D R O G O[1]

Beisitzer beim Königsgericht Pippins, bezeugt im Jahr 753,
vermutlich identisch mit dem Grafen, der 762 belegt ist

Am 08. Juli 753[2] beurkundet Pippin, dass er auf übersandte Klage[3] des Abtes Folradus[4] und der Mönche von Saint-Denis gegen Graf Gairehardus von Paris[5] wegen dessen Erhebung einer Kopfsteuer von den Handelsleuten während des St. Dionysiusmarktes im Pariser Gau[6], mit genannten Getreuen[7], darunter Drogo[8], zugunsten des Klosters geurteilt habe und bestätigt diesem den Marktzoll [9].  
Droco[10] steht an erster Stelle[11] der zahlreichen Grafen[12], die  das feierliche Diplom bezeugen, mit welchem König Pippin mit seiner Frau Bertrada am 13. August 762[13] in Trisgodros villa puplica[14] etliche Güter in verschiedenen pagi[15] dem Kloster Prüm[16], das sie auf der Grenze des Bid- und Ardennengaus[17] durch Entsendung einer Ordensgemeinschaft aus der Kongregation der Bischöfe Romanus und Vulframnus[18] gegründet haben, überträgt; Pippin bestätigt auch frühere Schenkungen, stellt das Kloster unter seinen Schutz und erteilt ihm die freie Abtswahl.


[1] Oder Droco.
[2] Original. Chartae latinae antiquiores. Facsimile-edition of the latin charters prior to the ninth century, ed. by Albert Bruckner (†) and Robert Marichal, part XV: France III,  publ. By Hartmut Atsma, Jean Vezin, Dietikon-Zürich, 1986, Nr. 598 S. 15-21. Andere Drucke in Auswahl: Die Urkunden Pippins, Karlmanns und Karls des Grossen, bearb. von Engelbert Mühlbacher u. a., in: Monumenta Germaniae historica, Diplomatum Karolinorum 1, Hannover 1906, Neudruck München 1991 - fortan MGH DD Karol. 1-,  Nr. 6 S. 9-11; Félibien Michel, Histoire de l'abbaye royale de Saint-Denys en France, Paris, 1706, réimp. Paris, 1973, pièces justificatives, Nr. XXXV S. XXIV-XXV; Tardif Jules, Monuments historiques, in: Archives de l'Empire. Inventaires et documents publiés par ordre de l'Empereur sous la direction de M. le Marquis de Laborde, Paris, 1866, Nr. 55 S. 46-47. Vgl. Böhmer Johann Friedrich, Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 715-918, neubearb. von Engelbert Mühlbacher, vollendet von Johann Lechner (Innsbruck ²1908), mit Ergänzungen von Carlrichard Brühl – Hans H. Kaminsky, Hildesheim, 1966 - fortan BM² -, Nr. 73 S. 35; Oelsner Ludwig, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter König Pippin (Jahrbücher der Deutschen Geschichte), Leipzig, 1871, S. 69-73; Tessier Georges, Diplomatique royale française, Paris, 1962, S. 115.
[3] Zu den Details dieser Klage, siehe den Artikel "Gerardus, Graf von Paris".
[4] Abt von St. Denis (748/750 † 784). Sein Vorgänger, Abt Amalbertus, der nur kurz dieses Amt bekleidet haben muss, ist nur durch eine Urkunde vom 11. Februar 748 belegt (Die Urkunden der Arnulfinger, hg. von Heidrich Ingrid, in: MGH Diplomata maiorum domus regiae e stirpe Arnulforum, Hannover, 2011, Nr. 18 S. 41-42; siehe Artikel "Amalbertus, Abt von St. Denis"). Ihm folgt dann Fulradus, der erstmals am 17. August 750 urkundlich genannt ist (ebd., Nr. 21 S. 45-48).
[5] Gerardus, Graf von Paris, belegt von 753 bis 775 oder 779, wird nochmals in Konflikt mit Saint-Denis geraten (MGH DD Karol. 1, Nr. 12 S. 17-18).
[6] […] infra pago Parisiaco […].
[7] […] unacum plures nostris fidelibus, id sunt Milone, Helmegaudo, Hildegario, Chrothardo, Drogone, Baugulfo, Gyslehario, Leuthfredo, Rauhone, Theuderico, Maganario, Nithado, Uualthario, Uulfario et Uuicberto, comite palatii nostro […]. Die Bezeichung fidelis noster (fidelis regis) wurde vermutlich "nur dem verliehen, der in einem besonderen Verhältnis zum König in seiner Eigenschaft als Herrscher gestanden hatte" (Dietrich von Gladiss, Fidelis regis, in: Zeitschrift für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 57, 1937, 441-451, hier S. 451; Niermeyer J. F., Mediae latinitatis lexicon minus, Leiden, 1993, S. 422-423).
[8] Der Name Drogo ist von Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. 1. Band: Personennamen, Bonn, 1900, Neudruck München, 1966, Sp. 420 öfters belegt. Er kommt auch in der pippinidischen/karolingischen Herrscherfamilie vor, erstmals mit einem Sohn Pippins († 714), zu dessem Amtsbereich "anscheinend Burgund, aber auch die Champagne" gehörten (Joch Waltraud, Legitimität und Integration. Untersuchungen zu den Anfängen Karl Martells, in: Historische Studien, 456, Husum, 1999, S. 44). Drogo hieß auch der älteste Sohn Karlmanns, Pippins († 768) Bruder, der vermutlich seinem Vater als Hausmeier in seinem Teilreich folgte (vgl. Becher Matthias, Drogo und die Königserhebung Pippins, in: Frühmittelalterliche Studien, 23, Berlin-New York, 1989, 131-153). In dieser Zeit testiert ein Drogo als einziger Zeuge - in welcher Eigenschaft lässt sich nicht feststellen - die Schenkung von Besitz im nördlichen Elsass, die am 22. März 756 zugunsten des Klosters Wissembourg/Weißenburg vorgenommen wurde (Traditiones Wizenburgenses. Die Urkunden des Klosters Weissenburg 661-864, hg. von Doll Anton aus dem Nachlass von Glöckner Karl, in: Arbeiten der Hessischen historischen Kommission, Darmstadt, 1979,  Nr. 137 S. 341-342). Hahn Heinrich, Jahrbücher des fränkischen Reichs 741-752 (Jahrbücher der deutschen Geschichte), 1863, Neudruck  Berlin 1975, S. 89 glaubt in ihm den Sohn des Hausmeiers Karlmann zu erkennen, der freiwillig dem Hausmeieramt entsagt hätte. Dagegen steht aber die Nachricht der Annalen, dass Karlmann sowie seine Söhne 753 zu Mönchen geschoren wurden  (vgl. Becher, ebd., S. 140 und Anm. 45). Settipani Christian vermutet in Drogo ein Mitglied der karolingischen Familie: Aufgrund des Erscheinens der Namen Adaltrudis, Godofriedus und Drogo in der Familie der Rorgoniden im 9. Jahrhundert sieht er in Drogo das mögliche Bindeglied zwischen vielleicht Godefridus, Sohn Drogos und Enkel Pippins († 714), der nur im Jahr 715 urkundlich belegt und vielleicht 723 verstorben ist (Joch, ebd., passim), und Adaltrudis, Mutter des späteren Grafen Rorgo von Maine (Settipani Christian, avec la collaboration de Patrick Van Kerrebrouck, La préhistoire des Capétiens 481-987, Première partie: Mérovingiens, Carolingiens et Robertiens, in: Nouvelle histoire généalogique de l'auguste maison de France, Villeneuve d'Ascq, 1993, S. 181; Ders., Les origines des comtes de Nevers: nouveaux documents, in: Prosopographica et Genealogica 3. Onomastique et Parenté dans l'Occident médiéval, Oxford, 2000, 85-112, hier S. 106-109; Ders., La noblesse du Midi carolingien. Etudes sur quelques grandes familles d'Aquitaine et du Languedoc du IXe au XIe siècles: Toulousain, Périgord, Limousin, Poitou, Auvergne, in: Prosopographica et Genealogica 5, Oxford, 2004, passim; Doumerc François, Essai de construction  d'un espace princier: l'exemple des Rorgonides dans le monde franc puis dans le royaume de France et ses marges (vers 600-vers 1060), Thèse Université du Maine, 2010, vol. 1 S.67 und vol. 2 S. 898).
[9] Der Ort der Beurkundung ist nicht genannt, genau so wenig wie die Stätte der Gerichtsverhandlung. Deshalb vermutet Oelsner, wie Anm.2, S. 72-73 m. E. richtig, dass unter den Beisitzern - da die lange Liste - sich auch mehrere Teilnehmer Pippins Zug gegen die Sachsen befanden (vgl. BM² 73a S. 35). Wie bei den Gerichtsurkunden der Merowingerzeit sind in diesen "die Grafen und königlichen Beamten der umliegenden Gebiete, in denen der König und sein Gefolge sich gerade aufhalten, zu sehen" (Bergmann Werner, Untersuchungen zu den Gerichtsurkunden der Merowingerzeit, in: Archiv für Diplomatik, 22, Köln Wien, 1976, 1-186, S. 19-20).
[10] Im Jahr 815 überträgt Kaiser Ludwig d. Fr. dem bekannten Einhardus und seiner Frau villam que dicitur Mulinheim (Mühlheim am Rhein, Hessen, Lkr. Offenbach) im Maingau que quondam Drogonis comitis possessio fuit (Codex Laureshamensis, bearb. und neu hg. v. Glöckner Karl, I, in: Arbeiten der historischen Kommission für den Volksstaat Hessen, Darmstadt, 1929, Nr. 19 S. 299-300; siehe Artikel im Anhang). Soll es sich um den Grafen von 762 handeln?
[11] Signa von Karl, Karlmann (Pippins Söhne), neun Bischöfen und zwölf Grafen: Droconi comitis, Chrodardi comitis, Warini …, Welanti …, Baugulfi …, Gerhardi …, Troanie …, Waltarii …, Herloini …, Gunberti …, Rachulfi …, Warini comitis.
[12] Erfolgt hier auch die Nennung der Grafen "nach dem Ehrenvorrang" (Bergmann, wie Anm. 9, S. 16), hätte Droco sein Amt vor 749 (erste Erwähnung  Chrodardus als Graf) übernommen. Aber in der Gerichtsurkunde von 753 (siehe oben) steht Drogos Name nach Chrothardus.
[13] Verlorenes Original. Überlieferung: Liber aureus Prumiensis, Das "Goldene Buch" von Prüm. Faksimile, Übersetzung der Urkunden. Einband, hg. im Auftrag des Geschichtsvereins "Prümer Land" e.V. von Nolden Reiner, Trier, 1997, fol. 2a-4a S. 15-19 (in dem zwischen 891 und 919/920 eingetragenen älteren Bestand, vgl. Kuchenbuch Ludolf, Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherrschaft im 9. Jahrhundert. Studien zur Sozialstruktur der familia der Abtei Prüm, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft Nr. 66, Wiesbaden, 1978, S. 33). Drucke in Auswahl: MGH DD Karol. 1, Nr. 16 S. 21-25; Urkundenbuch zur Geschichte der jetzt die Preussischen Regierungsbezirke Coblenz und Trier bildenden mittelrheinischen Territorien. Aus den Quellen hg. von Heinrich Beyer. Erster Band: Von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1169, Coblenz, 1860, Neudruck: Urkundenbuch zur Geschichte der mittelrheinischen Territorien, 1, Aalen, 1974, Nr. 16 S. 19-22. Deutsche Übersetzung: Liber aureus, wie oben, Nr. 4 S. 254-257. Vgl. Wampach Camille, Urkunden- und Quellenbuch zur Geschichte der altluxemburgischen Territorien bis zur burgundischen Zeit, 1, Luxemburg, 1935, Nr. 26 S. 29; Oelsner, wie Anm. 2, S. 357-358; BM² 95 S. 48-49. Zu dieser Urkunde, siehe die ausführliche Abhandlung von Isphording Bernd, Prüm. Studien zur Geschichte der Abtgei von ihrer Gründung bis zum Tod Kaiser Lothars I. (721-855), in: Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 116, Mainz, 2005, passim.
[14] Die Lokalisierung dieses änigmatischen Ortes hat schon lange die Forschung beschäftigt. Wegen gewisser Anklänge mit des ab 820 genannten pagus Trigorium, der im Rhein-Mosel-Dreieck lag (vgl. Karte bei: Pitz Martina/Puhl Roland, Trisgodros = Triguères /Loiret ? Pour une nouvelle localisation d'une villa publica énigmatique mentionnée dans une charte de Pépin le Bref, in: Nouvelle revue d'onomastique. Ononmastique galloromaine. Noms d'ailleurs et problèmes généraux, Lyon, n° 49-50, 2008, 55-81, hier S. 80, sowie S. 57-59; Heinzelmann Josef, Der Weg nach Trigorium… Grenzen, Straßen und Herrschaft zwischen Untermosel und Mittelrhein im Frühmittelalter, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 21, 1995, S. 9-132, hier S. 34-132, mit Karte S. 53; Halfer Manfred, Trigorium. Namenkontinuität im Rhein-Mosel-Dreieck, in: wie Heinzelmann, 133-151, S. 138-144), wurde diese unbekannte villa in dieser Gegend gesucht: Vorgeschlagen wurde letztens von Halfer, ebd., S. 144-148 der Ort Treis (heute Gemeinde Treis-Karden, Lkr. Cochem-Zell, mit Kritik von Pitz/Puhl, ebd., S. 61-62). Aber zieht man Pippins Itinerar im Jahr 762 hinzu - am 18. April war er noch in Quierzy, am 10. Juli urkundet er in Sinzig (oder Attigny), am 25. Dezember feiert er Weihnachten in Gentilly -, wäre sein Aquitanienfeldzug, der mit der Eroberung von Bourges und Thouars gipfelt, ein "Blitzfeldzug" gewesen, was dessen Darstellung in der Fredegar-Fortsetzung widerspricht (zu diesen Ereignissen und den entsprechenden Orten, s. Pitz/Puhl, ebd., S. 62-64; Isphording, wie Anm. 4, S. 100-113; Rouche Michel, L'Aquitaine des Wisigoths aux Arabes 418-781. Naissance d'une région, Paris, 1979, S. 123 und 125). Deswegen wird der Aquitanienfeldzug eher im Sommer/Herbst stattgefunden haben und Trisgodros "in Aquitanien oder auf dem Wege dorthin gesucht werden muss" (Sickel Theodor, Acta regum et imperatorum Karolinorum digesta et enarat. Die Urkunden der Karolinger, 2, Wien, 1867, S. 217). Pitz/Puhl siehen in Trisgodros den Ort Triguères (Loiret, arr. Montargis, cant. Châteaurenard), schließen dabei die Hypothese Trouy (Cher, arr. Bourges, cant. Levet)  von Isphording aus (Pitz/Puhl, ebd., S. 62-74; Isphording, ebd., S. 108-113). Kann wohl angenommen werden, dass Pippins Aquitanienfeldzug des Jahres 762 in der zweiten Hälfte des Jahres stattgefunden hat, so ist m. E. das Kapitel Trisgodros noch lange nicht geschlossen.
[15] Karosgau, Moselgau, Bidgau, Eifelgau, Ribuarien, Speyergau, Lommegau. Unter den weltlichen Zeugen der Urkunde werden sicherlich auch Gaugrafen anwesend sein, wie zum Beispiel Baugulfus für den Speyergau. 
[16] Rheinland-Pfalz, Lkr. Bitburg-Prüm.
[17] […] infra terminos Bidense atque  Ardinne […].
[18] […] de congregatione domni Romani et Vulframni episcoporum […]: Bischöfe von Meaux und Äbte vom dortigen Kloster Saint-Faron (siehe die entsprechenden Artikel).

22.09.2012, überarbeitet 28.11.2013, 13.03.2015