Schriften, 8/1. Die Klostergemeinschaft von Fulda im früheren Mittelalter, 1: Grundlegung und Edition der fuldischen Gedenküberlieferung, München, 1978, S. 274; MGH SS XIII p. 168), ein Heymolf (korrupte Form von Hruncolf?) cv. n. cgs. im Nekrolog von Neustadt aus dem 17. Jahrhundert auch am 22. Juli (Volk Paulus, Das Necrologium der Benediktiner-Abtei Neustadt am Main, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter, 6, [1938], Würzburg, 1939, S. 32). Die oft vorgebrachte Hypothese einer Gleichsetzung des Hrunzolfus/Runtulfus mit dem vir magnificus Rantulfus (= rand/wulf), einem der Adressaten des Briefes des Papstes Zacharias von vermutlich 748 (MGH Epist. sel. I, Nr. 83 S. 184-187), ist nicht auszuschließen, da das Schreiben nur in einer einzigen Abschrift überliefert ist (s. die oben genannte Literatur; dazu die Münstersche Mittelalter-Schriften, 8/3. Die Klostergemeinschaft von Fulda im früheren Mittelalter, 3: Vergleichendes Gesamtverzeichnis der fuldischen Personennamen, München, 1978, S. 425; hier den Artikel Rantulfus).

04.08.2009