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belegt vermutlich 738 als Bischof (in Bayern oder Alemannien, Augsburg?)

In einem undatierten[1] Brief[2] an die episcopis in provincia Baioariorum et Alamannia[3] constitutis[4] Uiggo[5] , Liudoni[6] , Rydolto[7] et Phyphylo[8] seu Addae[9] weist Papst Gregor (III.) sie an[10], seinen Stellvertreter Bonifatius gebührend aufzunehmen, dessen Lehre zu folgen und zweimal jährlich zu Synoden zusammenzutreten, sei es an der Donau[11], sei es in der civitas[12] Augsburg[13] oder wo immer Bonifatius es angibt.


[1] Der Brief erwähnt, dass Bonifatius gegenwärtig beim Papst weile. Er wird deshalb allgemein in das Jahr 738 gesetzt, da sich Bonifatius 737/738 in Rom befand und den Brief sicher bei seiner Rückkehr mitbrachte (zum Datum des Aufenthaltes in Rom, siehe Schieffer Theodor, Winfrid-Bonifatius und die christliche Grundlegung Europas, 1954, ND Darmstadt, 1972, S. 172-174). Der Versuch von Heinrich Koller (Bischof, Wanderbischof, Chorbischof im frühmittelalterlichen Baiern, in: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines. Gesellschaft für Landeskunde, 136, Linz, 1991, S. 66), den Brief auf "vor 736" umzudatieren, hat keine Resonanz gefunden (dazu Glatthaar Michael, Bonifatius und das Sakrileg. Zur politischen Dimension eines Rechtsbegriffs [Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte, 17], Frankfurt a. M., 2004, S. 426-428).
[2] Rau Reinhold, Briefe des Bonifatius (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, IVb), Darmstadt, 1968, Nr. 44 S. 126-129 (lat./dt.); MGH Epist. sel. I, Nr. 44 S. 70-71; s. Jakobs Hermann/ Büttner Heinrich, Provincia Maguntinensis, pars IV : S. Bonifatius, archidioecesis Maguntinensis, abbatia Fuldensis (Germania Pontificia. Regesta pontificum Romanorum, 4),Göttingen, 1978, Nr. 34 S. 16-17 mit weiteren Angaben zur Literatur.  [3] "In der Deutung dieses Briefes gehen die Meinungen weit auseinander; sie hängen letzten Endes davon ab, ob man an die Bischöfe von Bayern und Schwaben oder nur an die von Bayern gerichtet sein läßt" (Reindel Kurt, Die politische Entwicklung, in: Spindler Max, Handbuch der bayerischen Geschichte. I: Das alte Bayern. Das Stammesherzogtum bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts [B. Grundlegung: Das Zeitalter der Agilolfinger, - bis 788] München, 1967, S. 165-166). Die Forschung tendiert aber mehr zu der Meinung, als vermittle dieses päpstliche Schreiben den Eindruck einer vorübergehenden Zusammengehörigkeit Bayerns und eines Teils der Alemannia unter Herzogs Odilo Führung "mit einem geplanten, gedachten oder tatsächlichen kirchlichen Vorort in Augsburg" (hierzu Weitlauff Manfred, Sankt Afra, ihr früher Kult und die Anfänge des Bistums Augsburg, in: Verein für Augsburger Bistumsgeschichte. Jahrbuch, 40, Augsburg, 2006, S. 29; Wagner, s. u. Anm. 5, S. 105-106; Jahn Joachim, Ducatus Baiuvariorum. Das bairische Herzogtum der Agilolfinger [Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 35], Stuttgart, 1991, S. 138; Schieffer, w. o. Anm. 1, S. 181-182; Zibermayr Ignaz, Noricum, Baiern und Österreich. Lorch als Hauptstadt und die Einführung des Christentums, 2. Auflage, Horn, 1956, S. 174-176; Karte des bayerischen Herzogtums bei Diepolder Gertrud, Bayerischer Geschichtsatlas, hg. von Spindler Max, München, 1969, Nr. 14 und S. 70-71).    
[4] Zum Begriff constitutis, s. Freund Stephan, Von den Agilolfingern zu den Karolingern. Bayerns Bischöfe zwischen Kirchenorganisation, Reichsintegration und Karolingischer Reform (700-847) (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte, 144), München, 2004, S. 56; Glatthaar, w. o. Anm. 2, S. 167-168; Mittellateinisches Wörterbuch bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert, II, München, 1999, Sp. 1624-1627; Niermeyer J. F., Mediae latinitatis lexicon minus, Leiden, 1993, S. 257, hier vermutlich zu übersetzen mit "eingesetzt, mit allen Rechten ihres Amtes ausgestattet". Bayern war also vor Bonifatius' "Reorganisation" von 739 ein Land mit einer in Grundzügen vorhandenen kanonischen Ordnung, die vermutlich einer Reform bedurfte (Glatthaar, ebd., S. 55-59; Weitlauff, w. o. Anm. 3, S. 29-30; Freund, ebd., S. 55 Anm. 162; Zibermayr, w. o. Anm. 3, S. 173-174). Laut Schreiben des Papstes Zacharias an Bonifatius vom 29. Oktober 739 (Rau, w. o. Anm. 2, Nr. 45 S. 128-133 lat./dt.) hat dieser ihm mitgeteilt, dass das Bayernvolk keine Bischöfe in provincia hätte außer dem einen Vivilo (von Passau; s. unten Anm. 8). Das will aber wohl nur heißen, dass die anderen in Bayern tätigen Bischöfe (s. den o. g. Brief) nicht von Bonifatius anerkannt wurden (s. Wagner, s. Anm. 5, S. 102, 104).
[5] Seine Identifizierung wie auch seine Zuordnung zu einem Bistum sind in der Forschung umstritten (vgl. Schipperges Stefan, Bonifatius ac socii eius. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung des Winfrid-Bonifatius und seines Umfeldes [Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte, 79], Mainz, 1996, S. 165-166). Der Name Wiggo gehört zum selben Stamm wie z. B. Wicterpus, ist aber eine ziemlich verbreitete Kurzform (Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. l: Personennamen, 2. Auflage, Bonn, 1900, ND Hildesheim, 1966, Sp. 1576 ff.). Heutzutage wird Uiggo noch in dem Bischof Wichterpus der Magnusvita, der als Augsburger Bischof von Epfach aus gewirkt haben soll, wiedererkannt oder vermutet (z. B. Wagner Heinrich, Bonifatiusstudien [Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg, 60], Würzburg, 2003, passim; Glatthaar, w. o. Anm. 1, S. 276-277; Fried, Artikel "Wicterp" im Lexikon des Mittelalters, IX, 1999, Sp. 63; Walz Dorothea, Auf den Spuren der Meister. Die Vita des heiligen Magnus von Füssen, Sigmaringen, 1989, S. 17). Manchmal hat man ihn auch im Bischof Wicterpus von Regensburg wiederfinden wollen, dessen Existenz aber von anderen Forschem bestritten wird (dazu die Literaturangaben bei Schmid Karl, Bischof Wikterp in Epfach. Eine Studie über Bischof und Bischofssitz im 8. Jahrhundert, in: Münchener Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte. 7. Veröffentlichungen der Kommission zur archäologischen Erforschung des spätrömischen Raetien, I [Epfach, 1]. Studien zu Abodiacum-Epfach, München, 1964, S. 112 Nr. 3; hinzuzufügen ist Semmler Josef (Zu den bayrisch-westfränkischen Beziehungen in karolingischer Zeit, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, 29, München, 1966, S. 351-353), der an diesem Bischof von Regensburg festhält und ihn mit Uiggo gleichsetzt); Koller, w. o. Anm. l, S. 65-66, möchte Uiggo mit dem Abt von S. Peter zu Salzburg Izzio (zu diesem Izzio, der vor 739 diese geistliche Gemeinschaft geführt haben muss, von dem aber außer seinem Namen nichts bekannt ist, s. Hermann  K.-F., Geschichte der Erzabtei St. Peter zu Salzburg. 1: Frühgeschichte 696-1193, Salzburg, 1996, S. 6l-62) gleichsetzen, muss deswegen aber das päpstliche Schreiben umdatieren (s. oben Anm. l). Glatthaar, ebd., S. 427 Anm. 110 erwähnt eine mögliche Schreibung Wizo, warnt aber gleichzeitig vor "gewaltsamem Verbessern und Zerren an den Namen". "Das Durcheinander von Meinungen … läßt sich wohl kaum noch steigern"  (Schmid, ebd., S. 118). Aber diesen Uiggo aufgrund des Namens mit dem anderweitig genannten Wicterpus von Augsburg (oder von Regensburg) identifizieren zu wollen, ist m. E. nicht erforderlich. Eine wohl fragwürdige spätere Quelle kennt einen Wicco als Bischof in Novam civitatem (hier ist wahrscheinlich Neuburg a d. Donau gemeint).  Dazu meine noch zu erscheinende Abhandlung: "Überlegungen zum Bistum Neuburg. Könnte es vielleicht schon bestanden haben, als Bonifatius die bayerische Kirche 738/739 neu organisierte?"
[6] Liudo könnte im Salzburger Raum gewirkt haben (dazu Wagner, w. o. Anm. 5, S. 113-115).
[7] Dieser Bischof kann nicht eingeordnet werden. Wagner (w. o. Anm. 5, S. 115-117) erwägt einen verlesenen Sidolius/Sedolius und dass dieser Bischof möglicherweise in und um Freising gewirkt haben könnte.
[8] Vivilo, Bischof in Bayern seit 731/736, wahrscheinlich schon von Passau vor 739 (dazu Glatthaar, w. o. Anm. 1, S. 54-57 und Anm. 167) und nicht erst im Jahr 739 (Schipperges, w. o. Anm. 5, S. 156-157; Jahn, w. o. Anm. 3, S. 120-121, 157-158, 572).
[9] Adda kann auch nicht stichhaltig mit einem Bistum in Verbindung gebracht werden. Die Nennung Alemanniens in der Adresse des Briefes hat vermutlich dazu geführt, dass heutzutage noch oft Adda mit dem Bischof Heddo von Strasbourg/Straßburg identifiziert wird. Diese Hypothese wurde schon des Öfteren diskutiert. Hier folgend einige Meinungen: Semmler Josef, Bonifatius, die Karolinger und die "Franken", in: Mönchtum - Kirche - Herrschaft 750-1000, Sigmaringen, 1998, S. 14 Anm. 124 und Jahn, w. o. Anm. 3, S. 137 übernehmen diese Gleichsetzung. Schnyder Hans, Heddo, Abt der Reichenau und Bischof von Strassburg (-727-762-), in: Historisches Neujahrsblatt. Doppelheft für die Jahre 1982/1983 (1250 Jahre Name "Uri"), NF 37/38, 1. Reihe, 73./74. Heft, Uri, S. 48 Anm. 117 mit weiterer Literatur spricht von großer Wahrscheinlichkeit. Zuerst verneinend und dann unsicher, Schieffer Theodor, Winfrid-Bonifatius und die christliche Grundlegung Europas, 1954, ND Darmstadt, 1972, S. 181-182, 332-333. "Den zuletzt genannten Adda bemüht man sich mit Bischof Heddo von Straßburg zu identifizieren, was freilich Schwierigkeiten bietet, aber doch nicht soviel, wie wenn man in ihm einen sonst völlig unbekannten Augsburger Bischof sucht" (Reindel, 1967, S. 166 mit Literatur Anm. 11). Aber gegen diese Identifizierung erheben sich Bedenken. Zuerst der Name: Adda ist eine Nebenform von Atha (ath), dagegen gehört Heddo zum Stamm haith (MGH Libri memoriales et Necrologia, NS I, Das Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau, hg. von Johanne Authenrieth, Dieter Geuenich und Karl Schmid, Hannover, 1979, Lemmatisiertes Personennamen Register, S. 47 und 97). Außerdem kann das Bistum Straßburg zu dieser Zeit nicht als alemannisch angesehen werden. Dazu kommt, dass das seu zwischen den vier ersten (bayerischen?) Bischofsnamen und Adda mehrere Interpretationsmöglichkeiten zulässt (Wagner, w. o. Anm. 5, S. 100). Zibermayr, w. o. Anm. 3, S. 172, ist der Ansicht, diese Form der Trennung bedeute, dass der letzte der genannten Bischöfe nach Alemannien gehöre, also auf Augsburg (Alemannien) zu beziehen sei. Ingrid Heidrich, Bonn, schrieb mir am 29.05.2009, dass diese Hypothese ihr ziemlich einleuchtend scheint. Seinerseits äußert sich Dieter Geuenich, Essen, zurückhaltender (E-Mail vom 29.05.2009): "Ob Adda durch seu von den vorangehenden Namen abgegrenzt ist, weil dieser Name mit Alamannia korrespondiert, während sich die vorangehenden Namen auf in provincia Baioariorum beziehen, vermag ich nicht zu sagen…. Es ist sicher noch die plausibelste Lösung, Adda (mit Theodor Schieffer, Winfried-Bonifatius, S. 182) als Bischof von Augsburg zu vermuten". Aber dieser Name erscheint in keiner Augsburger Bischofsliste (MGH SS XIII, S. 333-335; SS XV, 2, S. 1308-1309, MGH SS XIII, S. 278-280; XIV, S. 556-559) und ist sonst auch nicht belegt. Trotzdem ist diese Möglichkeit m. E. nicht ganz auszuschließen: Weil er von Bonifatius als Bischof von Augsburg abgesetzt wurde (s. o. Anm. 3 und 4), könnte Adda nicht in die Bischofsliste aufgenommen worden sein. Sollte Adda der Zweitname des Bischofs Wicterpus von Augsburg sein? Dazu eine Bemerkung, die Wilhelm Störmer in seiner Abhandlung über Augsburg noch vor Kurzem schrieb: "Eigenartig ist das Schweigen der Quellen über Wiggo-Wicterps Tätigkeit als Bischof von Augsburg" (Augsburg zwischen Antike und Mittelalter. Überlegungen zur Frage eines herzoglichen Zentralortes im 6. Jahrhundert und eines vorbonifatianischen Bistums, in: Adel und Königtum im mittelalterlichen Schwaben. Festschrift für Thomas Zotz zum 65. Geburtstag, hg. von Andreas Bihrer, Mathias Kälble und Heinz Krieg, Stuttgart, 2009, S. 81). Schließlich ist noch die Hypothese zu erwähnen, dass Adda der Zweitname des Bischofs und Abts von Salzburg Flobrigis sein könne (Wagner, ebd., S. 111-112; zu Flobrigis, s. Hermann, w. o. Anm. 5, S. 61-62). Andere Arbeiten, z. B. Schipperges, w. o. Anm. 5, S. 25, Freund, w. o. Anm. 4, S. 55-56 Anm. 163 mit weiterer Literatur, Glatthaar, w. o. Anm. 1, S. 427 Anm. 109, übernehmen nur das schon Gesagte, ohne in die Diskussion einzugreifen.
[10] Zum Inhalt dieses Briefes, vgl. z. B. Zibermayr, w. o. Anm. 3, S. 170; Wagner, w. o. Anm. 5, S. 96 ff.
[11] Möglich sind Neuburg, Regensburg und Passau (Wagner, w. o. Anm. 5, S. 109). Eine m. E. nicht verwegene Vermutung wäre anzunehmen, dass diese drei Bischöfe in der Adresse des Briefes genannt sind (Vivilo in Passau, Wiggo in Neuburg und ? Rydoltus in Regensburg).
[12] "In römischer Vorstellung ist die civitas eine Bischofsstadt" (Störmer, 2009, w. o. Anm. 9), S. 82.
[13] Allgemein wird als wahrscheinlich angenommen, dass die Adresse des Briefes auch den Bischof nennen müsse, in dessen Sprengel sich dieser mögliche Versammlungsort Augsburg befand. Nur ist diese Vermutung fast immer auf Uiggo bezogen worden.

28.09.2009