W I D O

einer der Großen König Pippins, bezeugt im Jahr 759

In Compiègne[1], am 30. Oktober 759[2], beurkundet König Pippin, dass auf die von Aderulfus et Rodegarius agentes Sancti Dionisio[3] und Follerado[4] abbate vor sein Gericht in der Pfalz Compiègne am 23. Oktober vorgebrachte Klage, Graf Gerardus[5] erhebe widerrechtlich in Paris während der Dionysiusmesse die seit König Dagoberts Urkunde[6] dem Kloster zustehenden Zölle infra Parisius[7] ausgehend vom Fest des Heiligen[8]. Während einer zweiten Verhandlung am 29. Oktober[9] erklärte dann Graf Gerardus, sich dem Rechtsbeweis und der Sentenz des königlichen Gerichts[10], bei welchem Uuido[11] als erster Beisitzer fungiert, zu fügen.


[1] Frankreich, Stadt im Département Oise. "Ursprung der modernen Stadt war die Pfalz Compiègne, die zwischen dem sechsten und elften Jahrhundert einer der wichtigsten Aufenthaltsorte der merowingischen, karolingischen und schließlich auch kapetingischen Könige des westfränkischen Frankenreichs war" (Remmler Bernd, Spurensuche: Die Karolinger. Die verschwundenen Paläste Karls des Großen, Berlin 2010, S. 141).   
[2] Original. Chartae latinae antiquiores. Facsimile-Edition of the latin charters prior to the ninth century, ed. by Albert Bruckner (†) and Robert Marichal, Part XV: France III, publ. by Hartmut Atsma + Jean Vezin, Dietikon-Zürich 1986, Nr. 600 S. 26-29. Andere Drucke in Auswahl: Riché Pierre et Tate Georges, Textes et documents d'histoire du Moyen Age Ve-Xe siècles, 1 (Regards sur l'histoire), Paris 1972, S. 256-258 (lat./fr.); Die Urkunden Pippins, Karlmanns und Karls des Grossen, bearb. von Engelbert Mühlbacher u. a., in: Monumenta Germaniae historica, Diplomatum Karolinorum 1, Hannover 1906, Neudruck München 1991 – fortan MGH DD Karol. 1-,  Nr. 12 S. 17-18. Vgl. Sonzogni Le chartrier de l'abbaye de Saint-Denis en France au haut Moyen Age. Essai de reconstitution, in: Pecia. Resources en médiévistique 3, Saint-Denis 2003, Nr. 98 S. 114-115; Böhmer Johann Friedrich, Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 715-918, neubearb. von Engelbert Mühlbacher, vollendet von Johann Lechner (Innsbruck ²1908), mit Ergänzungen von Carlrichard Brühl – Hans H. Kaminsky, Hildesheim 1966, Nr. 89 p. 45; Oelsner Ludwig, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter König Pippin (Jahrbücher der Deutschen Geschichte), Leipzig 1871, S. 325-327.
[3] Abtei St. Denis bei Paris. Die Stadt befindet sich heute im Département Seine Saint-Denis (vgl. Karte: Atlas de la France de l'an mil. Etat de nos connaissances, sous la dir. de Parisse Michel avec l'aide technique de Leuridan Jacqueline, 1994, S. 43). Das Kloster Saint-Denis konnte sich, bedingt durch die günstige Lage in dem fruchtbaren Pariser Becken und an der alten Handelsstraße von Paris nach Rouen, seit seiner Gründung rasch entwickeln.
[4] Fulradus, Abt von St. Denis von 748/750 bis 784. Sein Vorgänger, Abt Amalbertus, der nur kurz dieses Amt bekleidet haben muss, ist nur durch eine Urkunde vom 11. Februar 748 belegt (Die Urkunden der Arnulfinger, hg. von Heidrich Ingrid, in: MGH Diplomata maiorum domus regiae e stirpe Arnulforum, Hannover 2011, Nr. 18 S. 41-42). Ihm folgt dann Fulradus, der erstmals am 17. August 750 urkundlich genannt ist (ebd., Nr. 21 S. 45-48).
[5] Gerardus, urkundlich belegt als Graf von Paris von 753 bis 775 (oder 779).
[6] Verlorene Urkunde des Königs Dagobert I (629-639): Die Urkunden der Merowinger, MGH Diplomata regum Francorum e stirpe Merovingica, nach Vorarbeiten von Carlrichard Brühl hg. von Theo Kölzer unter Mitwirkung von Martina Hartmann und Andrea Steildorf, II, Hannover, 2001, Deperditum Nr. 181.
[7] Innerhalb von Paris und im Pariser Gau.
[8] Der 9. Oktober. Dazu Levillain Léon, Etudes mérovingiennes. La charte de Clotilde (10 mars 673), in: Bibliothèque de l'Ecole des chartes 105, 1944, 5-63, hier S. 46).
[9] […] Denique venientes iam dicti missi et aduocati sancti Dionisii, Adrulfus et Rotgarius ad condictum placitum […].
[10] […] Tunc illis iudicatum fuit a Uuidone, Raulcone, Milone, Helmgaudo, Rothardo, Gislehario vel reliquis quam plures seu et Uuicberto comite palatii nostro, ut pars sancti Dionisii vel supradicti advocati hoc comprobare debuissent […]. Es ist die erste Erwähnung dieses Namens in Pippins Gerichtsurkunden und dann gleich an erster Stelle. Wido wird wohl der Führungsschicht angehören. Ob er mit den (dem) zwischen 706 und 723 erwähnten Wido in Verbindung gebracht werden kann, ist chronologisch zweifelhaft (dazu Joch Waltraud Joch Waltraud, Legitimität und Integration. Untersuchungen zu den Anfängen Karl Martells, in: Historische Studien 456, Husum, 1999, S. 55-57).
[11] Der Name ist wohl charakteristisch für die Sippe der Widoniden (Literatur bei Stoclet Alain, Autour de Fulrad de Saint-Denis v. 710-784, in: Ecole pratique des hautes Etudes. Sciences historiques et philologique 5. Hautes études médiévales et modernes 72, Genève-Paris 1993, S. 113-114 Anm. 1), kommt aber im 8. Jahrhundert ziemlich oft vor (Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. 1. Band: Personennamen, Bonn, 1900, Neudruck München 1966, Sp. 1563; Stoclet, ebd., S. 116). Es ist deshalb nicht möglich, allein aufgrund des Namens diesen Wido mit einiger Sicherheit dieser Sippe zuzurechnen (Stoclet, ebd., S. 113-123). Ein Wido, der dem Abt Fulradus von Saint-Denis unbestimmte Zeit vor 768 verschiedene Güter im Elsass schenkt (MGH DD Karol. 1, Nr. 27 S. 37-38 vom 23. September 768), ist wohl ein Anderer. 

25.08.2012, überarbeitet 01.05.2015