W I G B E R T U S[1]
presbiter im Kloster Fritzlar (732/747)
Die Datierung eines Briefes[2] des Bonifatius an die carissimis filiis Tatuuino et Uuigberto presbiteris[3], Bernhardo et Hiedde, Hunfrido et Stirme[4] in dem er die Verhältnisse in einem nicht genannten Kloster[5] nach dem Tod des pater noster Uuigbertus[6] ordnet, ist nicht gesichert[7]. In ihm erhalten Uuigbertus presbiter[8] et Megingotus[9] diaconus wichtige Aufgaben, wie unter anderem die Regel zu lehren und die Kinder zu unterrichten; wenn nötig soll Abt Tatuuinus[10] gefragt und seinen Anweisungen Folge geleistet werden.Der überwiegende Teil der Zeugnisse, die zwei wenigstens teilweise gleichzeitig lebende Mönche namens Wigbertus betreffen, sind nicht mit Sicherheit auf den einen oder auf den anderen zu beziehen. Um sich ein umfassendes Bild machen zu können, ist es also erforderlich, die hier dargelegten Dokumente mit denen des magister Wigbertus zu verbinden.
[1]
Wicbertus, Wyigbertus.
[2] Tangl, MGH Epist. sel. I Nr. 40 S.
64-65; Briefe des Bonifatius. Willibalds Leben des Bonifatius, nebst einigen
zeitgenössischen Dokumenten. Unter Benützung der Übersetzungen von M. Tangl
und Ph. H. Külb, neu bearb. von Rau Reinhold (Ausgewählte Quellen zur deutschen
Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, IVb), Darmstadt,
1968, Nr. 40 S. 118-121 (lat./dt.).
[3] Dieses Schreiben beweist das Zusammenleben
zweier Mönche dieses Namens in derselben Brüdergemeinschaft, eben dieser lebende
Wigbertus presbiter und der im Brief als verstorben genannte pater
noster Wigbertus. Von dem Letzteren stehen kaum gesicherte Zeugnisse zur
Verfügung. Später wird ein Wigbert als Heiliger verehrt; der Kern der
Tradition betrifft einen Angelsachsenmönch, der unter Bonifatius wirkte (siehe
unten Anm. 6).
[4] Die Identifizierung dieses Stirme
mit dem zukünftigen Abt Sturmi von Fulda ist nur möglich, wenn
dieser Brief vor 744 geschrieben wurde (siehe Schmid Karl, Die Frage nach
den Anfängen der Mönchsgemeinschaft in Fulda. In: Münstersche Mittelalter-Schriften,
8/1. Die Klostergemeinschaft von Fulda im früheren Mittelalter, 1: Grundlegung
und Edition der Fuldischen Gedenküberlieferung, München, 1, 1978, S. 115).
[5] Bonifatius erwähnt in diesem Schreiben
keine bestimmte Brüdergemeinschaft und kennzeichnet seine Getreuen nicht näher.
Die Forschung hat im Allgemeinen, heute noch, den Inhalt des Briefes auf das
Kloster Fitzlar bezogen (z. B. Tangl, MGH Epist. sel. I S. 64; Wand Norbert,
Die Büraburg bei Fritzlar. Burg – Oppidum – Bischofssitz in karolingischer
Zeit [Kasseler Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte, 4], Marburg, 1974, S.
56); diese Annahme beruht aber auf Aussagen anderer Quellen (vgl. Schmid,
wie Anm. 4, S. 119-120). Nimmt man an, dass der pater noster Uuigbertus
in den Jahren bald nach 732 gestorben ist (siehe unten Anm. 6 und 7),
so könnte der Brief die Lage, die möglicherweise im werdenden Kloster Fritzlar
aufgetreten ist, kennzeichnen (Schmid, S. 119-127).
[6] In Anbetracht der Existenz zweier
Wigbertus, die unter Bonifatius der gleichen Mönchsgemeinschaft angehörten,
vielleicht beide Angelsachsen waren, deren Funktion und Rang ähnlich wenn
nicht gleich waren, spricht viel dafür, dass die Tradition, die nur noch einen
Mönch dieses Namens kennt, Schwierigkeiten des Auseinanderhaltens hatte und
sie verwechselt, vermischt oder gar vereinigt hat (siehe unten Anm. 15). Das
in späteren Annalen als Todesjahr Wigberts angegebene Jahr 746/747 (siehe
unten Anm. 24-25) bezöge sich dann nicht mehr auf den "älteren"
Wigbert, der dann zwischen 732 und 736 verstorben sein könnte. Diese Eckdaten
ergeben sich aufgrund der Überschrift des Briefes, die Bonifatius schon als
archiepiscopus betitelt, und des Jahres in dem Sturmi (vgl.
oben Anm. 4) sich nach Hersfeld begibt (zu diesem letzten Datum, vgl. Jäschke
Kurt-Ulrich, Zu schriftlichen Zeugnissen für die Anfänge der Reichsabtei Hersfeld,
in: Blätter für deutsche Landesgeschichte, 107, 1971, S. 96-104). Siehe dazu
Schmid, w. o. Anm. 3, S. 119-127.
[7] Tangl, MGH Epist. sel. I S. 64-65 Anm. 2, datiert
diesen Brief auf 737/738; aufgrund der Beweisführung von Beumann Helmut, Hersfelds
Gründungsjahr, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte, 6, Marburg, 1956,
S. 7-12, und Großmann Dieter, Wesen und Wirken des Bonifatius, besonders in
Hessen und Thüringen. Literatur- und Forschungsbericht, in: Hessisches Jahrbuch
für Landesgeschichte, 6, Marburg, 1956, S. 235-236, ist eine Umdatierung auf
746/747 vorgenommen worden (vgl. Schieffer Theodor, Winfrid-Bonifatius und
die christliche Grundlegung Europas, 1954, ND Darmstadt, 1972, Nachtrag von
1972, S. 331-332; Wunder Harald, Die Wigberttradition in Hersfeld und Fritzlar,
Diss. Erlangen-Nürnberg, 1969, S. 8-15; Rau, wie Anm. 2, S. 120 Anm. 4). Da
aber der Tod des im Brief genannten pater noster Uuigbertus vielleicht
zwischen 732 und 736 eintrat (siehe oben Anm. 6), ist es auch möglich, dass
der Brief aus dieser Zeit stammt (siehe Schmid, w. o. Anm. 3, S. 114-127;
Hahn Heinrich, Bonifaz und Lul. Ihre angelsächsischen Korrespondenten. Erzbischof
Luls Leben, Leipzig, 1883, S. 142 Anm. 6).
[8] Obwohl die Erstglieder des Namens
verschieden sind (es sei denn, man würde bei der Abschrift einen Übertragungsfehler
annehmen; nur tritt dieser "Fehler" mehrmals in den Bonifatiusbriefen
auf, siehe das Namenregister, MGH Epist. sel. I S. 299), ist manchmal vorgeschlagen
worden, Wigbertus mit einem presbyter Uuiehtberht zu identifizieren.
Dieser berichtet den Mönchen von Glastonbury (Somerset, Wessex) seine frischen
Eindrücke nach seiner Ankunft in confinia paganorum Haessonum et Saxonum,
wo Erzbischof Bonifatius ihm persönlich entgegengekommen ist und ihn wohlwollend
aufgenommen hat (MGH Epist. sel. I Nr. 101 S. 224-225; Rau, w. o. Anm. 2,
S. 322-325 mit deutscher Übersetzung; englische Übersetzung in Whitelook Dorothy
[ed.], English historical documents c. 500-1042, 2d ed., 1979, S. 826-827
Nr. 182; siehe auch die Briefe Nr. 55 und 102 S. 97-98 et 225; vgl. Hahn,
wie Anm. 7, S. 142-145; Wunder, wie Anm. 7, S. 16, 56). Der Brief kann nur
zwischen 732 und 754 geschrieben worden sein, da er keine chronologischen
Anhaltspunkte, außer denen des Bonifatius als Erzbischof, bietet (Hahn, wie
Anm. 7, S. 143, denkt an den Beginn der dreißiger Jahre). Es käme also nur
eine Identifizierung mit dem "jüngeren" Wigbert in Frage, da der
"ältere" wahrscheinlich früher in Hessen angekommen ist .
[9] Megingotus ist der zukünftige
Bischof von Würzburg (hierzu Schmid, wie Anm. 4, S. 121-122).
[10] Der Text des Briefes erweckt nicht
den Eindruck, Tatwinus sei
erst als Abt eingesetzt worden. Vielleicht war er gar nicht Abt des Klosters,
von dem die Rede ist (Schmid, wie Anm. 4, S. 127 Anm. 113 denkt an Amöneburg);
es stellt sich nämlich die berechtigte Frage, weshalb eine Neuorganisation
überhaupt notwendig gewesen sei, wenn Tatwinus die Leitung des Klosters
Fritzlar nach dem Weggang des Wigbertus nach Ohrdruf übernommen hat
(vgl. Schmid, S. 116; Wunder, wie Anm. 7, S. 12-13; Wand, wie Anm. 5, S. 57).
[11] Der spätere Abt von Fulda.
[12] Der höchstens 15 Jahre alt war
(vgl. Beumann, wie Anm. 7, S. 13-14).
[13] Sturmi, der erste Abt von Fulda,
779 verstorben (vgl. oben Anm. 4).
[14] Engelbert Pius, Die Vita Sturmi
des Eigil von Fulda. Literarkritisch-historische Untersuchung und Edition
(Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck, 29),
Marburg, 1968, S. 76, lässt die Frage der Identifizierung dieses Wigbertus
offen.
[15] Beumann, wie Anm. 7, S. 13-18,
tendiert zu einem terminus post quem von 723; Engelbert, wie Anm. 14, S. 76,
ist sich nicht zwischen 723/724 und 732/733 schlüssig (hierzu Schmid, wie
Anm. 4, S. 126 Anm. 109; Wunder, wie Anm. 7, S. 57-58).
[16] MGH Epist. sel. I Nr. 41 S. 66;
Rau, wie Anm. 2, S. 120-121 (lat./dt.).
[17] Die Frage, ob Bonifatius seine
ersten klösterlichen Niederlassungen nicht als eine zusammengehörige Einheit
von Brüdern betrachtete, muss unbeantwortet bleiben (vgl. Schmid, wie Anm.
4, S. 117). Der Brief ist nicht nur an verschiedene Mönche, die vielleicht
jeder ein Kloster vertraten (vgl. Beumann, wie Anm. 7, S. 11), gerichtet,
sondern auch an die fratribus ac sororibus nostris. Zu den in dieser
Zeit gegründeten Frauenklöstern, siehe Schieffer, wie Anm. 7, S. 165-166.
[18] Zum Datum des Aufenthaltes in Rom,
siehe Schieffer, wie Anm. 7, S. 172-174.
[19] Geppan ist sonst nicht bekannt
(vgl. Beumann, wie Anm. 7, S. 11 Anm. 40).
[20] Eoban ist wahrscheinlich
der zukünftige Chorbischof/Bischof von Utrecht, der mit Bonifatius 754 getötet
wurde.
[21] Wahrscheinlich derselbe wie der
presbiter Wigbertus aus dem Brief Nr. 40. Dass Bonifatius in der Anschrift
seines Briefes Tatuuinus dem "älteren" Wigbertus vorstellt,
ist unwahrscheinlich (vgl. Schmid, wie Anm. 4, S. 116-117).
[22] Gregor III.
[23] Beumann, wie Anm. 7, S. 21-23,
meint, dass es sich hier um den eigentlichen Grund des Briefes handelt.
[24] Schmid, wie Anm. 4, S. 131 und
Anm.132 bemerkt, dass es zu fragen wäre, aus welcher Quelle die Nachrichten
über den Tod Wigberts stammen, berücksichtigt man die damalige Rivalität der
Klöster Hersfeld und Fulda.
[25] Ableitungen der um 950 entstandenen
verlorengegangenen Hersfelder Annalen; die eine Gruppe hat die Jahresangabe
746: Annales Quedlinburgenses, MGH SS rer. Germ. [72], 2004, S. 422-423
(oder MGH SS III S. 35): Eodem anno sanctus Wigbertus migravit ad Christum;
Annales Altahenses maiores, MGH SS XX S. 782 Anm. 47 (diese gehen auf
eine bis 984 fortgesetzte Abschrift der ursprünglichen Annalen zurück); Fragment
der Annales Yburgenses (11./12. Jahrhundert), Naß Klaus, Die Reichschronik
des Annalista Saxo und die sächische Geschichtsschreibung im 12. Jahrhundert
(Monumenta Germaniae Historica. Schriften. 41), Hannover, 1996, S. 398; die
andere Gruppe leitet sich von einer ergänzten gekürzten Abschrift ab (siehe
Giese, MGH SS rer. Germ. [72], S. 143-152): Lamperti Hersfeldensis
Annales, MGH SS III S. 35 oder Lampert von Hersfeld, Annalen, neu übersetzt
von Schmidt Adolf, erläutert von Fritz Wolfgang Dietrich, (Ausgewählte Quellen
zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe,
hg. von Rudolf Buchner, Band XIII), Berlin, 1957 (lat./dt.); Annales Ottenburani,
MGH SS V S. 2; Annales Weissenburgenses, MGH SS III S. 35, die den
Tod Wigberts zu 747 setzen: Sanctus Wigbertus migravit ad seculo; anders
die Annales Monasterienses, MGH SS III S. 153 und die Annales Laubienses,
MGH SS IV S. 12 (vgl. Wunder, wie Anm. 7, S. 63-64 der die Meinung vertritt,
dass die Nachricht in das Jahr 746 gehört; Jäschke, wie Anm. 6, S. 96-104;
Wattenbach Wilhelm, Holtzmann Robert (Neuausgabe, besorgt von Schmale Franz-Josef),
Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Die Zeit der Sachsen und Salier.
1-2: Das Zeitalter des Ottonischen Staates (900-1050), Darmstadt, 1978, S.
40-42, 44-46). Zu diesen Annalen kann man im Internet die Seite http://www.repfont.badw.de/A.pdf
einsehen.
[26] Es wird allgemein angenommen, dass
es sich um das Todesdatum des "älteren" Wigbertus handelt,
der das fortgeschrittene Alter von ca. 76 Jahren erreicht hätte (vgl. oben
Anm. 18). Aber Schmid, wie Anm. 4, S. 125, bemerkt, dass es offen bleiben
muss, welcher von den beiden Wigberts 746/747 verstorben ist (vgl. oben Anm.
3). Die Gebeine jenes Wigberts, der als Heiliger verehrt wurde, wurden zunächst
von Fritzlar nach Büraburg übertragen, dann nach Hersfeld (vgl. Wunder, wie
Anm. 7, passim).
[27] Ob man diesen Wicbertus abbas
auf den presbiter Wigbertus der zwei oben genannten Bonifatiusbriefe,
der Abt von Fritzlar geworden wäre, beziehen kann, muss offen bleiben (vgl.
Wand, wie Anm. 5, S. 57; Wunder, wie Anm. 7, S. 7; Hahn, wie Anm. 7, S. 319,
der auf die mangelnde Lateinkenntnisse des abbas, die keine hohe Meinung
von seiner Fähigkeit als magister aufkommen lassen würden, verweist).
[28] MGH Epist. Sel. I Nr. 132 S. 270.
Außer den Eckdaten des Bischofs Lull (754-786) weist der undatierte
Brief keine chronologische Anhaltspunkte auf (siehe nächste Anm.). Zu erwähnen
ist noch ein presbiter Wigbert, der an Bischof Lull zwei
Briefe richtet (MGH Epist. sel. I Nr. 137 und 138 S. 275-278); dieser
Wigbert kann aber nicht genauer identifiziert werden (vgl. Wunder, wie Anm.
7, S. 16; Hahn, wie Anm. 7, S. 318-321).
[29] Lull erwähnt seinen leidenden
Zustand in Briefen, die zwischen 767 und 781 geschrieben worden sind (vgl.
Böhmer Johann Friedrich, Regesten zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe von
Bonifatius bis Uriel von Gemmingen 742? - 1514. I. Bd, bearb. und hg. von
Will Cornelius, Innsbruck, 1877, S. 41 Nr. 51 und 52; Hahn, wie Anm. 7, S.
319).
03.12.2009