U N I B E R T U S

Graf von Bourges, bezeugt in den Jahren 761-762 und 768,
wahrscheinlich im Jahr 778

König Pippin und der aquitanische Herzog Waifarius führten von 760 bis 768 lange Kampfhandlungen[1]. Im Jahr 761[2], trotz seiner im Vorjahr abgelegten Eide, schickte der Herzog sein Heer mit den Grafen Unibertus[3] von Bourges[4] und Bladinus[5] von der Auvergne nach Burgund: Das ganze Land um Autun wird in Schutt und Asche gelegt, die Vorstädte von Chalon verwüstet und das Staatsgut Mailly[6]  niedergebrannt. Die Aquitanier konnten ohne Widerstand mit großer Beute nach Hause zurückkehren[7]. Im folgenden Jahr[8] belagerte Pippin die Stadt Bourges und eroberte sie. Als Graf Unibertus einen Treueid abglegt hatte, nahm er ihn mit sich[9]. Pippin ließ die  Mauern der Stadt wiederherstellen und seine comites zur Bewachung in Bourges zurück.
Als Waifarius' Onkel Remistanius, der sich auf Pippins Seite geschlagen und ihm Treue geschworen hatte[10] und draufhin mit der Verteidigung der Hälfte des Gaues Berry[11] bis zum Fluss Cher beauftragt wurde[12], seinen Eid brach und sich wieder Waifarius' Herrschaft unterwarf[13], schickte Pippin Anfang 768[14] Hermenaldo[15], Beringario, Childerado[16] et Uniberto comite Bitorivo[17] mit den anderen Grafen und Gefolgsleuten heimlich aus, um Remistanius zu ergreifen. Nachdem es ihnen gelungen war, diesen gefangen zu nehmen, wurde er vor den König gebracht und auf Pippins Befehl von Uniberto et Gislario comite[18] in Bourges[19] am Galgen aufgehängt.
Kaiser Ludwigs des Frommen Biograf genannt Astronomus berichtet, dass, auf dem Rückzug seiner unglücklichen spanischen Kampagne im Jahr 778[20], Karl der Große seinem jungen Sohn Ludwig[21] das Königreich (Aquitanien) übergab, in welchem er sich die Mithilfe der Bischöfe sicherte und Grafen, Äbte und Vasallen, ex gente Francorum[22] einsetzte. In Bourges [23] ernannte er Graf Umbertus[24].


[1] Zum Anfang und zu den Gründen Pippins Feldzügen gegen den aquitanischen Herzog, siehe Rouche Michel, L'Aquitaine des Wisigoths aux Arabes 418-781. Naissance d'une région, Paris, 1983, S. 122-123 und Oelsner Ludwig, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter König Pippin (Jahrbücher der Deutschen Geschichte), Leipzig, 1871, S. 338-343.
[2] Haupt Herbert, Chronicarum quae dicuntur Fredegarii continuationes c. 42, in: Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, IVa, Darmstadt, 1982, S. 273-325, hier S. 310-311 (lat./dt.); Chronicarum quae dicuntur Fredegarii scholastici libri IV. Continuationes, ed. Bruno Krusch, MGH Scriptores rerum Merovingicarum 2, 1888, 168-193, hier S. 187. Der Chronist gibt an: Evoluto anno, id est anno decimo regni ipsius…; Annales Mettenses priores ad a. 761, in: Monumenta Germaniae historica Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi [10], hg. von Bernhard von Simson, 1905, Neudruck Hannover 2003, S. 51;  Annales regni Francorum ad a. 761, ebd. [6], hg. von Friedrich Kurze, 1895,  Neudruck 1950, S. 18-21. Vgl. Böhmer Johann Friedrich, Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 715-918, neubearb. von Engelbert Mühlbacher, vollendet von Johann Lechner (Innsbruck ²1908), mit Ergänzungen von Carlrichard Brühl – Hans H. Kaminsky, Hildesheim 1966 - fort an BM² -, Nr. 92i S. 47 mit den anderen Quellen.
[3] Graf Unibertus wird sich später Pippin anschließen (siehe unten).
[4] Frankreich, Hauptstadt des Départements Cher.
[5] Bladinus war von  Waifar im Vorjahr zu Pippin gesandt worden.
[6] Meltiacum villa publica: Département Saône-et-Loire, arrondissement Charolles, canton Semur-en-Brionnais.
[7] Fred. cont. c. 42, S. 310-311.
[8] […] sequente anno, id est anno 11. regni ipsius […] (Fred. cont. c. 43 S. 310-313; vgl. Annales regni Francorum ad a. 762 S. 20; Annales Petaviani, MGH SS I ad a. 762 S. 11; BM² 93c-f  S. 48).
[9] Ob Pippin schon damals Unibertus in seinem Amt als Graf von Bourges beließ oder später wieder einsetzte, ist ungewiss. Sicher ist, dass Pippin ihn ernannte (s. weiter unten). Die Miracula s. Genulfi (Ex miraculis Genulfi, ed. O. Holder-Egger, in: MGH Scriptorum 15/2, 1888, 1204-1213, hier c. 6 S. 1206) erzählen, dass der Gründer des Klosters St. Genulf de l'Estrée (heute Saint-Genou, dépt. Indre), Graf Wifredus von Bourges, ex illa nobilium scara Francorum, die von Pippin während seiner Kämpfe gegen Waifarius in Bourges eingesetzte, abstammte (dazu Settipani Christian, Les origines des comtes de Nevers: nouveaux documents, in: Onomastique et Parenté dans l'Occident médiéval, ed. K. S. B. Keats-Rohan et C. Settipani [Prosopographica et Genealogica 3], Oxford 2000, S. 105-106 und hypothetische Stammtafel S. 109).
[10] Fred. cont. c. 45 S. 314-315.
[11] Besteht heute im Wesentlichen aus den Départements Cher (dem Haut-Berry) und Indre (dem Bas-Berry). Hauptstadt des Berry ist Bourges.
[12] Ebd. c. 46 S. 314-315 mit Karte bei Rouche, wie Anm. 1, S. 125.
[13] Ebd.c. 50 S. 318-319.
[14] Ebd. c. 51 S. 320-321; Ann.  regni Fr. ad a. 768, S. 256-27. Siehe Rouche, wie Anm. 1, S. 126; Oelsner, wie Anm. 1, S. 411; BM² 104 t S. 53-54.
[15] Wegen der Nähe wird Hermenaldus mit dem in den Gesta episcoporum Autisiodorensium genannten Graf Ermenoldis von Auxerre personengleich sein (MGH SS XIII, S. 395-396).
[16] Weiter im c. 51 wird von suprascripti comites, qui ad Remistagnum capiendum missi fuerant, …gesprochen.
[17] Unibertus, Graf des Berry, ist vermutlich identisch mit dem Graf Umbertus, der von Karl d. Gr. in Bourges eingesetzt wurde, als der König laut Astronomus in Aquitanien im Jahr 778 Grafen ernannte (siehe unten).
[18] War Gislarius der Befehlshaber der scara, die Pippin im Jahr 766 in Bourges einsetzte ([…] in Bituricas Francorum scaram conlocavit […]: Ann. regni Franc., S. 24), als er vielleicht gleichzeitig Remistanius mit der Verteigung des Gausüdens beauftragte?
[19] […] Quem statim rex Uniberto et Gislario comite Betoricas civitate ipso Remistagnum in patibulo eum suspendi iussit […]. Wie Haupt in seiner Übersetzung des Textes (S. 321) und Oelsner, wie Anm. 1, S. 411 ist auch Heidrich Ingrid, Bonn, der Meinung, dass die Hinrichtung in Bourges stattfand (freundliche Mitteilungen vom 2. Juli und 12. September 2003). Dagegen setzt sie Rouche, wie Anm. 1, S. 126 nach Saintes.
[20] Zu diesem Feldzug, siehe Rouche, ebd., S. 129-130 mit Anmerkungen 128-132 S. 527-528; Aebischer Paul, L'expédition de Charlemagne en Espagne jusqu'à la bataille de Roncevaux, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte / Revue Suisse d'histoire 7, 1957, 28-43, hier S. 28-43.
[21] Zum Vorhaben des Königs seinen Sohn als Unterkönig in Aquitanien einzusetzen, stehen uns nur für die im Jahr 778 erfolgten Maßnahmen die unklaren Angaben des Astronomus zur Verfügung. Dazu Wolff Philippe, L'Aquitaine et ses marges, in: Karl der Grosse. Lebenswerk und Nachleben. I: Persönlichkeit und Geschichte, hg. von Helmut Beumann, Düsseldorf, 1965, 269-306, hier S. 273-274, 287-288; Rouche, wie Anm. 2, S. 130-131 und Anmerkungen S. 528-529; BM² 215a, 235b, S. 91 und 98; Abel Sigurd, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter Karl dem Großen, I, 2. Auflage bearb. von Bernhard Simson, Leipzig, 1888, S. 309-311.
[22] Die übliche Auslegung dieses Satzes, welche die Wendung ex gente Francorum auf Grafen, Äbte und Vasallen bezieht, wurde von Poly Jean-Pierre et Bournazel Eric, La mutation féodale Xe-XIIe siècles, in: Nouvelle Clio. L'histoire et ses problèmes 16, Paris 1980, S. 112, 319 und Lauranson-Rosaz Christian, L'Auvergne et ses marges, Velay, Gévaudan du VIIIe au XIe siècle. La fin du monde antique?, in: Les Cahiers de la Haute-Loire, Le Puy-en-Velay 1987, S. 44-45 in Frage gestellt; ihrer Meinung nach betrifft sie nur die Vasallen.
[23] […] Biturige civitati primo Umbertum, paulo post Sturbium praefecit comitem […]: Astronomus, Vita Hludowici Imperatoris,MGH SS rer. Germ. LXIV, hg. und übersetzt von Ernst Tremp, S. 290-291 [lat./dt.]. Dieser Text wurde kurz nach dem Tode Kaiser Ludwigs am 20 Juni 840 verfasst, siehe dazu die Einleitung der Ausgabe). Adrevald von Fleury, Miracula s. Benedicti c. 18, MGH SS XV/1, S. 486, setzt die Ernennung des Sturminius (= Sturbius) in die Zeit nach dem Aufstand von Karls Sohn Pippin 792 (Astronomus, S. 291 Anm. 50), aber seine Chronologie ist zweifelhaft. Dieser Graf wird wohl kurz nach 778 Humberts Nachfolge angetreten haben.
[24] Vermutlich hat hier Karl der Gr. nur den unter König Pippin genannten Grafen von Bourges Unibertus in seinem Amt bestätigt (Kasten Brigitte, Laikale Mittelgewalten: Beobachtungen zur Herrschaftspraxis der Karolinger, in: Franz-Reiner Erkens [Hg.], Karl der Große und das Erbe der Kulturen, Berlin 2001, 54-66, hier S. 60-62).

04.11.2011, überarbeitet 24.02.2015