A S T O R I C U S[1]

Bischof von Langres, vielleicht Abt von Saint-Bénigne in Dijon (737/741),
vielleicht Abt von Réôme

Ermenoara Deo sacrata schenkt der unter der Leitung[2] des apostolicus vir[3] Astoricus stehenden Basilika Saint-Bénigne (in Dijon)[4] ihren gesamten Besitz in Ruffey[5] im Atuyer[6]. Die Urkunde trägt die Datierung ante kalendas madias, defuncto Teoderico et electo Karolo majore domus[7].
Die uns bekannten Bischofslisten von Langres, deren älteste aus dem 12. Jahrhundert stammt, nennen Astoricus[8] zwischen den Bischöfen Eronus[9] und Wandraerius[10].
Die im 11. Jahrhundert verfasste Chronik von Saint-Bénigne[11] erwähnt für 714 Pippins Tod und schreibt, dass zu dieser Zeit[12] Astoricus Bischof von Langres[13] und Bobolenus Abt von Saint-Bénigne[14] waren.
Laut einem von Roverius im 17. Jahrhundert edierten antiquus Catalogus Abbatum Reomaensium[15] war Astoricus ex Eustorgius Abt von Réôme, bevor er Bischof von Langres wurde[16]. Aber dieses Zeugnis ist zu schwach[17].


[1] Dieser Name wurde später Eustorgius. Siehe Lauranson-Rosaz, Christian, L'Auvergne et ses marges (Velay, Gévaudan) du VIIIe au XIe siècle. La fin du monde antique? (Les Cahiers de la Haute-Loire), Le Puy-en-Velay, 1987, S. 186; unten Anm. 14.
[2] Es gibt für diese Zeit keine zuverlässige Liste der Äbte von Saint-Bénigne in Dijon. Die Urkunden nennen für 735 den Abt Godinus, für wahrscheinlich 751 den Abt Aridius (Chevrier/Chaume, wie Anm. 4, Nr. 19, 20 und 23 S. 55-58, 60-61).
[3] Hier vermutlich im Sinn von "bischöflich". Vgl. Niermeyer, J. F., Mediae latinitatis lexicon minus, Leiden, 1993, S. 50.
[4] Original verloren. Chartular von Saint-Bénigne aus dem 11. Jahrhundert: Chevrier, Georges et Chaume, Maurice, Chartes et documents de Saint-Bénigne de Dijon, prieurés et dépendances, des origines à 1300. I: VIe-Xe siècles, publié et anoté par Robert Folz, avec la collaboration de Jean Marilier (Analecta Burgundica), Dijon, 1986, Nr. 21 S. 58-59 (mit Angabe der Handschriften und der früheren Drucke).
[5] Rufiacus: Frankreich, Ruffey-les-Echirey, Côte-d'Or, arr. und cant. Dijon.
[6] in pago Atoariorum: Dazu Chaume, Maurice, Les origines du duché de Bourgogne. Seconde partie: Géographie historique. Fascicule troisième, Dijon, 1932, ND Aalen, 1977, S. 895-908.
[7] = vor dem 01. Mai 737/741. Die von der Edition der Urkunde angegebene Datierung, 15.-30. April 737, muss geändert werden. Sie setzt voraus, dass König Theuderich IV. am 15. April gestorben ist (freundliche Mitteilung von Jean Marilier am 25. November 1978). Aber dessen Tod muss zwischen dem 01. Januar und dem 15. März angesetzt werden (Weidemann, Margarete, Zur Chronologie der Merowinger im 7. und 8. Jahrhundert [Francia, 25/1, Sigmaringen, 1998, 177-230], S. 230). >Außerdem das Jahr 737 ist nicht zwingend: Es kann nur die Zeit zwischen 737 (Tod Theuderichs) und 741 (Tod Karl Martells) zugrunde gelegt werden.
[8] Marilier (Chevrier/Chaume, wie Anm. 4, S. 59; freundliche Mitteilung vom 25.11.1978, wie Anm. 6) ist der Meinung, dass der Urkundentext, der festlegt, dass der Bischof von Langres die hier zugunsten Saint-Bénigne geschenkten Güter nicht veräußern darf, "exclut la possibilité de considérer Astoricus comme titulaire de ce siège" (ausschließt, dass Astoricus als Inhaber dieses Sitzes betrachtet werden kann). Erst später wäre er in die Liste der Bischöfe von Langres aufgenommen worden. Meines Erachtens muss dieses Argument umgekehrt gesehen werden: Erstens trägt Astoricus hier sicherlich den Bischofstitel; zweitens, da bei der Beurkundung Astoricus gleichzeitig als Abt von Saint-Bénigne und Bischof (von Langres) fungiert, wird festgelegt, dass dieser (der Bischof) jetzt und in Zukunft keine Rechte auf die geschenkten Güter hat. Schon früher hat Semmler, Josef, Die Aufrichtung der karolingischen Herrschaft im nördlichen Burgund im 8. Jahrhundert (Aux origines d'une seigneurie ecclésistique. Langres et ses évêques VIIIe-XIe siècles. Actes du colloque Langres-Ellwangen, Langres, 28 juin 1985, Langres, 1986, 21-42), S. 31 Anm. 84, zugegeben, dass er die Argumentation von Marilier nicht versteht.
[9] Eronus/Heronus ist nur in einer Fälschung des 11. Jahrhunderts genannt: Es handelt sich um eine angebliche Bulle des Papstes Sergius zugunsten Saint-Bénigne, die am 25. März 690 oder 698 ausgestellt worden sei (Chevrier/Chaume, wie Anm. 4, Nr. 17 S. 53-54). Sonst ist er nicht belegt (dazu Marilier, Jean, Quelques aspects du diocèse de Langres au VIIIe siècle, Langres, 1965, S. 20-21, dessen Überlegungen zur Chronologie m. E. hier nicht übernommen werden können, s. unten Anm. 14).
[10] Wandraerius ist sonst auch nicht bekannt (Duchesne, L., Fastes épiscopaux de l'ancienne Gaule, II, Paris, 1910, S. 188).
[11] Bougaud E. et Garnier Joseph, Chronique de l'abbaye de Saint-Bénigne de Dijon, suivie de la Chronique de Saint-Pierre de Bèze (Analecta Divionensia, V), Dijon, 1875, S. 66. Diese Chronik, die gleichzeitig eine Art Chartular darstellt, wurde um die Mitte des 11. Jahrhunderts vor 1066 geschrieben (Dahlmann, Charlotte, Untersuchungen zur Chronik von Saint-Bénigne in Dijon [Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, 49, Berlin, 1932, 281-331], S. 284-285).
[12] Die Chronik bringt dann Ermenoaras Schenkung, von der oben festgelegt wurde, dass sie in den Jahren 737/741 ausgestellt wurde.
[13] Es ist merkwürdig festzustellen, dass der Autor der Chronik, der vermutlich die Urkunde unter den Augen hatte (Dahlmann, wie Anm. 11, S. 305-306), Astoricus als Bischof von Langres betitelt, was ja wahrscheinlich war, aber was die Urkunde nicht wörtlich sagt, und nicht als Abt von Saint-Bénigne, wie es in der Urkunde steht. Die Abtsliste aus dem 12. Jahrhundert bringt Astoricus auch nicht (MGH SS XIII, S. 380-381). Ist die Urkunde interpoliert worden? Leitete Astoricus das Kloster nur vorübergehend ? Diesem Punkt müsste nachgegangen werden, bevor er hier sicher als Abt bezeichnet wird.
[14] Ein Abt Bobolenus ist in einer 632 ausgestellten Urkunde genannt (Chevrier/Chaume, wie Anm. 4, Nr. 12 S. 49-50) und in einer zweiten, die nicht genau datiert werden konnte (Nr. 18 S. 54-55). Aufgrund der Aussage der Chronik haben die Verfasser der Gallia Christiana, IV, Paris, 1876, Sp. 670-671 einen zweiten Bobolenus tempore Astorici episc. Ling. in ihrer Liste aufgenommen. Zu Ermenoaras Urkunde bringen sie einen Abt Aetherius, obwohl sie in Anmerkung b bemerken, dass der Text Astoricus nennt. Die im 12. Jahrhundert verfasste Liste der Äbte von Saint-Bénigne kann hier nicht weiterhelfen (wie Anm. 13). Auszuschließen kann man also nicht, dass Astoricus um 714 schon Bischof von Langres und ein Bobolenus Abt von Saint-Bénigne waren (dazu Marilier's Überlegungen [wie Anm. 9 S. 19-20] zu Eronus' Vorgänger Girbaldus, die nicht von der Hand zu weisen sind).
[15] Petrus Roverius, Reomaus, seu historia monasteri s. Ioannis Reomaensis, Paris, 1637 (einzusehen auf http://books.google.de), S. 76, 438; s. Mabillon, J., Annales ordinis S. Benedicti occidentalium monachorum patriarchae, 2, Paris, 1704, S. 63.
[16] Saint-Jean de Réôme, heute Moutiers-Saint-Jean (Côte-d'Or, arr. und cant. Montbard). Das Kloster wurde zur Zeit der Revolution zerstört.
[17] Marilier, Jean, Les origines de l'abbaye de Moutier-Saint-Jean (Bulletin de la Société historique et archéologique de Langres. Actes du 38e congrès de l'Association Bourguignonne des Sociétés Savantes, Langres, 23-25 juin 1967, 375-379), S. 379 ist der Meinung, dass der historische Wert des Textes für diese Zeit nicht sicher genug sei.

30.04.2010