A T T A L A[1]

laut Überlieferung Äbtissin von St. Stephan (Saint-Etienne) zu Straßburg (Strasbourg) (8. Jahrhundert)

Es gibt keinen authentischen Beleg weder zeitgenössisch noch aus den folgenden Jahrhunderten[2], der Attala als Äbtissin[3] des Klosters Saint-Etienne (St. Stephan) in Strasbourg (Straßburg)[4] dokumentiert. Aber eine hl. Attala wurde schon im 10./11. Jahrhundert in der Diözese Straßburg verehrt und enge Beziehungen bestanden zwischen ihr und St. Stephan[5]. Im 12. Jahrhundert ist dann vermutlich eine echte Urkunde des Kaisers Lothar zugunsten St. Stephan vom 15. Mai 845[6] verfälscht worden. Der unechte Text berichtet, dass Atala von ihrem Vater Herzog Adalbertus[7] als Äbtissin des von ihm gegründeten Klosters bestellt wurde. Im 13. Jahrhundert ist dann mit den wenigen Dokumenten, die dem Verfasser zur Verfügung standen, eine Vita Athalae virginis[8] entstanden. Sie schreibt, dass Athala, Tochter des Herzogs Adalbertus[9] und der Gerlindis, mit ihren Schwestern Eugenia[10] und Gundelinde[11] bei ihrer Tante, die hl. Odilia[12], erzogen wird. Im Alter von 34 Jahren erhält sie die Leitung des Klosters St. Stephan, das ihr Vater in Straßburg gegründet hat. Sie leitet es zwanzig Jahre lang und stirbt im Alter von 54 Jahren[13]. Um von ihr eine Reliquie zu haben, schneidet ihr ein Gesandter von Weryndrudis[14], Äbtissin von Hohenburg, die rechte Hand ab[15]. In der Diözese von Strasbourg feierte man ihr Fest am 03. Dezember, heute am 05. Dezember[16].


[1] Atale, Athala, Atthala.
[2] S. unten Am. 6 + 8.
[3] G. Allemang, Artikel: "Attale", in: Dictionnaire d'histoire et de géographie ecclésiastiques, 5, Paris, 1931, Sp. 142; Hammer Nicole, Die Klostergründungen der Etichonen im Elsass, Marburg, 2003, S. 47.
[4] Dieses Kloster, das zum ersten Mal in einer Urkunde aus dem Jahr 801 erwähnt wird (Stengel Edmund E., Urkundenbuch des Klosters Fulda, I [Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck, X, 1], Marburg, 1958, Nr. 281 S. 408-409; cf. Bruckner Albert, Regesta Alsatiae aevi Merovingici et Karolini [496-918], I. Quellenband, Strasbourg-Zürich, 1949, Nr. 394 S. 248), wurde sicherlich von dem elsässischen Herzog Adalbertus gegründet (er starb 722/723, s. Ebling Horst, Prosopographie der Amtsträger des Merowingerreichees von Chlothar II. [613] bis Karl Martell [741] [Beihefte der Francia, 2], München, 1974, Nr. 3 S. 28-29; vgl. Geuenich Dieter, Richkart, ancilla dei de caenobio Sancti Stephani. Zeugnisse zur Geschichte des Straßburger Frauenklosters St. Stephan in der Karolingerzeit, in: Festschrift für Eduard Hlawitschka zum 65. Geburtstag, hg. von Karl Rudolf Schnith und Roland Pauler [Münchener historische Studien. Abteilung mittelalterliche Geschichte, 5], Kallmünz Opf., 1993, S. 97; Barth Medard, Die Legende und Verehrung der hl. Attala, ersten Aebtissin von St. Stephan in Straßburg, in: Archiv für elsässische Kirchengeschichte, 2, Strassburg, 1927, S. 97-100).
[5] Dazu Barth, w. o. Anm. 4, S. 92-95, 100-103.
[6] MGH DK III, bearb. von Schieffer Theodor, Berlin-Zürich, 1966, Nr. 90 S. 216-223. Diese Urkunde wurde im 12. Jahrhundert weitgehend interpoliert (dazu Geuenich, w. o. Anm. 4, S. 97-98; Barth, w. o. Anm. 4, S. 96-97).
[7] S. oben Anm. 4.
[8] Barth, w. o. Anm. 4, S. 110-159.
[9] Nach einer Notiz eines Urkundenbuches von Honau aus dem 15. Jahrhundert, deren Angaben über die Nachkommenschaft des elsässischen Herzogs Adalricus - Etichoniden genannt - glaubhaft sind, hatte Adelbertus zwei Söhne, Lutfridus und Ebrohardus sowie drei Töchter, Attala, Eugenia und Gerlinda (Wilsdorf Christian, Le monasterium Scottorum de Honau et la famille des ducs d'Alsace au VIIIe siècle. Vestiges d'un cartulaire perdu, in: Francia, 3, 1975, München, 1976, S. 17-18).
[10] Eugenia ist als Äbtissin (von Hohenburg) in einer Urkunde des Jahres 723 bezeugt (Bruckner Albert, Regesta Alsatiae aevi Merovingici et Karolini 496-918, I, Quellenband, Strasbourg-Zürich, 1949, Nr. 103 S. 47-48).
[11] Gundelinde erscheint später als Patronin der Kirche von Niedermünster (heute nur noch Ruinen, Gem. Saint-Nabor, Bas-Rhin, arr. Molsheim, cant. Rosheim), Kloster, das von der hl. Odilia gegründet wurde (dazu Barth, w. o. Anm. 4, S. 113 Anm. 4; Hammer, w. o. Anm. 3, S. 31).  
[12] Im Kloster Hohenburg (Mont Sainte-Odile, Bas-Rhin, Gem. Ottrott, Bas-Rhin, arr. Molsheim, cant. Rosheim). Der Verfasser wird diese Information in der Vita Odiliae abbatissae Hohenburgensis (MGH SS rer. Merov. VI, hg. von Levison Wilhelm, Hannover, 1913, ND 1979, S. 24-50) gefunden haben.
[13] Barth, w. o. Anm. 4, S. 125 und Anm. 1. Die ihr Alter betreffenden Angaben werden auf die Überlieferung des Klosters zurückzuführen sein. Sollten sie zutreffend sein, da Herzog Adalbertus in den Jahren 722/723 stirbt (s. oben Anm. 4), so wäre Attalas Tod spätestens 743 eingetreten.
[14] Weryndrudis ist sonst nicht bekannt.
[15] Diese Hand ist bis heute in einem schönen Reliquar aufbewahrt (Barth, w. o. Anm. 4, S. 173-183).
[16] S. Barth, w. o. Anm. 4, S. 92-93.

06.04.2009